American Sniper

Schauspiel- und Regie-Legende Clint Eastwood hat bereits in seinen Regiearbeiten „Heartbreak Ridge“ (1986), vor allem aber in dem Doppelpack „Flags of Our Fathers“ und „Letters from Iwo Jima“ (beide 2006) seine Faszination für den Kriegsfilm dokumentiert. Mit der Adaption der Autobiographie des US-Navy-SEAL-Scharfschützen Chris Kyle in „American Sniper“ (2014) hat Eastwood ein eindringliches Portrait der US-amerikanischen Sniper-Legende inszeniert, das vor allem von Bradley Coopers überzeugender Schauspielkunst profitiert.
In seiner gottesfürchtigen Familie hat Chris Kyle (Bradley Cooper) schon als Kind beigebracht bekommen, dass man für diejenigen eintreten muss, denen übel mitgespielt wird. Außerdem entwickelte er schon früh bei den Jagdausflügen mit seinem Vater (Ben Reed) ein Talent als Schütze. Seinen Lebensunterhalt verdient er allerdings zusammen mit seinem jüngeren Bruder Jeff (Keir O’Donnell) beim Rodeoreiten. Als er im Fernsehen allerdings verfolgt, wie 1998 Anschläge auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia verübt werden, hat Chris seine eigentliche Mission gefunden und lässt sich als US-Navy-SEAL ausbilden. Während seiner Ausbildung lernt er in einer Bar seine spätere Frau Taya (Sienna Miller) kennen, mit der er eine Familie gründet.
Nach den Anschlägen vom 11. September wird Chris in den Irak geschickt, wo er als Scharfschütze auf den Dächern die Erkundungsmissionen seiner Kameraden auf den Straßen überwacht. Seinen ersten tödlichen Treffer landet Chris ausgerechnet bei einem Jungen, der mit einer russischen Granate in der Hand auf einen US-amerikanischen Panzertrupp zuläuft. Danach tötet er auch dessen Mutter, die die Aufgabe ihres Sohnes zu Ende führen will. Chris wird bei seinen Kameraden im Camp schnell zur Legende. Schließlich hat er mehr tödliche Treffer gelandet als alle anderen Sniper zusammen, doch für Chris selbst zählt nur die Tatsache, dass er seine Kameraden beschützt hat. Zwar kehrt er immer wieder zu seiner Familie zurück, doch Taya gelingt es nicht, ihren Mann dauerhaft an sein Zuhause und seine Familie zu binden. Immer wieder zieht es Chris in den Irak zurück, wo sich sein Ruf auch bei seinen Feinden herumgesprochen hat. 180.000 US-Dollar sind im Irak auf seinen Kopf ausgesetzt. Doch Chris verfolgt eine ganz persönliche Mission: Er will unbedingt seinen schärfsten Konkurrenten Mustafa (Sammy Sheik) ausschalten, der viele von Chris‘ persönlichen Kameraden auf dem Gewissen hat …
In seinem 34. Film widmet sich Altmeister Clint Eastwood einer durchaus ambivalenten realen Figur. Schließlich muss man sich fragen, ob jemand, der über 160 bestätigte tödliche Treffer auf seinem Konto vorweisen kann, unbedingt ein Held ist, auch wenn er durch seinen Einsatz unzählige Leben seiner Kameraden gerettet hat. Zwar thematisiert Eastwood diese Gewissensfrage kurz, als Kyle bei seinem ersten Einsatz kurz mit sich hadert, ob er einen Jungen und seine Mutter erschießen soll, aber als die russische Granate sichtbar wird, die die Mutter ihrem Kind in die Hand drückt, steht die Entscheidung natürlich fest. So eindeutig wie diese Situation werden auch alle weiteren Aktionen geschildert. Nie kommt wirklich Zweifel darüber auf, ob Kyle mutmaßliche Attentäter aus dem Verkehr gezogen hat. Eastwood gelingt es sehr überzeugend, vor allem die Szenen im irakischen Kriegsgebiet authentisch abzubilden, das Warten in der staubigen Atmosphäre, die adrenalingeschwängerten Einsätze, bei denen blitzschnell gecheckt werden muss, ob es sich bei den Bewohnern der untersuchten Wohnungen um Freund oder Feind handelt, schließlich das Abchecken der Umgebung und das blitzschnelle Reagieren auf den Feuerbeschuss durch den Feind. Dabei erzeugt Eastwood durch den ebenso geschickt agierenden feindlichen Sniper Mustafa zusätzliche Spannung, denn natürlich läuft Kyles Einsatz im Irak auf ein direktes Duell zwischen den beiden Meisterschützen hinaus.
Weniger gelungen sind dagegen Eastwoods Versuche, die persönlichen Probleme der Sniper-Legende zu schildern, sobald Kyle bei seiner Familie zuhause ist und sich wie ein Fremdkörper fühlt, am liebsten gar nicht aus dem Haus geht und jedes Geräusch, das ihn auch nur annähernd an Maschinengewehrfeuer erinnert, aufschrecken lässt. Eastwood deutet in kurzen Szenen immer nur an, wie groß sich die Kluft zwischen Kyle und seiner Frau auftut. Zum Glück gelingt es Bradley Cooper („American Hustle“, „Silver Linings“), seine außergewöhnliche Rolle mit ebenso großer physischer Präsenz wie überzeugender Verletzlichkeit zu spielen und damit den Film allein auf seinen Schultern zu tragen. Wie Kyle schließlich seine persönliche Krise in den Griff bekommt, indem er mit Kriegsveteranen abhängt, wird leider auch nur kurz angeschnitten und vervollständigt die Heldenverehrung, die Eastwood seiner Figur angedeihen lässt. Ein wenig mehr kritische Auseinandersetzung hätte „American Sniper“ aber gut getan.
"American Sniper" in der IMDb

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