Sliver

Ira Levins (1929-2007) Romane waren die Grundlage für eine ganze Reihe von großartigen Filmen, von dem Film-noir-Klassiker „Ein Kuss vor dem Tode“ (1956) über den Horror-Klassiker „Rosemaries Baby“ (1968) und das Science-Fiction-Drama „Die Frauen von Stepford“ (1975) bis zu Franklin J. Schaffners Nazi-Drama „The Boys from Brazil“ (1978). Mit seinem Thriller „Sliver“ traf Levin 1991 den Nerv der Zeit, denn nur ein Jahr später lieferte Paul Verhoeven mit „Basic Instinct“ den Prototyp des modernen Erotik-Thrillers ab. Phillip Noyce, der 1992 ebenfalls mit „Die Stunde der Patrioten“ einen Erfolg an den Kinokassen feiern konnte, sprang mit der Verfilmung von Levins Roman gern auf den Zug auf und konnte dafür sogar „Basic Instinct“-Hauptdarstellerin Sharon Stone gewinnen. Was sich zunächst wie ein Selbstläufer anhört, präsentiert sich auf der Leinwand allerdings nicht nur als oberflächlich und unstimmig inszenierte, sondern auch schlecht gespielte Voyeurismus-Show. 

Inhalt: 

Nach dem Scheitern ihrer siebenjährigen Ehe bezieht die fünfunddreißigjährige attraktive Lektorin Carly Norris (Sharon Stone) in Manhattan ein Apartment in dem modernen wie vornehmen Hochhaus „Sliver“. Von einem ihrer Nachbarn, Professor Gus Hale (Keene Curtis), erfährt Carly, dass sie große Ähnlichkeit mit Naomi Singer (Allison Mackie) habe, der Vormieterin ihrer Wohnung, die kürzlich durch einen Sturz vom Balkon zu Tode gekommen war. Carlys Chef Alex Parsons (Martin Landau) macht Carly zudem mit einem weiteren ihrer Nachbarn näher bekannt, dem erfolgreichen Krimi-Autor Jack Lansford (Tom Berenger). Und dann sind da noch das Callgirl Vida (Polly Walker) und der junge Videospielprogrammierer Zeke Hawkins (William Baldwin). 
Als der Professor mit gebrochenem Genick tot in seiner Dusche aufgefunden wird, übernimmt Lieutenant Victoria Hendrix (CCH Pounder) die Ermittlungen. Beim Durchforsten der Zeitungsarchive stellt Carly fest, dass es bereits früher schon merkwürdige Todesfälle in dem Hochhaus gab. Kurz nach ihrem Einzug bekommt Carly von einem „unbekannten Verehrer“ ein Fernrohr geschenkt, mit dem sie die Bewohner der umliegenden Häuser ausspionieren kann. Tatsächlich findet sie Gefallen daran, verschiedene Pärchen beim Sex zu beobachten, da ihr eigenes Sexleben quasi nicht vorhanden ist. Schließlich lässt sie sich auf eine Affäre mit Zeke ein, der ihr nicht nur offenbart, dass ihm das Hochhaus gehört, sondern in seinem Apartment auch eine sechs Millionen Dollar teure Überwachungsanlage installieren ließ, mit denen er die überall in dem Hochhaus und den Apartments installierten versteckten Kameras beobachten kann. 
So wird er nicht nur Zeuge, wie ein älterer Mann regelmäßig seine Stieftochter missbraucht und Carly sich in der Badewanne selbst befriedigt. Carly ist zunächst fasziniert von den Möglichkeiten, auf diese Weise heimlich teil am Leben anderer Menschen zu haben, doch weiß sie bald nicht mehr, wem sie eigentlich Glauben schenken soll, denn sowohl Lansford als auch Zeke behaupten, dass der jeweils andere eine Affäre mit Noami gehabt haben soll. Offenbar ist einer der Männer mehr in die Todesfälle verwickelt, als Carly wahrhaben will… 

Kritik: 

Dass „Sliver“ 1994 bei der Verleihung des Negativ-Filmpreises „Goldene Himbeere“ gleich mit sieben Nominierungen bedacht wurde - William Baldwin, Sharon Stone, Tom Berenger und Colleen Camp als Schauspieler, Phillip Noyce für die Regie, Joe Eszterhas für das Drehbuch und Robert Evans für den Schlechtesten Film – spricht schon Bände. Tatsächlich haben es „Basic Instinct“- und „Jade“-Drehbuchautor Joe Eszterhas und Regisseur Phillip Noyce in „Sliver“ nur auf Oberflächenreize abgesehen, ohne der an sich interessanten Story die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdient hätte. Während Alfred Hitchcocks Klassiker „Das Fenster zum Hof“, Michael Powells „Augen der Angst“, Brian De Palmas „Der Tod kommt zweimal“ oder Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“ auch die moralischen Fragen um das heimliche und intime Eintauchen in das Leben anderer Menschen thematisierten, schert sich „Sliver“ nur sehr beiläufig um diesen Aspekt, wenn Zeke beispielsweise dafür sorgt, dass einer der Bewohner des Hochhauses seine Stieftochter nicht mehr belästigt. 
Die Thriller-Handlung spottet dagegen jeder Beschreibung. Die Cops tauchen nur sporadisch auf und führen scheinbar keine richtigen Ermittlungen. Dafür fühlt sich letztlich Carly in Eigenregie verantwortlich, doch ist sie viel zu sehr damit beschäftigt, ihre frustrierte Sexualität mit Zeke auszuleben. Dabei werden wenig subtil Symbole wie der von Carlys Händen liebkoste Vulkan bemüht, um ebenso wie die immer wieder eingestreuten Sexszenen die erotische Komponente des Films zu betonen, doch bei der Betonung dieser oberflächlichen Reize wird die Krimihandlung nur bruchstückhaft verfolgt und wenig überzeugend aufgelöst. 
Wirklich enttäuschend sind aber vor allem durch die Bank die Leistungen der Darsteller. Klar, Sharon Stone darf wieder reichlich Haut zeigen, doch wirklich ausdifferenziert ist ihre Rolle nicht. Und William Baldwin („Backdraft“, „Flatliners“) und Tom Berenger („Der Mann im Hintergrund“, „Mörderischer Vorsprung“) können bei dem miserablen Drehbuch mit den platten Dialogen auch keinen Stich machen, von den Nebendarstellern wie Martin Landau, Polly Walker und Colleen Camps, die Carlys nervige Freundin Judy spielt, ganz zu schweigen. 
So bleibt „Sliver“ vor allem ein Film der in jeder Hinsicht verschenkten Möglichkeiten.  

Kommentare

Beliebte Posts