Lady Bird

Vor allem in den Hauptrollen in „Lola gegen den Rest der Welt“ und „Frances Ha“ präsentierte sich die aus Sacramento stammende Schauspielern Greta Gerwig als sympathisch-ausgeflippte Außenseiterin, die unbeirrt ihren eigenen Weg geht. Nachdem sie bereits als Drehbuchautorin („Frances Ha“, „Mistress America“) Erfahrungen sammeln konnte, legte sie 2017 mit „Lady Bird“ ihr hochgelobtes Regiedebüt vor, mit dem sie ihr eigenes Drehbuch adaptierte.
Die 17-jährige Christine McPherson (Saoirse Ronan) kann es gar nicht abwarten, den provinziellen Mief ihrer Heimatstadt Sacramento hinter sich zu lassen, die konservative katholische Highschool abzuschließen, den ewigen Streitereien mit ihrer Mutter Marion (Laurie Metcalf) aus dem Weg gehen zu können, um möglichst weit entfernt, am liebsten an einem College an der Ostküste, auf die Uni zu gehen. Allerdings steht es weder mit ihren Noten noch mit den finanziellen Rücklagen ihrer Familie zum Besten. Ihre Mutter muss ohnehin schon Doppelschichten in der Psychiatrie eines Krankenhauses ableisten, und als ihr Vater Larry (Tracy Letts) auch noch seinen Job verliert, sieht die Welt noch weniger rosig aus. Ihr adoptierter Bruder Miguel (Jordan Rodrigues) und die als Pflegekind aufgenommene Shelly (Marielle Scott) jobben wenigstens in einem Supermarkt, während Christine, die sich selbst „Lady Bird“ nennt, erst einmal in der Theatergruppe ihrer Schule herauszufinden versucht, wo ihre Interessen liegen. Während der Proben zum nächsten Stück verliebt sie sich in den aus gutem Hause stammenden Danny (Lucas Hedges), der zu viel Respekt vor ihr hat, um ihr Angebot, ihre Brüste zu berühren, anzunehmen. Wenig später erwischt sie ihren Freund allerdings auf dem Jungen-Klo beim Knutschen mit einem anderen Jungen … Während sie sich von ihrer besten Freundin Julie (Beanie Feldstein) allmählich entfremdet und lieber mit der Clique der coolen Jenna (Odeya Rush) abhängt, lernt sie den ebenso niedlichen wie eigenwilligen Kyle (Timothée Chalamet) kennen, an den sie ihre Jungfräulichkeit zu verlieren gedenkt …
Wenn Greta Gerwig mit ihren 34 Jahren nicht schon zu alt für die Hauptrolle in ihren Regiedebüt gewesen wäre, hätte man sich kaum eine bessere Besetzung für die Rolle der eigenwilligen „Lady Bird“ vorstellen können. Schließlich scheint es hier zunächst um eine vertraute Coming-of-Age-Geschichte zu handeln. Doch schon die Eröffnungsszene macht deutlich, dass es Gerwig um mehr geht, als nur die gewöhnlichen Probleme eines jungen und fraglos ungewöhnlichen Mädchens zu thematisieren, das seinen Platz in der Welt zu finden versucht. Denn als Christine mit ihrer Mutter im Auto sitzt und nach über 21 Stunden die Hörbuchversion von John Steinbecks Klassiker „Früchte des Zorns“ die zuletzt gehörte Cassette aus dem Player holt, seufzen beide im Einklang aus gemeinsam empfundener Rührung, nur um Sekunden später in einen Streit zu geraten, in dessen Folge sich Christine aus dem fahrenden Auto wirft. Der pinkfarbene Gips an ihrem gebrochenen Arm ziert ein garstiges „Fuck You Mom“ und scheint damit die stark stimmungschwankende Beziehung zwischen Mutter und Tochter auf den Punkt zu bringen.
Doch ganz so einfach ist es nicht. Gerwig unterläuft das Klischee der anspannten Mutter-Tochter-Beziehung geschickt und macht diese geschickt und differenziert zum Hauptthema ihres gleich fünffach Oscar-nominierten Regiedebüts. Wenn sie mit ihrer Mutter gemeinsam im Second-Hand-Laden ein Kleid für den Abschlussball aussucht oder sich in Gegenwart ihres arbeitslosen, am PC Solitaire spielenden Vaters von ihr anhören muss, wie teuer es ist, sie aufzuziehen, wird deutlich, unter welcher Anspannung die Beziehung zwischen den beiden ist, wobei es schließlich ihrem liebevollen Vater zufällt, die beiden miteinander auszusöhnen. Dazwischen nehmen natürlich der Alltag an der katholischen Schule, die Theaterproben, die ersten Beziehungen zum anderen Geschlecht und die Suche nach dem richtigen College die Hauptthemen in „Lady Bird“ ein und bringen dabei eine gelungene Mischung aus Ernsthaftigkeit und leicht skurrilem Humor zum Ausdruck.
Gerwig erweist sich dabei als feinfühlige Erzählerin glaubwürdiger Momente im Leben einer eigenwilligen jungen Frau, die offensichtlich – wie ihr Schulleiterin Schwester Sarah Joan (Lois Smith) auf den Kopf zusagt – Lust an der eigenen Inszenierung besitzt.
Saoirse Ronan („In meinem Himmel“, „Wer ist Hanna?“) verkörpert die Hauptrolle absolut überzeugend und wurde ebenso für einen Oscar nominiert wie Laurie Metcalf („Internal Affairs“, „JFK – Tatort Dallas“) als ihre Mutter. Die schnörkellose Inszenierung und der verträumte Score von Jon Brion („Punch-Drunk Love“, „Christopher Robin“) runden einen ebenso einfühlsamen wie humorvollen Film ab, das die passende Waage zwischen eher konventioneller Coming-of-Age-Story und tiefsinnigem Mutter-Tochter-Drama findet.
"Lady Bird" in der IMDb

Kommentare

Beliebte Posts