Der Wildeste unter Tausend

Paul Newman und Martin Ritt waren zu Beginn der Dreharbeiten von „Der Wildeste unter Tausend“ (1963) bereits ein eingespieltes Team, realisierten sie doch zuvor schon gemeinsam die Dramen „Der lange heiße Sommer“ (1958), „Paris Blues“ (1960) und „Hemingways Abenteuer eines jungen Mannes“ (1961). Mit der Verfilmung von Larry McMurtys Roman „Horseman, Pass By“ erreichte diese Zusammenarbeit einen weiteren Höhepunkt, der zudem bei sieben Nominierungen mit drei Oscars ausgezeichnet wurde.
Im Gegensatz zu seinen Nachbarn, die durch die Suche nach Öl zu Reichtum zu kommen hoffen, bleibt der alternde Rancher Homer Bannon (Melvyn Douglas) Anfang der 1960er Jahre auf seiner Farm in Texas der Züchtung von Rindern treu. Doch als eines seiner Rinder aus unerklärlichen Gründen verendet und der Veterinär Mr. Burris (Whit Bissell) einen sechstägigen Test auf Maul- und Klauenseuche durchführen muss, will sein Sohn Hud (Paul Newman) nicht so lange untätig herumsitzen, sondern am liebsten die eventuell verseuchte Herde schnell verkaufen, damit sich die Familie schadlos halten kann. Der alter Homer verurteilt diese verantwortungslose Einstellung seines selbstsüchtigen Sohnes, der stets nur für sein Vergnügen lebt und sich etwas darauf einbildet, jede Frau ins Bett zu kriegen, die er will. Allerdings liegt noch ein tieferer Schatten über der angespannten Beziehung zwischen Homer und Hud: Vor Jahren hat Hud im alkoholisierten Zustand nämlich einen Autounfall verursacht, bei dem er selbst nur einen Kratzer abbekommen hat, sein Bruder aber tödlich verunglückte. Als sich der Verdacht auf die Maul- und Klauenseuche bestätigt und Homer gezwungen ist, seine Tiere zu töten, hat sich Hud bereits bei einem Rechtsanwalt erkundigt, wie er seinen alten Herrn entmündigen lassen kann, denn wer von den Mexikanern offensichtlich kranke Rinder kauft, kann seiner Meinung nach nicht mehr ganz zurechnungsfähig sein. Als Verbündeten für seine Sache versucht Hud seinen 17-jährigen Neffen Lonnie (Brandon De Wilde) zu gewinnen, der zwar zu seinem temperamentvollen Onkel aufschaut, sich aber nicht von ihm manipulieren lässt. Als sich alles gegen ihn zu verschwören scheint, versucht der betrunkene Hud auch noch die attraktive Haushälterin Alma (Patricia Neal) zu vergewaltigen, was Lonnie im letzten Moment verhindern kann. Damit scheint Hud auch den letzten Menschen vergrault zu haben, der ihm zuvor noch zugetan gewesen war …
Larry McMurtry, der später für seinen – ebenfalls verfilmten - Roman „Weg in die Wildnis“ 1985 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde für „Brokeback Mountain“ einen Oscar für das beste adaptierte Drehbuch erhielt, zeichnet in seinem 1961 erschienenen Debütroman „Horseman, Pass By“ ein zeitgenössisches Portrait von Ranchern, die zwischen der Tradition des Züchtens von Rindern und den Verlockungen der Moderne durch das Bohren nach Öl ihr Leben zu gestalten versuchen. Doch mehr als die Suche nach der richtigen Weise, den Lebensunterhalt zu bestreiten, konzentriert sich Martin Ritt in seiner Leinwandadaption „Der Wildeste unter Tausend“ auf den Mikrokosmos einer Rancherfamilie, in der der Patriarch für die Bewahrung von Tradition und Ehre steht, während sein auf die schiefe Bahn geratener Sohn Hud nur das Vergnügen und das schnell verdiente Geld sucht, während die dritte Generation in Gestalt von Huds Neffen Lonnie zwar die gute Erziehung durch seinen Großvater genossen hat, aber auch die wilde, unternehmungslustige Art seines Onkels bewundert.
Dazwischen steht mit der Haushälterin Alma eine Frau in den besten Jahren, die es längst verwunden hat, dass ihr Ehemann sie einst um ihr Bargeld erleichtert und das Weite gesucht hatte, und stolz darauf ist, auf eigenen Füßen zu stehen. Sie freut sich, dass der junge Lonnie so für sie schwärmt, fühlt sich aber heimlich zu dem Frauenhelden Hud hingezogen. Patricia Neal („Ghost Story“, „Der Tag, an dem die Erde stillstand“) verkörpert überzeugend die selbstbewusste Frau, die sich nichtsdestotrotz nach Liebe und Zuneigung sehnt, und wurde zurecht für ihre differenzierte Darstellung mit einem Oscar belohnt. Den bekam auch Schauspiel-Veteran Melvyn Douglas („Der Mieter“, „Das Grauen“) für seine beeindruckende Darstellung als alternder Rancher, dem sein Lebenswerk durch die Hände rinnt.
Die Familien-Tragödie, die für niemanden eine Erlösung bietet und das endgültige Ende der Western-Ära beschreibt, hat der ebenfalls für seine Arbeit mit einem Oscar prämierte James Wong Howe („Die tätowierte Rose“, „Der alte Mann und das Meer“) in sehr hellen Schwarz-Weiß-Bildern eingefangen, die der legendäre Elmer Bernstein („Verdammt sind sie alle“, „Die glorreichen Sieben“) mit einem sehr reduziert instrumentierten Score untermalte.
"Der Wildeste unter Tausend" in der IMDb

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