Zerrissene Umarmungen

Von Beginn seiner Filmemacher-Karriere an hat es Pedro Almodóvar immer wieder souverän verstanden, unterschiedliche Genres wie die Komödie, das Drama und den Film noir in seinen Werken miteinander zu verknüpfen. Nachdem der spanische Autorenfilmer mit „Sprich mit ihr“ den Film noir am prägnantesten zum Ausdruck gebracht hatte, stellt auch sein 18. Werk „Zerrissene Umarmungen“ eine virtuose Verbeugung vor Noir-Regisseuren wie Nicholas Ray, Fritz Lang und Jules Dassin dar. 

Inhalt: 

Als der durch einen Autounfall erblindete frühere Filmregisseur Harry Caine (Lluís Homar) aus der Zeitung vom Tod des Millionärs Ernesto Martel (José Luis Gómez) erfährt, werden in ihm Erinnerungen an die Vergangenheit wach, die durch die Bekanntschaft mit einem jungen Dokumentarfilmer namens Ray X (Rubén Ochandiano) noch intensiviert werden. Ray X möchte nach einem ersten Dokumentarfilm einen Spielfilm drehen, bei dem es um die Rache eines Sohnes an seinem Vater geht. Doch Caine lehnt das hoch dotierte Angebot, das Drehbuch dazu zu schreiben ab, als seine Agentin Judit (Blanca Portillo) herausfindet, dass Ray X der Sohn des verstorbenen Millionärs ist. Als Judits Sohn und Harrys Assistent Diego (Tamar Novas) nach einem versehentlich in einem Club eingenommenen Drogencocktail im Krankenhaus landet, bringt er Caine, der eigentlich Mateo Blanco heißt, dazu, sich den dunklen Geheimnissen seiner Vergangenheit zu stellen. 
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Lena Rivero (Penélope Cruz), die als Sekretärin für Martel gearbeitet hat und sich durch die Krebserkrankung ihres Vaters in die Abhängigkeit ihres Chefs begab. Der hatte schon länger ein Auge auf die schöne Frau geworfen und nutzte Lenas Notlage aus, sie zu seiner Geliebten zu machen. Mateo lernte Lena kennen, als sie ihre Ambitionen für eine Schauspiel-Karriere wieder zu verfolgen begann, besetzte sie in der Hauptrolle seiner Komödie „Frauen mit Koffer“ und stürzte sich in eine leidenschaftliche Affäre mit ihr. Die blieb allerdings nicht lange geheim, denn Martel, der den Film produzierte, ließ seinen Sohn Lena auf Schritt und Tritt mit einer Kamera für ein angebliches Making-of verfolgen. Als der extrem eifersüchtige und besitzergreifende Finanztycoon die Bilder mit Hilfe einer Lippenleserin (Lola Dueñas) entschlüsselte, kam es zur Katastrophe… 

Kritik: 

Nach zwei Nebenrollen in „Live Flesh – Mit Haut und Haar“ (1997) und „Alles über meine Mutter“ (1999) nutzte Penélope Cruz die Gunst der Stunde, als Almodóvar sie mit der Hauptrolle in „Volver – Zurückkehren“ (2006) besetzte und sie dafür ihre erste Oscar-Nominierung erhielt. Auch in „Zerrissene Umarmungen“ spielt Cruz („Vicky Cristina Barcelona“, „Nine“) groß auf, wird allein durch die passenden Frisuren und Perücken zu Audrey Hepburn oder Marilyn Monroe, aber legt Almodóvar in seinem 2009 entstandenen Werk erstmals den Fokus auf zwei rivalisierende Vater-Figuren, auf den eifersüchtigen Tycoon Martel und den Regisseur/Drehbuchautoren Mateo Blanco, der sich nach seinem Unfall und der daraus resultierenden Blindheit nur noch Harry Caine nennt. 
Wie bereits in „La mala educación – Schlechte Erziehung“ erzählt Almodóvar seine komplexe Geschichte wieder durch eine Film-im-Film-Handlung und in verschiedenen Zeitebenen, deckt die Natur der Beziehungen zwischen den tragisch miteinander verbundenen Figuren erst nach und nach auf. Auch wenn Penélope Cruz als Objekt der Begierde sowohl von Martel als auch Blanco die klassische Femme fatale im Film noir verkörpern könnte, bleibt Almodóvar doch weit mehr bei den alternden Männern, die unterschiedliche Wege finden müssen, um sich mit ihrer Leidenschaft und ihrer Macht bzw. Können zu versöhnen. Martel bleibt als gehörnter Liebhaber nur die Macht seines Geldes und seines Einflusses als Produzent, um das Glück von Lenas und Mateos Liebe zu zerstören, der blinde Drehbuchautor vermag am Ende, aus den Scherben seines Lebens und seines verhunzten Films seine eigene Genugtuung zu kreieren. 
Auch wenn das Drama aus Liebe und Leidenschaft zwischen Martel, Lena und Mateo im Vordergrund von „Zerrissene Umarmungen“ steht, bietet vor allem der Film-im-Film „Frauen mit Koffer“ Almodóvar die Möglichkeit, seine komödiantischen Talente auszuspielen und in der Aufklärung der Zusammenhänge mit dem tragischen Autounfall auch die klassischen Thriller-Elemente einzubauen. 
Es ist vielleicht etwas zu viel des Guten, dass Almodóvar darüber hinaus auch die beiden Vater-Sohn-Beziehungen thematisiert, so dass dem Film etwas die Sogkraft vorangegangener Werke des Ausnahme-Regisseurs verloren geht. Doch allein die prächtigen Bilder von Rodrigo Prieto („Babel“, „Brokeback Mountain“) und die überzeugenden Darsteller machen „Zerrissene Umarmungen“ zu einem typisch unterhaltsamen Film.  

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