Platoon
Beeinflusst von seinem republikanischen Vater, romantisierenden Filmen über den Zweiten Weltkrieg und einem Amerika, wie es in typischen John-Wayne-Filmen propagiert wurde, meldete sich Oliver Stone freiwillig für den Fronteinsatz in Vietnam, wo er von April 1967 bis November 1968 diente. Seine Erlebnisse verarbeitete er in seiner Anti-Kriegsfilm-Trilogie, die 1986 mit dem vierfach Oscar-prämierten, durchaus ambivalent aufgenommenen Meisterwerk „Platoon“ ihren Anfang nahm (und mit „Geboren am 4. Juli“ und „Zwischen Himmel und Hölle“ fortgesetzt wurde). Selten wurde die Sinnlosigkeit und menschenverachtende Brutalität des Krieges so schonungslos in einem Film thematisiert wie in „Platoon“.
Zusammen mit rund dreißig Infanterie-Soldaten landet der 19-jährige College-Abbrecher Chris Taylor (Charlie Sheen) im September 1967 nahe der kambodschanischen Grenze in Vietnam. Kaum hat er vietnamesischen Boden betreten, beobachtet der naive junge Mann, der sich freiwillig für den Kriegsdienst gemeldet hat, wie tote Kameraden in schwarzen Leichensäcken für ihre letzte Reise in die Heimat zusammengetragen werden. Schnell merkt Taylor, dass hier nichts so ist, wie er sich das vorgestellt hat. Hier geht es nicht um Kameradschaft oder um den Kampf für die richtige Sache, sondern schlicht und einfach ums Überleben.
Während das „Frischfleisch“ als wertloses Kanonenfutter verheizt wird, dürfen die alten Hasen mit weniger als 100 noch abzuleistenden Tagen in der Schützenreihe ganz hinten gehen und werden nicht mehr mit riskanteren Missionen betraut. Gleich bei seinem ersten Einsatz, bei dem er im Dschungel als Vorposten einen Hinterhalt für den Vietcong vorbereiten soll, versaut Taylors Wachablösung Junior (Reggie Johnson) die Aktion, so dass die feindlichen Truppen unbemerkt bis zum Platoon vorrücken kann, Taylor durch einen Streifschuss am Nacken verletzt wird und zwei US-amerikanische Soldaten sterben. Nach der Behandlung im Lazarett kehrt Taylor zu seinem Platoon bei der 25. US-Infanteriedivision zurück und darf die sprichwörtliche Drecksarbeit erledigen. Dabei freundet er sich nicht nur mit dem afroamerikanischen King (Keith David) an, der nicht versteht, warum sich ein Typ aus wohlhabendem Hause freiwillig für den Vietnamkrieg melden sollte, sondern wird am Abend in den Bunker von Rhah eingeladen, wo seine Kameraden mit Opium, Alkohol und Musik die Schrecken des Krieges zu vergessen suchen. Unter ihnen befindet sich auch der Sergeant Elias (Willem Dafoe), der mit seinen drei Dienstjahren in Vietnam schon als erfahrener Veteran gilt und noch seine Menschlichkeit bewahrt hat.
Mit der ist es bei Sergeant Barnes (Tom Berenger) nicht mehr gut bestellt. Der mehrfach in Kampfeinsätzen verwundete, durch eine riesige Narbe im Gesicht gezeichnete Veteran kennt weder mit seinen eigenen Gefolgsleuten noch mit den Feinden Erbarmen. Als Barnes beim Stürmen einer vietnamesischen Siedlung, deren Bewohner verdächtigt werden, mit den Vietcong gemeinsame Sache zu machen, über die Stränge schlägt, verhärten sich vor allem zwischen Barnes und Elias die Fronten. Da Barnes fürchten muss, sich nach den Vorfällen in dem Dorf vor einem Kriegsgericht verantworten zu müssen, lauert er Elias bei dessen einsamen Vorstoß gegen den Feind auf…
Kritik:
Es fällt nicht schwer, in dem naiven 19-jährigen College-Abbrecher Chris Taylor das Alter Ego von Oliver Stone zu erkennen, der sich unter ähnlichen Umständen freiwillig für den Militärdienst in Vietnam gemeldet hatte.
„An meinem ersten Tag in Vietnam wurde mir klar, dass ich einen schrecklichen Fehler begangen hatte. Man war vollkommen auf sich alleine gestellt: ,Hier ist deine Machete, Junge; Du machst das schon.‘ Keiner war motiviert, außer dazu, wieder rauszukommen. Zu überleben war das Ziel. Das war nicht sehr romantisch“, erinnert sich der Filmemacher in einem Interview mit dem Time Magazine im Jahr 1987.
Ähnlich wie schon in „Salvador“ präsentiert Stone keinen ausgearbeiteten Kontext, in dem sich der Film abspielt. Stattdessen werden die Protagonisten einfach im Kriegsgebiet ausgesetzt und müssen sich den Befehlen teils unerfahrener und unfähiger Vorgesetzter beugen. Stone nimmt in „Platoon“ ganz die Perspektive von Taylor ein, bringt so letztlich seine eigenen Erinnerungen an den Krieg zum Ausdruck. Der politische Kontext wird gar nicht thematisiert, auch der Feind bleibt meistens unsichtbar, eine schwer zu fassende, allgegenwärtige Bedrohung, die die Moral der Truppe, aber auch die Persönlichkeit jedes einzelnen Soldaten zersetzt.
„Platoon“ konzentriert sich ganz darauf, den Kampfeinsatz der Infanteristen in aller Schonungslosigkeit zu schildern. Die Kamera von Robert Richardson, der zuvor schon bei „Salvador“ den Bürgerkrieg in authentisch wirkenden Bildern eingefangen hat und Stones Arbeit über „Wall Street“, „Talk Radio“ und „Geboren am 4. Juli“ bis zu „The Doors“, „JFK: Tatort Dallas“ und „U-Turn – Kein Weg zurück“ begleiten sollte, ist stets dicht am Geschehen in der grünen Hölle von Vietnam, wo die US-Soldaten nicht nur mit dem Feind, sondern auch mit sich selbst zu kämpfen haben.
Auch wenn er hier nur die Perspektive der amerikanischen Soldaten einnimmt, stellt „Platoon“ doch ein Plädoyer gegen jede Art von Krieg dar, zeigt er doch, wie Menschen verzweifeln und verrohen und alles zu tun bereit sind, dieser Hölle zu entkommen. Von Heldenmut ist in „Platoon“ nichts zu sehen. Barbers „Adagio for Strings“ begleitet als musikalisches Leitmotiv einen schnörkellos inszenierten Überlebenskampf, für den die Darsteller übrigens ein zweiwöchiges Infanteristen-Training auf den Philippinen absolvieren mussten, wo Stone den Film für verhältnismäßig bescheidene sechs Millionen Dollar realisierte.
Für Hauptdarsteller Charlie Sheen, der hier die beste Darstellung seiner Karriere ablieferte und dessen Vater Martin Sheen die Hauptrolle in Francis Ford Coppolas Vietnam-Film „Apocalypse Now“ (1979) spielte, bedeutete das den Durchbruch als Schauspieler. Dazu sind auch die damals noch unbekannten Darsteller Johnny Depp, Forest Whitaker und Tony Todd in kleineren Rollen zu sehen.
Die vietnamesische Perspektive des Vietnam-Kriegs arbeitete Stone später mit „Zwischen Himmel und Hölle“ auf.
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