Der Maulwurf

Der französische Drehbuchautor und Regisseur Yves Boisset ist in den 1970er Jahren durch Filme wie „Monsieur Dupont“ (1975), „Der Richter, den sie Sheriff nannten“ (1977) und „Das Attentat“ (1972) bekannt geworden. 1982 inszenierte er mit den beiden Charakterdarstellern Michel Piccoli und Lino Ventura das undurchsichtige Agenten-Thriller-Drama „Der Maulwurf“, das durch seine unprätentiöse Inszenierung ebenso auffällt wie durch die herausragende Filmmusik von Ennio Morricone.
Sébastien Grenier (Lino Ventura) ist ein erfolgreicher Anlageberater, der mit seiner jüngeren Frau, der an der Universität Zürich lehrenden Dozentin Anna Gretz (Krystyna Janda) in Zürich ein ruhiges Leben verbringt. Das ändert sich jedoch schlagartig, als eines Tages mit Albert Zimmer der unscheinbare Leiter eines Reisebüros in der Straßenbahn von Terroristen erschossen wird. Kurz darauf erhält Grenier nicht nur Besuch vom undurchsichtigen, aber scheinbar bestens informierten Regierungsvertreter Jean-Paul Chance (Michel Piccoli), sondern bekommt auch ein Buch von Alexandre Dumas zugeschickt, das auf einer leeren, aber markierten Seite die Zahl „138“ präsentiert. Es handelt sich dabei um den Erweckungscode für den seit acht Jahren schlafenden Agenten Grenier, der allerdings keine Ahnung hat, um was es eigentlich geht. Chance macht ihn darauf aufmerksam, dass Greniers Frau während ihrer Studienzeit in München mit linksradikalen Kreisen sympathisiert habe, doch führt dieser Hinweis zu nichts. Erst als Grenier seine früheren Kontakte auffrischt und dabei eine Warnung von Henri Marchand (Bernard Fresson) erhält, der wenig später getötet wird, beginnt er zu begreifen, dass auch sein eigenes Leben in Gefahr ist …
Als Boisset 1982 „Der Maulwurf“ ins Kino brachte, haben die bereits zwölf Filme der erfolgreichen Reihe um den britischen Geheimagenten James Bond nachhaltig die Rezeption des Genres beeinflusst. Boisset unterläuft die Erwartungshaltung des Publikums aber ebenso bewusst wie geschickt. Statt einen klar definierten Bösewicht einzuführen, der von einem Agenten ausgeschaltet werden soll, konzentriert sich Boisset ganz auf die Figur eines Schläfers, der nach seiner Aktivierung überhaupt nicht begreift, was sein Auftrag sein soll, wobei ihm der mysteriöse Chance auf Schritt und Tritt folgt, vieldeutige Anmerkungen fallen lässt, aber Grenier letztlich nur verunsichert.
Aus dieser Verunsicherung, die sich durch Lino Venturas („Adieu Bulle“, „Das Verhör“) starke Darstellung auch auf den Zuschauer überträgt, speist „Der Maulwurf“ seine Spannung, denn durch die Todesfälle in seiner Umgebung weiß Grenier nur, dass es einen Maulwurf gibt, doch hat er keine Ahnung, wer es sein könnte. Die von Angst und Unsicherheit geprägte Suche nach dem Verräter wird in unspektakulären Bildern von Jean Boffety („Eine einfache Geschichte“, „Zeit der Sehnsucht“) an unspektakulären Orten erzählt, aber von einer betörenden Musik von Ennio Morricone begleitet. Das Zusammenspiel von grandiosen Darstellern, einfachen Bildern und der aufregenden akustischen Ebene machen deutlich, wie das Unbehagen in einen schlichten Alltag vordringt und längst verbürgte Sicherheiten aufzulösen vermag. James-Bond-Fans werden an „Der Maulwurf“ kaum Freude haben, wohl aber Freunde des vielschichtigen Kriminal-Dramas, bei dem es zwischen Schwarz und Weiß auch einige interessante Schattierungen gibt.
"Der Maulwurf" in der IMDb

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