Shock and Awe - Krieg der Lügen

Als Shock and Awe wird eine militärische Taktik bezeichnet, durch die eine allgemeine Demoralisierung der gesamten Verteidigungsbereitschaft des Gegners erreicht werden soll und die vor allem im Irak-Krieg durch die US-Armee angewendet wurde. Damals hatte die Regierung von Präsident George W. Bush angeblich Beweise dafür gefunden, dass Saddam Hussein über Massenvernichtungswaffen verfügte. Zwar wurde erst im Nachhinein bekannt, dass keine Beweise vorhanden waren, aber die wichtigsten Zeitungen wie The New York Times und The Washington Post haben die manipulative Strategie des Weißen Hauses überwiegend unkritisch übernommen und so auch in der Bevölkerung einen breiten Rückhalt für den Irak-Feldzug der US-Streitkräfte aufbauen können. Dabei ist kaum bekannt geworden, dass zwei Redakteure und ihr Chefredakteur eines Redaktionsnetzwerks von Beginn an darauf hingewiesen haben, dass die Bush-Administration lügt. Rob Reiner („Misery“, „Harry & Sally“) hat die wahre Geschichte in dem Politdrama „Shock and Awe – Krieg der Lügen“ mit hochkarätiger Besetzung verfilmt.
Nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001, bei dem zwei Flugzeuge in die beiden Türme des World Trade Center fliegen und damit die westliche Welt traumatisieren, plant die Regierung von Präsident George W. Bush, in den Irak einzumarschieren, um dort für Sicherheit zu sorgen und einen Demokratisierungsprozess einzuleiten. Als Vorwand dient dem Weißen Haus die Überzeugung, dass Saddam Hussein über Massenvernichtungswaffen verfügt, doch die Jonathan Landay (Woody Harrelson) und Warren Stroebel (James Marsden) vom Redaktionsnetzwerk Knight Ridder bezweifeln den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung, die von den Kollegen populärerer Zeitungen weitgehend übernommen wird. Von ihrem ebenfalls skeptischen Chef John Walcott (Rob Reiner) erhalten sie den Auftrag, ihrem Verdacht nachzugehen, worauf sie sich mit verschiedenen Quellen aus dem Außenministerium und Geheimdienst treffen und zunehmend in ihrem Verdacht bestätigt werden. Allerdings finden die Redakteure für ihre Arbeit keine Abnehmer. Walcott aktiviert seinen alten Freund, den Kriegsreporter Joe Galloway (Tommy Lee Jones), der mit seinen weitreichenden Kontakten der Geschichte schließlich die richtige Würze verleihen soll, damit sie mehr Aufmerksamkeit erhält …
Dass die Regierung Bush samt Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Außenminister Colin Powell offensichtlich gelogen hat, als sie freimütig verlauten ließ, dass der Irak unter Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen herstelle, ist 15 Jahre danach eine weithin bekannte Tatsache, weshalb man sich fragen muss, was den erfolgreichen Regisseur Rob Reiner dazu bewogen haben könnte, dieses Thema noch einmal aufzugreifen. Denn wirklich Neues präsentiert er in „Shock and Awe“ nicht. Als Aufhänger dienen ihm nicht nur die Bilder von dem Terrorakt von 9/11, sondern auch die Geschichte eines jungen Soldaten, der querschnittsgelähmt aus dem Irak zurückgekehrt ist und vor einem Untersuchungsausschuss die Frage stellt, warum er in den Irak geschickt worden war. In der Folge wird vor allem der Arbeitsalltag der beiden Reporter Landay und Stroebel geschildert, wie sie immer neue Informanten ausfindig machen, die ihren Verdacht, dass die Bush-Regierung Lügen verbreitet, um den geplanten Irak-Krieg zu rechtfertigen, zunehmend bestätigen.
Im Gegensatz zu Alan J. Pakulas Klassiker „Die Unbestechlichen“, in dem Robert Redford und Dustin Hoffman als die „The Washington Post“-Reporter Carl Bernstein und Bob Woodward glänzen, die die Watergate-Affäre um Präsident Richard Nixon aufdecken, aber auch zu jüngeren Werken wie Tom McCarthys „Spotlight“ oder Steven Spielbergs „Die Verlegerin“ wirkt Rob Reiners fast schon dokumentarisches Drama recht steif und unspannend inszeniert.
An den beiden Hauptdarstellern liegt es jedenfalls nicht. Sowohl Woody Harrelson („Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, „True Detective“) als auch James Marsden („X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“, „Westworld“) verkörpern die beiden engagierten Reporter mit Leidenschaft, doch können sie gegen die steife Inszenierung, die vor allem aus Auszügen mit TV-Bildern von Bush, Powell und Rumsfeld gespickt ist, kaum ankommen. Milla Jovovich („Resident Evil“, „Das fünfte Element“) und Jessica Biel („Next“, „Total Recall“) dürfen zwar in ihren wenig fordernden Nebenrollen kurz demonstrieren, dass sie mehr als nur hübsche Anhängsel ihrer ambitionierten Männer sind, doch gibt das Drehbuch von Joey Hartstone („LBJ“) den Figuren zu wenig Raum, um ein eigenständiges Profil zu entwickeln. Das gilt leider auch für die Rolle von Tommy Lee Jones, der zwar in seiner Rolle als Kriegsreporter einige knackige Kommentare abgeben darf, aber dem Polit-Drama keine entscheidenden Impulse verleihen kann. So bleibt „Shock and Awe“ ein ambitioniertes Werk, das die Bedeutung einer unabhängigen Presse betont, aber durch die holprige Inszenierung letztlich nicht überzeugen kann.
"Shock and Awe" in der IMDb

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