To the Wonder

Sechs Jahre nach seiner einfühlsamen Pocahontas-Variante „The New World“ (2005) hat Terrence Malick offenbar eine neue Art der Produktivität entdeckt, denn nach dem bei den Filmfestspielen von Cannes 2011 mit der Goldenen Palme ausgezeichneten Meisterwerk „The Tree of Life“ (2011) ließ Malick nur ein Jahr später seine philosophische Meditation über die Liebe, „To the Wonder“, folgen. 

Inhalt: 

Der aus der Kleinstadt Bartlesville, Oklahoma, stammende Neil (Ben Affleck) lernt auf der malerischen französischen Insel Mont St. Michel, die auch als Wunder der westlichen Welt bezeichnet wird, die schöne Ukrainerin Marina (Olga Kurylenko) kennen. Marina hat im Alter von 16 Jahren ihre Heimat verlassen, lernte in Paris den Vater ihrer jetzt zehnjährigen Tochter Tatiana (Tatiana Chiline) kennen, der sie aber nach kurzer Zeit verlassen hat. Neil und Marine erleben miteinander eine Liebe, die sie die unglücklichen Beziehungen der Vergangenheit vergessen lässt. Neil nimmt Marina und ihre Tochter mit in seine Heimatstadt, doch der Alltag bringt vor allem für Marinas Tochter eine große Ernüchterung mit sich, da sie keine Freundinnen findet. Und auch die Beziehung zwischen Neil und Marina kühlt merklich ab. 
Als Neil Jane (Rachel McAdams), ein Mädchen aus seiner Heimatstadt, trifft, flammt eine längst erloschene Romanze wieder neu auf. Die Beziehung mit Marina gerät immer mehr ins Wanken. Ein wenig Halt findet sie auch bei dem katholischen Priester Quintana (Javier Bardem), welcher sich momentan in einer starken Glaubenskrise befindet. Da Neil sich weigert, Marina zu heiraten, und ihr Visum abläuft, kehrt sie nach Paris zurück, doch das Kapitel der Liebe zwischen ihr und Neil ist damit noch längst nicht beendet… 

Kritik: 

Bereits in seinen früheren Werken, vor allem bei „Der schmale Grat“ und „The Tree of Life“, hat Terrence Malick das Medium des Films benutzt, um den großen philosophischen Fragen nach dem Ursprung und Sinn des Lebens, nach der Natur des Guten wie Bösen, nach dem Platz des Menschen im ewigen Lauf der universellen Geschichte nachzugehen. Nachdem Malick in „The Tree of Life“ das Schicksal einer Familie mit beeindruckenden Natur- und Trickaufnahmen von Vulkanausbrüchen, Wasserfällen und Himmelsphänomenen kontrastiert hatte, wählt er für „To the Wonder“ einen viel intimeren Ansatz. 
Auch wenn er sich wieder einmal nicht um die Psychologisierung seiner Figuren kümmert, ihnen kein greifbares Profil verleiht – Ben Afflecks wortkarge Figur wird nicht mal mit Namen erwähnt, nur im Presseheft -, bleibt Malick die ganze Zeit bei ihnen, lässt sie durch Straßen, Parks, Weizenfelder, am Strand und durch Mont St. Michel spazieren, miteinander kabbeln und einander streicheln und küssen, auch mal mit wackelnder Kamera und aus ungewöhnlichen Perspektiven. Gesprochen wird dabei kaum. Von Marina, Jane und Priester Quintana sind stattdessen wie bei Malick gewohnt ausgiebige innere Monologe aus dem Off zu hören, wie sie ihre Gefühle, Hoffnungen, Enttäuschungen und Krisen reflektieren. 
Statt eine konventionelle Geschichte zu erzählen, versucht Malick, die Gefühle seiner Figuren in verträumte, ästhetisierte Bilder zu packen, wobei Ben Afflecks Charakter seltsam unbeteiligt bleibt und wie eine Projektion der romantischen Träume sowohl von Marina als auch Jane wirkt. Im Gegensatz zu Afflecks recht statischen Spiel wirbelt das ukrainische Ex-Model Olga Kurylenko („Oblivion“, „James Bond 007: Ein Quantum Trost“) wie eine Balletttänzerin völlig losgelöst durch die Szenen, dass es eine helle Freude ist. So nah ist Malick seinen Figuren noch nie gewesen. Nichts vermag den Zuschauer abzulenken von der Magie des Augenblicks, in dem sich zwei Menschen finden und ineinander verlieben, aber Malicks Film erzählt eben auch von den Enttäuschungen und Verlusten, von Abschieden und Krisen, wobei der von Javier Bardem („No Country for Old Men“, „Das Meer in mir“) verkörperte Priester einer anderen Form der Liebe, mit seinem Glauben an Gott hadert. 
„Es gibt Liebe, die wie ein Strom ist, der austrocknen kann, wenn der Regen ihn nicht mehr füttert. Aber es gibt eine Liebe, die wie eine Quelle ist, die aus der Erde kommt. Die erste ist die menschliche Liebe, die zweite ist die göttliche Liebe und hat ihre Quelle oben“, lässt der Priester einmal verlauten, und in eindringlichen Bildern präsentiert uns Malick eine andere Form als die romantische Liebe, die Liebe zu seinen Nächsten, die Fürsorge für die Armen und Kranken und Hilfsbedürftigen. 
So präsentiert sich „To the Wonder“ als Malicks sehr persönliche und doch wieder universell anwendbare Reflexion über das Wunder und die Klippen der Liebe, wundervoll eingefangen von Malicks Stamm-Kameramann Emmanuel Lubezki („Birdman“, „The Revenant“) und vertont von Hanan Townshend und klassischen Stücken von Górecki, Rachmaninoff, Schostakowitsch, Berlioz, Dvorák, Haydn und anderen. Wie für die meisten Malick-Filme gilt auch hier, dass man sich auf diese Art von eigenwilliger, meditativer und introvertierter Filmerzählung schon einlassen muss, um Gefallen daran zu finden. Sonst wird es schnell langweilig.  

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