Der Schrecken der Medusa

In den 1970er Jahren war das Kino nicht nur von Katastrophenfilmen wie „Airport“ (1970), „Die Höllenfahrt der Poseidon“ (1972), „Flammendes Inferno“ (1974) und „Meteor“ (1979) geprägt, sondern auch von Phänomenen wie Telekinese, die Stephen King in seinem Horror-Bestseller „Carrie“ und Regisseur Brian De Palma in seinem Film „Teufelskreis Alpha“ (1978) thematisierten. Jack Gold inszenierte ebenfalls 1978 mit „Der Schrecken der Medusa“ (ursprünglich: „Die Schrecken der Medusa“) eine Verfilmung von Peter Van Greenaways Roman „The Medusa Touch“ und vermischte auf gelungene Weise Elemente des Katastrophenfilms, des Krimis und des Horrorfilms.
Der Schriftsteller John Morlar (Richard Burton) wird bei laufendem Fernseher in seinem Londoner Apartment nahezu totgeschlagen aufgefunden, was den französischen Austauschpolizisten Brunel (Lino Ventura) zum Tatort rufen lässt. Während das Opfer mit seinen schweren Kopfverletzungen im Krankenhaus nur noch künstlich am Leben erhalten wird, werden überraschend rege Gehirnaktivitäten aufgezeichnet. Brunel macht sich mit Sergeant Duff (Michael Byrne) an die Befragung der Nachbarn und sieht sich selbst die mysteriösen Tagebücher und Sammelalben des Opfers durch, in denen er die Titelseiten über Berichte von Katastrophen wie Terroranschlägen, Überschwemmungen, Flugzeugabstürzen und Kriegen aufbewahrt. In den Tagebüchern stößt Brunel auf kryptische Begriffe wie „L“, „Zonfeld“ und „Telekinese“, wobei sich hinter Zonfeld Morlars Psychiaterin (Lee Remick) verbirgt. Durch die Gespräche mit ihr erfährt der Inspektor, dass Morlar sich offensichtlich verantwortlich nicht nur für den Tod seiner Eltern, seines Kindermädchens, seines Lehrers und seiner Frau fühlt, sondern auch für allerlei Katastrophen.
Brunel ist zunehmend fasziniert vom Leben des ungewöhnlichen Mannes und macht sich mit Experimenten zur Telekinese vertraut, die die Amerikaner, Russen und Dänen in der Vergangenheit dokumentiert haben. Als sich die Hinweise verdichten, dass Morlar auch den angekündigten Dankesgottesdienst zur Restaurierung der schwer beschädigten Westminster Abbey sabotieren könnte, hat Brunel allerdings große Schwierigkeiten, den zuständigen Dekan und Police Commissioner (Harry Andrews) davon zu überzeugen, die Kirche evakuieren zu lassen, denn schließlich haben sich hochrangige Vertreter des Königshauses, aus Politik und Wirtschaft zum Besuch des Gottesdienstes angekündigt …
Regisseur Jack Gold („Bis zum letzten Patienten“, „Schlacht in den Wolken“) hat den Bestseller von Peter Van Greenaway nach einem Drehbuch von Oscar-Gewinner John Briley („Gandhi“) inszeniert und dabei sehr geschickt ein psychologisches Drama mit Elementen verschiedener Filmgenres entwickelt. Während zu Beginn das zugrundeliegende Verbrechen präsentiert wird, ohne aber den Täter zu zeigen, läuft im Fernsehen gerade ein Live-Bericht zur gescheiterten Weltraummission der Amerikaner und schlägt so den Bogen zum eigentlichen Thema des Films, nämlich die Frage, ob per Gedankenkraft Katastrophen herbeigeführt werden können. Zur Einstimmung auf die Atmosphäre des Films dienen dabei Großaufnahmen von Edvard Munchs „Der Schrei“ und Caravaggios „Das Haupt der Medusa“ im Büro des Opfers, wobei sich zunehmend der Verdacht erhärtet, dass Morlar nicht nur Opfer, sondern vor allem auch ein Täter gewesen sein könnte. Durch die Ermittlungen von Brunel und Duff ergibt sich allmählich ein faszinierendes Gesamtbild, bei dem Dr. Zonfeld eine besondere Rolle zufällt. Durch ihre Aussagen, aber auch die der Nachbarn und früheren Arbeitskollegen am Gericht werden in Rückblenden Schlüsselmomente in Morlars Kindheit und weiteren Werdegang rekapituliert, die den Verdacht erhärten, dass Morlar – wie von ihm selbst behauptet – tatsächlich für den Tod von Menschen verantwortlich gewesen ist, die eine Rolle in seinem schulischen, privaten und Arbeitsleben gespielt haben. Dabei sorgen vor allem Lino Ventura („Der Clan der Sizilianer“, „Armee im Schatten“) und Richard Burton („Der Spion, der aus der Kälte kam“, „1984“) für schauspielerische Höhepunkte, aber auch Lee Remick („Getrennte Betten“, „Das Omen“) überzeugt als attraktive Psychologin, die ihr Wissen nur stückweise preisgibt.
Bis zum furiosen Finale entwickelt sich so ein stark gespielter und gekonnt inszenierter Thriller, der geschickt mit verschiedenen Genres zu jonglieren versteht und dabei nicht mit seiner Kritik an der herrschenden politischen, religiösen und wirtschaftlichen Klasse spart.
"Der Schrecken der Medusa" in der IMDb

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