Der schmale Grat
Bis in die 2010er Jahre hinein hat sich Terrence Malick nicht gerade als Vielfilmer hervorgetan. So hat er sich zunächst nach seinem bemerkenswerten Regiedebüt mit dem Road Movie „Badlands – Zerschossene Träume“ (1973) fünf Jahre Zeit gelassen, um das romantische Südstaaten-Drama „In der Glut des Südens“ nachzulegen. Und weg war er – zumindest für zwanzig Jahre. Dann feierte er mit dem fast dreistündigen, siebenfach Oscar-nominierten und Star-gespickten Antikriegs-Drama „Der schmale Grat“ nach dem autobiographischen Roman von James Jones ein grandioses Comeback.
Im Krieg zwischen den USA und Japan kommt der kleinen Pazifikinsel Guadalcanal eine strategisch wichtige Bedeutung zu, denn die Japaner haben hier bereits einen Luftwaffenstützpunkt eingerichtet.
Brigade-General Quintard (John Travolta) lässt im August 1942 die C-Kompanie des ersten Bataillons des 27. Infanterieregiments der 25. US-Infanteriedivision auf der Insel landen, damit die amerikanischen Soldaten die Gewalt über die Salomonen-Insel gewinnen. Doch bei der Landung müssen die amerikanischen Infanteristen erkennen, dass der Strand frei von Japanern ist. Der kriegstreibende Lieutenant Colonel Tall (Nick Nolte) weist Kompanieführer Staros (Elias Koteas) an, mit seiner Truppe einen Frontalangriff auf den Hügel mit der japanischen Maschinengewehr-Stellung durchzuführen, doch angesichts der bereits hohen Verluste bei der Überquerung der ersten Kuppen verweigert Staros aus Sorge um das Leben seiner Männer den Befehl und schlägt wiederholt vor, es über die Flanke zu versuchen. Außer sich vor Zorn übergibt Tall, dem zuvor seinerseits durch General Quintard bedeutet worden war, dass ein rascher Sieg für ihn die allerletzte Chance darstelle, selbst einmal General zu werden, über Staros’ Kopf hinweg seinem Executive Officer Captain Gaff (John Cusack) das Kommando über einen Stoßtrupp. Diesem gelingt es überraschend, eine wichtige Stellung der Japaner einzunehmen, so dass der Hügel nun doch zügig erobert werden kann. Unter relativ geringen eigenen Verlusten töten die Amerikaner nun viele japanische Soldaten. Staros steht nach diesem Vorfall natürlich nicht gut da und wird durch Tall seines Kommandos enthoben, der daraufhin in die USA zurückkehren darf…
Kritik:
James Jones, Veteran des Zweiten Weltkriegs, hat bereits mit seinem Debütroman „From Here to Eternity“ (1951) die Vorlage für Fred Zinnemanns achtfach Oscar-prämierten Klassiker „Verdammt in alle Ewigkeit“ (1953) geliefert. 1962 legte er mit „The Thin Red Line“ einen weiteren Roman nach, in dem er seine eigenen Kriegserlebnisse rund um die Schlacht auf Guadalcanal verarbeitete, in der US-Truppen zwischen dem 7. August 1942 und dem 8. Februar 1943 die japanischen Besatzungstruppen von der Insel vertrieben und damit die erste japanisch besetzte Insel im Pazifikkrieg zurückeroberten. Nachdem Andrew Marton bereits 1964 den Roman mit Keir Dullea und Jack Warden in den Hauptrollen verfilmt hatte (hierzulande ist das Kriegsdrama unter dem Titel „7 Tage ohne Gnade“ angelaufen), hat Terrence Malick ebenfalls Gefallen an dem Stoff gefunden.
Allerdings steht bei ihm weniger das Kriegsgeschehen an sich im Vordergrund, sondern vielmehr die Beschäftigung mit der Frage, wo der Hass, der solche Kriege hervorbringt, seine Wurzeln hat, aber auch philosophische Auseinandersetzungen mit dem Leben, der Liebe und dem Tod werden vor allem in den Monologen einzelner Soldaten aus dem Off thematisiert. Das macht aus „Der schmale Grat“ einen ungewöhnlich tiefsinnigen Film, in dem einzelne Soldaten ihre ganz eigene Geschichte erzählen dürfen und so der üblichen Stereotypisierung entgehen.
Private Witt (Jim Caviezel) hat sich beispielsweise – wieder einmal -unerlaubt von der Truppe entfernt und versucht, sich dem unbeschwerten, friedlichen Leben der Ureinwohner anzuschließen. Der im zivilen Leben als Anwalt tätige Captain Staros stellt sein eigenes Gewissen über den militärischen Befehlsgehorsam, während Lieutenant Colonel Tall im Hinblick auf seine eigene militärische Karriere keine Hemmungen kennt, unzählige Soldatenleben zu opfern, um die japanische Hoheit auf der Pazifik-Insel zu durchbrechen.
Dass „Der schmale Grat“ nicht wie ein gewöhnlicher, in der Regel vom US-Militär auch unterstützter Kriegsfilm à la Steven Spielbergs „Der Soldat James Ryan“ oder Oliver Stones „Platoon“ wirkt, liegt vor allem an Malicks meditativen Bildern und langen Kamerafahrten, für die John Toll („Last Samurai“, „Braveheart“) verantwortlich zeichnet und die immer wieder im Kontrast zu den blutigen Schlachtszenen die betörende Fauna und Flora in den Mittelpunkt stellen. Gerade durch diese friedvollen Bilder wird die unnatürliche Handlung des Krieges noch stärker herausgestellt, ebenso wie in den in Zeitlupe gefilmten Erinnerungen von Private Bell (Ben Chaplin) an seine Frau (Miranda Otto).
Wie bei Malick üblich ist auch die musikalische Ebene von größter Bedeutung. Neben Charles Ives‘ „The Unanswered Question“, Arvo Pärts „Annum per Annum“ und Gabriel Faurés „In Paradisum“ sorgt Hans Zimmers meisterhafter, unaufgeregter und melodisch schwebender Score für die passende Untermalung für das Massaker im Paradies.
Während eine Vielzahl an Hollywood-Stars wie die Oscarpreisträger Sean Penn, Adrien Brody und George Clooney (der es ebenso wie John Travolta auf nicht mal 60 Sekunden Leinwandzeit bringt), sowie namhafte Darsteller wie Jared Leto, John Cusack, Woody Harrelson, Elias Koteas, John C. Reilly in kaum nennenswerten Rollen zu sehen sind, stechen Jim Caviezel („Die Passion Christi“, „Frequency“) als weltvergessener Deserteur und Nick Nolte („Tödliche Fragen“, „Der Herr der Gezeiten“) als karrieregeiler Offizier besonders heraus. Andere hochkarätige Darsteller wie
Gary Oldman, Viggo Mortensen, Bill Pullman und Mickey Rourke wurden sogar komplett aus dem ursprünglich sechs Stunden langen Film geschnitten. Auch wenn „Der schmale Grat“ bei der Oscar-Verleihung bei immerhin sieben Nominierungen leer ausging, zählt das Meisterwerk doch bis heute zu den eindringlichsten Plädoyers gegen den Krieg.
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