The New World

In den ersten 32 Jahren seines Filmschaffens hat der Hollywood-Außenseiter Terrence Malick gerade mal vier Filme inszeniert, wobei ganze zwanzig Jahre zwischen seinem Südstaaten-Eifersuchtsdrama „In der Glut des Südens“ und seinem knapp dreistündigen Antikriegs-Epos „Der schmale Grat“ ins Land zogen. Die Thematik und die Umsetzung der Ideen seiner Filme hat sich über die Jahrzehnte hinweg indes kaum verändert. Auch in seinem vierten Film „The New World“ geht es letztlich um die Natur des Menschen, seinem Drang zur Gewalt, um seinen Platz in der sonst von Natur aus friedlichen, wunderschönen Welt. Inspirieren ließ sich Malick dabei von der populären „Pocahontas“-Legende, doch von der poppig-verkitschten Walt-Disney-Version ist Malicks Film so weit wie nur möglich entfernt. 

Inhalt: 

An einem Frühlingstag im April 1607 erreichen drei englische Schiffe mit insgesamt 103 Männern an Bord die Ostküste Nordamerikas. Im Auftrag der königlich beurkundeten Virginia Company sollen die Männer aus dem fernen England einen kulturellen, religiösen und wirtschaftlichen Stützpunkt an der Küste gründen, die sie als Beginn der Neuen Welt sehen. Unter Deck der von Flotten-Captain Christopher Newport (Christopher Plummer) geführten „Susan Constant“ befindet sich der wegen Meuterei inhaftierte John Smith (Colin Farrell), dessen Todesurteil jedoch an Land aufgehoben wird, da hier in der unbekannten Wildnis jeder Mann gebraucht wird. Kaum haben die Männer die Siedlung Jamestown zu Ehren ihres Königs James I. von England errichtet und freundschaftliche Beziehungen zu den amerikanischen Ureinwohnern unter Häuptling Powhatan entwickelt, treten jedoch die ersten Spannungen unter den Siedlern und auch aufgrund sprachlicher als auch kultureller Barrieren zu den Indianern auf. Als die wenigen mitgebrachten Vorräte aufgebraucht bzw. von Würmern befallen sind, bricht Newport mit einem der Schiffe zurück nach England auf, während Smith unterdessen die Stellung halten und die Siedler über den Winter bringen soll. 
Um dies sicherzustellen, nimmt Smith Kontakt zu den Eingeborenen auf. Er hofft, Schwarzpulver gegen Lebensmittel eintauschen zu können. Doch der Plan geht schief. Er wird gefangen genommen und soll als Warnung an alle weißen Männer getötet werden. Doch durch das beherzte Eingreifen der schönen Häuptlingstochter Pocahontas (Q'orianka Kilcher) wird Smiths Leben in letzter Sekunde verschont. Während der Engländer die friedliche Lebensweise der Ureinwohner kennenlernt, verbringt er viel Zeit mit Pocahontas und verliebt sich in sie, was Häuptling Powhatan zusehends beunruhigt… 

Kritik: 

Je länger Terrence Malick im Filmgeschäft ist, desto mehr scheint ihn eher der Prozess der Schöpfung und die Natur zu interessieren als den Menschen. Seit er in „Der schmale Grat“ das grausame Kriegsgeschehen auf der Salomonen-Insel Guadalcanal im Pazifischen Ozean immer wieder mit eindringlichen Naturaufnahmen kontrastierte, scheint Malick in seinen Filmen vor allem der Frage nachzugehen, wie der Mensch in so der so friedlichen Umgebung der Natur zu Eifersucht, Habgier, Hass und Gewalt fähig sein kann. Dazu dient ihm in seinem vierten Film nach „Badlands – Zerschossene Träume“ (1973), „In der Glut des Südens“ (1978) und „Der schmale Grat“ (1998) die historisch verbürgte Geschichte von Pocahontas (ca. 1595 - 1617), der Lieblingstochter eines Algonkinhäuptlings, die als Symbol für die Vermittlung zwischen den amerikanischen Ureinwohnern und den europäischen Kolonisten steht. 
Ähnlich wie schon in „Der schmale Grat“ interessieren Malick weniger die einzelnen Figuren als die Rollenbilder, für die sie stehen. Weder erfahren wir etwas über das Leben von John Smith und seinen britischen Weggefährten noch über das Leben der Indianer vor der Besiedlung Virginias durch die Engländer. Gesprochen wird nur das Nötigste. Stattdessen begleiten Malick und sein Kameramann Emmanuel Lubezki („Children of Men“, „Gravity“) die beiden Engländer John Smith und John Rolfe (Christian Bale) auf ihren langen Spaziergängen mit Pocahontas, deren Name übrigens nicht einmal in dem Film erwähnt wird. Als sie John Rolfe in London heiratet, wird sie in Rebecca umbenannt. Sowohl Smith/Rolfe als auch Pocahontas verkörpern Vertreter ihrer jeweiligen Kultur, für deren Vermittlung sich das junge Indianermädchen stark gemacht hat und die dann so kläglich scheitert. 
So geht es Malick auch immer wieder um die Gegenüberstellung beider Welten, hier die naturverbundenen Indianer, die keine Habgier und Eifersucht kennen, dort die abenteuerhungrigen Europäer, die selbst hungrig nach Gold suchen, wo die Indianer keins gefunden haben. Während die Indianer in einfachen Zelten mitten in den Wäldern, einst mit der Natur, leben, errichten die Engländer bei ihrer Ankunft in der Neuen Welt erst einmal eine Festung mit Wachtürmen als Schutz vor der bedrohlich wahrgenommenen Außenwelt. 
Die fast schon behäbige Erzählweise und die vom Vorspiel aus Wagners „Das Rheingold“, Mozarts 23. Klavierkonzert und James Horners ethnisch wabernden Score untermalten meditativen Bilderwelten heben sich natürlich extrem von Hollywood-Sehgewohnheiten ab und erschweren sicherlich für etliche Zuschauer den Zugang zum Film, aber wer sich darauf einlässt, wird mit einem beeindruckenden Erlebnis belohnt, zu dem auch die starken Darsteller Colin Farrell („Alexander“, „Der Einsatz“), Christian Bale („American Psycho“, „The Dark Knight“) und die zur Zeit der Dreharbeiten gerade mal 14-jährige Q'orianka Kilcher („Princess Ka'iulani“, „Shouting Secrets“) beitragen. 

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