Léon - Der Profi
Luc Besson hat sich mit dem apokalyptischen Drama „Der letzte Kampf“ (1983), der romantischen New-Wave-Krimi-Komödie „Subway“ (1985), dem Abenteuer-Drama „Im Rausch der Tiefe“ (1988), dem Action-Drama „Nikita“ (1990) und der Naturdokumentation „Atlantis“ (1991) zu einem der interessantesten Filmemacher in Europa entwickelt. Sein Meisterwerk, das den Franzosen auch in Hollywood bekannt machte, lieferte er schließlich 1994 mit dem gefühlvollen Action-Drama „Léon – Der Profi“ ab.
Léon (Jean Reno) erledigt für den New Yorker Mafioso Tony (Danny Aiello) Auftragsmorde, lehnt es allerdings kategorisch ab, Frauen und Kinder zu töten. Nachdem er einen von Tonys unliebsamen Konkurrenten samt seiner Crew ausgeschaltet hat, zieht sich Léon in seine kleine Wohnung zurück, in der er allein und zurückgezogen lebt, trinkt seine Milch, reinigt seine Waffen und pflegt seine Topfpflanze, die wie er selbst über keine Wurzeln verfügt. Diese Routine wird durch die 12-jährige Mathilda (Natalie Portman) ordentlich durcheinandergebracht. Das Mädchen lebt mit ihrem Vater (Michael Badalucco), der für den korrupten Polizisten Norman Stansfield (Gary Oldman) Drogen versteckt hält, der Stiefmutter (Ellen Greene) und zwei Geschwistern in der Nachbarwohnung, raucht und zeigt Spuren körperlicher Misshandlung im Gesicht.
Léons Beschützerinstinkt ist geweckt. Während Mathilda noch Milch einkaufen geht, wird Léon durch den Lärm in der Nachbarwohnung aufgeschreckt und beobachtet durch den Türspion, wie Stansfield und seine Männer Mathildas ganze Familie auslöschen und die Wohnung auf der Suche nach den versteckten Drogen auseinandernehmen. Mathilda ist klug genug, an dem Tatort vorbeizugehen und bei Léon Unterschlupf zu suchen. Dass die Killer auch ihren liebenswerten, gerade mal vier Jahre alten Bruder töteten, will Mathilda nicht auf sich beruhen lassen. Als sie entdeckt, welcher Profession Léon nachgeht, drängt sie ihn dazu, bei ihm in die Lehre zu gehen. Dafür bringt sie ihm Lesen und Schreiben bei, hilft ihm im Haushalt. Das frühreife Mädchen beginnt, Gefühle für ihren Ersatzvater und Mentor zu entwickeln, und bringt ihn dadurch immer wieder in Verlegenheit. Als Mathilda herausfindet, dass die Mörder ihrer Familie Cops bei der D.E.A. sind, macht sie sich allein auf den Weg, um ihren Bruder zu rächen, fliegt aber auf. Und von Léons Auftraggeber Tony prügeln Stansfields Leute Name und Adresse von Léon heraus…
Kritik:
In seinen vorangegangenen Filmen präsentierte sich Luc Besson vor allem als begnadeter Stilist, dem Look, Musik und Atmosphäre wichtiger erschienen als die Geschichte, die er erzählen wollte. Bei „Léon – Der Profi“ ist dieses qualitative Ungleichgewicht ausgeräumt. Besson, der diesmal alleinverantwortlich für das Drehbuch zeichnet, erzählt von einer in jeder Hinsicht unmöglichen Beziehung zwischen einem zurückgezogen lebenden Cleaner und einer aufgeweckten, frühreifen, aber auch vernachlässigten Zwölfjährigen, die ihren Beschützer unmittelbar aus der Reserve zu locken versteht.
Dass man als Zuschauer sofort Sympathien für den etwas unbeholfen wirkenden Auftragskiller entwickelt, liegt nicht nur daran, dass er sich sehr schnell dazu durchringt, das Leben des Mädchens zu retten und ihr bei ihrer Rachemission zur Seite zu stehen, sondern natürlich auch an der Dämonisierung der vermeintlich guten Cops. Indem Besson den fabelhaft aufspielenden Gary Oldman („Bram Stokers Dracula“, „Die dunkelste Stunde“) als nicht nur korrupten, sondern extrem brutalen Cop präsentiert, der sich durch chemische Unterstützung noch einen zusätzlichen Kick bei seiner zweifelhaften Mission besorgt, wirkt Léon trotz seiner Profession wie ein sympathischer Ruhepol, der der Gleichgewicht zwischen Gut und Böse wieder herzustellen versucht. Und während Stansfield einfach nur ein schmieriger, gemeiner Kotzbrocken ist, der bei seinem narzisstischen Treiben auch nicht vor Frauen und Kindern Halt macht, bekommt Jean Reno („Ronin“, „Im Rausch der Tiefe“) in der Rolle seines Lebens immer wieder die Gelegenheit, die feinfühligen Züge von Léons Charakter herauszuarbeiten, etwa, wenn er Mathilda mit einer Schweinehandpuppe aufzumuntern versucht, völlig beseelt mit staunendem Blick im Kino den Musical-Klassiker „Du sollst mein Glücksstern sein“ mit Gene Kelly verfolgt oder seine wurzellose Aglaonema abstaubt und auf die Fensterbank in die Sonne stellt.
Seine emotionale Erdung erfährt „Léon – Der Profi“ aber natürlich durch die unkonventionelle Beziehung zwischen Léon und Mathilda, die zwar rein platonisch ist, aber dennoch weit über eine gewöhnliche Vater-Tochter-ähnliche Beziehung hinausgeht. Natalie Portman („V wie Vendetta“, „Black Swan“), die sich als Elfjährige beim Casting gegen 2000 Bewerberinnen durchsetzen konnte, ist die große Entdeckung des Films. Ihr gelingt es, eine glaubwürdige Mischung aus frühreifer Koketterie, großer Verletzlichkeit und erstaunlichem Tatendrang bei der Erfüllung ihrer Rachemission an den Tag zu legen. Wie sie bei einem kostümierten „Wer bin ich?“-Spiel als Madonna, Charlie Chaplin und Marilyn Monroe auftritt, ist ebenso großartig wie die unverblümte Art, Léon gegenüber ihre Gefühle zu offenbaren.
Bei all der Raffinesse in der Entwicklung dieser beiden Figuren lässt Besson aber auch das Action-Element nicht zu kurz kommen. Wie Léon gleich zu Beginn äußerst effektiv einen von Tonys Konkurrenten mitsamt seiner schwerbewaffneten Crew ausschaltet, ist Action-Kino par excellence. Das Beste hebt sich der Film allerdings bis zum Schluss auf. Untermalt von Eric Serras beunruhigend pulsierenden Score, entfaltet „Léon – Der Profi“ von Beginn an einen unwiderstehlichen Sog, wie er ihn der Filmemacher danach nie mehr so eindringlich zu gestalten verstand.
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