Das Gesetz der Begierde

Die Filme, die der spanische Filmemacher Pedro Almodóvar Anfang der 1980er Jahre begonnen hatte zu drehen, waren ganz von der neu gewonnenen Freiheit des Ausdrucks geprägt, der nach dem Ende des Franco-Regimes vor allem in der pulsierenden Metropole Madrid Einzug hielt. Auf furiose, exzentrische und schrille Weise ließ Almodóvar die ungewöhnlichsten Figuren aufeinanderprallen und ihre Lust quer durch die Geschlechter und Milieus ausleben. Nachdem er 1984 mit „Womit habe ich das verdient?“ erstmals die kritischen und melancholischen Töne in den Vordergrund gestellt hatte, verfolgte Almodóvar mit seinem 1987 entstandenen Film „Das Gesetz der Begierde“ die zerstörerische Kraft der Leidenschaft. 

Inhalt: 

Der Filmemacher Pablo Quintero (Eusebio Poncela) lässt in einem Tonstudio gerade eine Szene aus seinem neuen Film „Das Geheimnis der Muschel“ synchronisieren. In der Szene wird ein junger, nur mit weißen Unterhoden bekleideter Mann aufgefordert, vor einen Spiegel zu treten und seine Lippen zu küssen, dann soll er sich auf dem Bett selbst befriedigen, während er sich vorstellt, von seinem Regisseur penetriert zu werden. So narzisstisch wie im Film dirigiert Pablo auch sein Privatleben. Als ihm ein Liebesbrief des jungen Juan (Miguel Molina) nicht anspricht, tippt er selbst einen, der eher seinen Anforderungen entspricht, und lässt ihn Juan unterschreiben. Wie Juan ist auch Antonio (Antonio Banderas) von dem Filmemacher fasziniert und lässt sich von ihm in die homosexuelle Liebe einführen. Als er den angeblich von Juan verfassten Liebesbrief an Pablos Schreibtisch entdeckt, rastet der besitzergreifende Antonio aus und sucht Juan in dem Dorf auf, wo dieser sich für eine Auszeit zurückgezogen hat, und stößt ihn am Leuchtturm von der Klippe. Während die Polizei den Tod des jungen Mannes untersucht, wendet sich Antonio hilfesuchend an Pablos Schwester Tina (Carmen Maura), die früher ein Mann gewesen ist und sich auf eine Affäre mit Antonio einlässt, der sich dadurch Pablo näher fühlt. Der Filmemacher ist von Juans Tod so geschockt, dass er mit tränenverschleiertem Blick seinen Wagen gegen einen Baum fährt und mit Gedächtnisverlust und gebrochenem Bein im Krankenhaus landet. Als ihm jedoch klar wird, wer Juan getötet hat, und die Polizei alarmiert, hat Antonio Tina bereits als Geisel genommen… 

Kritik: 

Es sind mehr als vertraute Themen, die Pedro Almodóvar in seinem sechsten Kinofilm präsentiert, Inzest, Transsexualität, Narzissmus, besessene Leidenschaft. Doch im Gegensatz zu den komödiantischen Tönen seiner ersten Filme hat Almodóvar seit „Matador“ (1986) auch ein Gespür für Thriller-Stoffe bekommen, die sich aus dem Labyrinth der Leidenschaften speisen. 
Es fällt nicht schwer, die Figur des narzisstischen Filmemachers Pablo als Alter Ego von Pedro Almodóvar zu betrachten. Die Synchronisationsszene zu Anfang von „Das Gesetz der Begierde“ vermittelt nicht nur den Ton für die nachfolgende ménage à trois (wobei Tina das Dreieck von Pablo, Juan und Antonio noch ergänzt), sondern macht auch die narzisstische Persönlichkeit des Regisseurs deutlich. Pablos Leben ist ganz darauf ausgerichtet, jemanden zu finden, für den er das absolute Objekt der Begierde ist und den er selbst über alle Maßen begehrt. Die Unmöglichkeit dieses Ansinnens verarbeitet er in seiner Kunst, im Leben ist er zu den großen Gefühlen, die er in seinen Werken zum Ausdruck bringt, nicht fähig. 
Im Gegensatz dazu entwickelt Antonio Pablo gegenüber eine grenzenlose, besitzergreifende und zerstörerische Leidenschaft, die Pablo allerdings nicht erwidert und letztlich eine tödliche Entwicklung nimmt. Tina wiederum sitzt zwischen allen Stühlen. Als Kind von einem Priester missbraucht und nach der Trennung von der Freundin ist aus Pablos Bruder eine Frau geworden, die sich noch immer um Ada, die Tochter ihrer Verflossenen, kümmert. Da auch ihr Vater, wegen dem sie die Geschlechtsumwandlung vollzogen hat, nichts mehr von ihr wissen will, bleibt ihr nur noch ihr Bruder, der keine Skrupel kennt, ihre Leidensgeschichte für sein neues Projekt zu verarbeiten. 
„Das Gesetz der Begierde“ ist ein höchst verstörendes, voller Verweise und widersprüchlicher und ganz unterschiedlicher Figuren steckendes Psycho-Thriller-Drama geworden, das Almodóvar auch dem deutschen Publikum bekannt machte. Der Film wurde bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin präsentiert und ist die erste Produktion von El Deseo, der Produktionsfirma, die Almodóvar zusammen mit seinem jüngeren Bruder Augustín gegründet hat. Hier überzeugt nicht nur Antonio Banderas nach „Matador“ in einer weiteren großen Rolle in einem Almodóvar-Film als kompromissloser Liebhaber, sondern natürlich wieder einmal Carmen Maura als Frau, die noch immer für die Schmerzen büßt, die ihr im Leben zugefügt worden sind und ihr jegliches Vertrauen ans Glück genommen haben. 

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