München

In der äußerst produktiven Werksbiografie von Steven Spielberg stehen so unterschiedliche Werke wie Sci-Fi-Dramen wie „Minority Report“ und „A. I. – Artificial Intelligence“, großartige Abenteuer wie die „Indiana Jones“-Filme und „Jurassic Park“, Thriller wie „Duell“, „Der weiße Hai“ und „Sugarland Express“ sowie einfühlsame Dramen wie „Die Farbe Lila“, „Amistad“ und „Das Reich der Sonne“ nebeneinander. Spielberg sieht sich aber nicht nur als Geschichtenerzähler für ein breites Publikum, sondern nutzt seine Freiheiten als einflussreicher und extrem erfolgreicher Filmemacher auch dazu, unangenehme Themen anzupacken, wie das Grauen des Holocaust in „Schindlers Liste“ oder in dem Terror-Drama „München“, das die (bis heute andauernden) Auswirkungen eines palästinensischen Terroranschlags auf die israelische Olympia-Mannschaft bei den „Spielen des Friedens und der Freude“ in München 1972 schildert.
Während der Olympischen Spiele im September 1972 dringt eine Gruppe von palästinensischen Extremisten in das Olympische Dorf in München ein, tötet zwei Mitglieder der israelischen Olympia-Mannschaft und nimmt neun weitere als Geiseln gefangen. Auf die Forderung der Terroristen, die sich „Schwarzer September“ nennt, 232 Palästinenser aus israelischen Gefängnissen sowie die deutschen RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof freizulassen, lässt sich die israelische Regierung von Ministerpräsidentin Golda Meir (Lynn Cohen) nicht ein. Als ein Befreiungsversuch auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck scheitert und alle Geiseln sowie ein Großteil der Terroristen ums Leben kommen, schickt Meir ihren ehemaligen Leibwächter Avner (Eric Bana) auf eine gefährliche Mission: Mit der „Operation Zorn Gottes“ sollen die elf Hintermänner des Olympischen Attentates zur Strecke gebracht werden.
Avners Verbindungsoffizier Ephraim (Geoffrey Rush) zwingt den Mossad-Agenten, seine hochschwangere Frau Daphna (Ayelet Zurer) für die unbestimmte Dauer der streng geheimen und inoffiziellen Mission zu verlassen und in Europa auf die Jagd zu gehen. Dabei unterstützt ihn nicht nur das Team aus dem Südafrikaner Steve (Daniel Craig), dem deutschen Dokumentenfälscher Hans (Hanns Zischler), Carl (Ciáran Hinds) und dem Sprengstoffexperten Robert (Mathieu Kassovitz), sondern deutsche Kontaktmänner (u.a. Moritz Bleibtreu) und der undurchsichtige Franzose Louis (Mathieu Amalric), der sich seine Informationen teuer bezahlen lässt.
Nachdem das erste Attentat in Rom zwar zögerlich, aber erfolgreich verübt worden ist, treten bei den nachfolgenden Aktionen immer wieder Probleme vor allem mit dem von Louis gelieferten Sprengstoff auf, was nicht nur die Frage aufwirft, inwieweit man Louis überhaupt trauen kann, sondern gerade bei Avner Zweifel an den Beweisen für die Schuld der Personen auf der Todesliste aufkommen lassen …
Steven Spielberg hat sich in seinem 2005 inszenierten und für insgesamt fünf Oscars (u.a. für den besten Film, die beste Regie, das beste Drehbuch und die beste Musik) nominierten Film von dem Buch „Vengeance“ des ungarischen Journalisten George Jonas inspirieren lassen, aber die wahren Ereignisse der Terrorakte während der 20. Olympischen Sommerspiele 1972 in München nur als Rahmen für eine Geschichte verwendet, die vor allem die grundlegende Frage nach der Rechtfertigung von Gewalt und Gegengewalt stellt. Natürlich musste sich der jüdische Spielberg mit seinem Film der Kritik stellen, dass er zu sehr Partei entweder für die eine oder andere Partei ergreifen würde, dass verschiedene Beteiligte nicht von Spielberg zu den Ereignissen befragt worden seien und dass der Regisseur durch die Einblendung von Fernsehaufnahmen der damaligen Zeit eine Darstellung der Wirklichkeit suggeriere, der „München“ nicht entspreche. So gerechtfertigt all diese Einwände auch sein mögen, ist „München“ vor allem ein formvollendetes Thriller-Drama geworden, das sich kaum mit dem anfänglichen Attentat an sich beschäftigt, sondern sich ganz auf die Gewaltspirale konzentriert, die die „Operation Zorn Gottes“ nach sich zieht. Denn natürlich kommen nicht nur die ausgesuchten Hintermänner von „Schwarzer September“ zu Tode, sondern auch Mitglieder von Avners Team.
Spielberg nimmt dabei selbst keine Stellung zu den von ihm geschilderten Ereignissen, stellt aber die richtigen Fragen, beispielsweise nach der Grundlage, auf der Avner und seine Leute die Hintermänner ausschalten sollen, und entlarvt die unmenschlichen Mechanismen, die die Antworten auf den Terror mit weiterem Terror hervorrufen. Bei einer Laufzeit von über 160 Minuten wird der Film nie langweilig, auch wenn sich die Routine vom Aufspüren und Ausschalten der Hintermänner irgendwann totzulaufen droht. Tatsächlich arbeitet Spielberg mit vielen plötzlichen Zeit- und Ortswechseln, bringt immer neue Figuren ins Spiel, die kaum, dass sie eingeführt worden sind, schon wieder verschwinden. Die hervorragenden Darsteller, allen voran Eric Bana („Hulk“, „Troja“) als israelischer Patriot mit immer stärkeren Gewissensbissen, die starke Kameraarbeit von Janusz Kaminski und die gefühlvolle Musik von John Williams machen „München“ zu einem eindringlichen, zum Nachdenken anregenden Thriller-Drama mit erschreckend aktuellen politischen Bezügen.
"München" in der IMDb

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