Mississippi Burning
Der 2020 verstorbene britische Filmemacher Alan Parker darf sich rühmen, in seiner langjährigen Karriere ohnehin keinen schlechten, aber nicht mal einen durchschnittlichen Film inszeniert zu haben. Von seiner humorvollen, allein mit Kinderdarstellern verwirklichten Gangster-Parodie „Bugsy Malone“ über die eindringlichen Dramen „12 Uhr nachts – Midnight Express“, „Birdy“ und „Shoot the Moon“ bis zum intensiv-soghaften Okkult-Thriller „Angel Heart“ präsentierte sich der ehemalige Werbefilmer als absoluter Virtuose sowohl in erzählerischer als auch filmtechnischer Hinsicht. Da fügt sich das auf wahren Begebenheiten beruhende und siebenfach Oscar-nominierte Rassismus-Drama „Mississippi Burning“ (1988) nahtlos in seine bemerkenswerte Vita ein.
Als 1964 im ländlichen Jessup County, Mississippi, drei junge Bürgerrechtsaktivisten, zwei Weiße und ein Schwarzer, vermisst werden, schickt das FBI die beiden Ermittler Agent Rupert Anderson (Gene Hackman) und Agent Alan Ward (Willem Dafoe) in die sumpfige Südstaatengegend, um den Fall aufzuklären. Ward, ein noch junger, regelkonformer und idealistischer Harvard-Absolvent, leitet die Ermittlungen, setzt dabei aber oft andere Methoden ein als sein älterer Partner, der als Ex-Sheriff in einer Kleinstadt in Mississippi mit der Mentalität der Menschen vertraut ist und nicht davor zurückscheut, auch mal eine härtere Gangart einzulegen, um an Informationen zu gelangen.
Ward ignoriert geflissentlich die Rassentrennung in einem Restaurant und versucht, mit einem Schwarzen ins Gespräch zu kommen, und jeder Schwarze, der auch nur so aussieht, als würde er mit dem FBI reden, hat harte Vergeltungsmaßnahmen durch den örtlichen Ku-Klux-Klan zu befürchten, zu dem offenbar auch der Hilfssheriff Clinton Pell (Brad Dourif) zählt. Bei der Befragung in seinem Haus ist Anderson das Hochzeitsfoto aufgefallen, bei dem die darauf abgebildeten Männer mit einer für den Klan typischen Geste zu sehen sind. Anderson nimmt in den folgenden Tagen immer wieder Kontakt zu Mrs. Pell (Frances McDormand) auf, die ihrem Mann das nötige Alibi für die Tatzeit verliehen hat. Als der Klan auch den beiden FBI-Agenten ein brennendes Holzkreuz vor das Motelzimmer stellt, fordert Ward weitere Agenten zur Unterstützung an. Schließlich wird der ausgebrannte Wagen der vermissten Männer im Sumpf gefunden, weshalb Ward und Anderson davon ausgehen, dass die drei Bürgerrechtler, die sich für die Durchsetzung des Wahlrechts für die Schwarzen eingesetzt haben, tot sind.
Eine weitere Hundertschaft an FBI-Agenten und Soldaten sucht das gesamte Sumpfgebiet ab, während Bürgermeister Tilman (R. Lee Ermey), Sheriff Ray Stuckey (Gailard Sartain) und seine Leute den Brandschatzungen, die die Schwarzen zunehmend einschüchtern, tatenlos zusehen. Schließlich muss Ward zugeben, dass er mit seinen Methoden nicht weiterkommt, und überlässt Anderson die Zügel bei den Ermittlungen. Der scheut nicht davor zurück, den Bürgermeister durch einen Schwarzen entführen zu lassen und mit Folter zu drohen…
Kritik:
In seinem erst zweiten Drehbuch nach Gary Sinises Regiedebüt „Der letzte Outlaw“ (mit Richard Gere in der Hauptrolle) hat Chris Gerolmo einen besonders erschütterndes Rassismus-Verbrechen in den Südstaaten der 1960er Jahre als Vorlage für ein fesselndes Kriminal-Drama verwendet, das sich mit der besonders heiklen Ermittlungsarbeit von FBI-Agenten aus dem zivilisierten Norden in dem nach wie vor von Rassismus durchseuchten Süden auseinandersetzt.
Alan Parker geht bei der Umsetzung des Stoffes wenig zimperlich um. Bei der Einordnung der Verbrechen, die im Namen der vom Ku-Klux-Klan vehement geforderten Trennung der weißen Herrenrasse von Schwarzen und Juden begangen werden, kennen Gerolmo und Parker keine grauen Zwischentöne. Zum Glück wird nicht mal ansatzweise versucht, Verständnis für die grauenhaften Taten aufkommen zu lassen, was allerdings auch dazu führt, dass Andersons fragwürdige Methoden als probates Mittel akzeptiert werden, um das Verbrechen an den drei Bürgerrechtlern aufzuklären.
Das brutale Vorgehen der Kapuzenträger lässt niemanden kalt, so intensiv inszeniert Parker die Prügel, die die wehrlosen schwarzen Opfer von ihren weißen Peinigern beziehen. Wenn Brandbomben durch die Fenster der Hütten der Schwarzen fliegen, wird die Angst, die die Menschen in dem Moment verspüren, fast körperlich spürbar. Im Kontrast dazu werden dokumentarisch anmutende Statements der weißen Bevölkerung zu der Behandlung der Schwarzen eingespielt, die bis auf wenige Ausnahmen deutlich machen, dass die Schwarzen ihrer Meinung nach so behandelt werden, wie sie es verdienen, schließlich seien sie einfach anders, würden stinken und nicht baden.
Zum Glück lassen sich nicht alle Weißen von diesem Irrglauben anstecken, wie der gelegentlich überraschend empathische Anderson gerade in den Gesprächen mit Mrs. Bell erfahren darf. Neben den Oscar-prämierten Bildern von Peter Biziou („Time Bandits“, „Die Truman Show“) sind es vor allem die vorzüglichen Darsteller-Leistungen, die „Mississippi Burning“ so sehenswert machen.
Gene Hackman („French Connection“, „Der Staatsfeind Nr. 1“) und Willem Dafoe („Wild at Heart“, „Leben und sterben in L.A.“) harmonieren als FBI-Agenten mit unterschiedlichen Hintergründen und Ansichten perfekt miteinander und machen in ihren temperamentvollen Auseinandersetzungen deutlich, wie schwierig es ist, gegen den tief verwurzelten Rassismus vorzugehen.
Aber auch Frances McDormand („Fargo“, „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“) überzeugt als mit ihrem Gewissen hadernde Ehefrau eines Hilfsheriffs, die letztlich dem Fall die entscheidende Wendung verleiht. Auch wenn „Mississippi Burning“ in seiner krassen Schwarz-Weiß-Charakterisierung einige Schwächen aufweist, fesselt das Drama als eindringliches Plädoyer gegen Fremdenhass und Rassismus von der ersten Minute an bis zum Schluss.
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