Im Rausch der Tiefe

Nachdem Luc Besson 1985 mit seiner bunt poppigen und romantischen Gauner-Komödie im New-Wave-Look „Subway“ seinen Durchbruch in Europa feiern konnte, verwirklichte der ehemalige Tauchlehrer mit seinem nächsten Film einen langgehegten Traum, nämlich mit seiner ersten rein englischsprachigen Produktion „Im Rausch der Tiefe“ ein Taucherdrama zu inszenieren, das von der Rivalität des Franzosen Jacques Mayol und des Italieners Enzo Maiorca inspiriert wurde, die sich in den 1960er Jahren über einen Zeitraum von zehn Jahren gegenseitig die Tauchrekorde abjagten. 

Inhalt: 

Jacques (Jean-Marc Barr) und Enzo (Jean Reno) sind gemeinsam auf der griechischen Insel Amorgos aufgewachsen und haben von Kindesbeinen an die Leidenschaft fürs Tauchen miteinander geteilt. Nachdem Jacques‘ Vater allerdings bei seiner gefährlichen Ausübung des Schwammtauchens ums Leben gekommen war, verließ der introvertierte Jacques die Insel und fing an, seine außergewöhnlichen Taucherfähigkeiten für die Wissenschaft einzusetzen. Als er in Peru in eisigen Höhen die aus New York stammende Versicherungsagentin Johana (Rosanna Arquette) kennenlernt, reist sie ihm unter einem Vorwand nach Sizilien nach, als Enzo ihn zur Teilnahme an der diesjährigen Tauchweltmeisterschaft einlädt. Der weltgewandte, lebensfreudige Enzo ist der aktuelle Weltmeister im so genannten Apnoetauchen, einer sehr riskanten Methode ohne jegliche Gerätschaften, und brennt darauf, seinen Jugendfreund im Wettkampf herauszufordern. So herzlich Enzo Jacques in Taormina empfängt, wo sich Jacques auf eine Affäre mit Johana einlässt, entwickelt sich doch ein dramatischer Wettkampf, bei der die beiden Rivalen immer höhere Risiken auf sich nehmen… 

Kritik: 

Dass Luc Besson ein großartiger Stilist ist, hat er mit seiner fast ausschließlich in der Pariser Metro gefilmten Gauner-Komödie „Subway“ bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Den grellbunten New-Wave-Look hat Besson für sein Taucherdrama „Le Grand Bleu“ gegen ein grenzenloses Meer von Blau eingetauscht, um eine – im Extended Director’s Cut – zweieinhalbstündige Meditation über das wortwörtliche Eintauchen in die Faszination der Unterwasserwelt zu inszenieren. 
Den Rückblick in die Kinderjahre von Jacques und Enzo hat Besson allerdings noch in stimmungsvolles Schwarzweiß getaucht. Mit dieser Einführung gelingt dem Filmemacher auch gleich eine treffende Charakterisierung der beiden Protagonisten, hier der stille Jacques, der zunächst den Streit zwischen zwei Jungen schlichtet und das Tauchen nach der im Wasser schimmernden Münze aber dem hinzugekommenen Enzo überlässt, der gleich einen ganzen Tross von Jungen mit sich führt, deren willensstarker Anführer er verkörpert. Auf der anderen Seite ist auch er erschüttert, als Jacques‘ Vater in den Tiefen des Meeres den Tod findet, was bereits das enge Band zwischen den beiden unterschiedlichen Jungen veranschaulicht. 
Nach diesem dramatischen Beginn spielt sich die Gegenwart in Farbe ab, präsentiert über die ungewöhnlich lange Spielzeit hinweg allerdings kaum eine nennenswerte Geschichte. Besson springt nach dem dramatischen Ende des 1. Akts direkt in die Gegenwart, in der Enzo und Jacques dem Tauchen auf unterschiedliche Weise treu geblieben sind. Während der stille Jacques in seiner eigenen Welt zu leben scheint und lieber mit Delfinen als mit Menschen zu tun hat, sonnt sich Enzo gern im Licht der Öffentlichkeit, feiert das Leben, den Luxus und die Liebe. 
Zwar werden auch die zwischenmenschlichen Beziehungen gerade zwischen Jacques und Johana auch am Rande thematisiert, aber der Fokus der Erzählung liegt eindeutig auf den freundschaftlich anmutenden Wettkämpfen zwischen den beiden langjährigen Freunden, die fast unmerklich immer dramatischere Züge annehmen, weil weder Jacques noch Enzo aufstecken wollen. 
Besson nimmt dabei immer wieder das Tempo aus dem Film, wenn er in atemberaubenden Unterwasseraufnahmen, für die er selbst verantwortlich zeichnete, die majestätische Schönheit auf meditative Weise zum Ausdruck bringt. Die beiden Hauptdarsteller Jean Reno und Jean-Marc Barr haben für die Dreharbeiten extra Tauchkurse belegt und die Unterwasserszenen, die bis zu einer Tiefe von 40 Metern gedreht wurden, selbst gespielt. Neben der grandiosen Kameraarbeit von Carlo Varini („Subway“, „Die Kinder des Monsieur Mathieu“) sorgt auch Éric Serras atmosphärische Filmmusik für die richtige Stimmung des letztlich existentialistischen Dramas, das den Beginn von Jean Renos internationaler Schauspielkarriere darstellte.  

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