Heat
Mit nur vier Filmen hat sich Michael Mann Mitte der 1990er Jahre in den Kreis der besten Hollywood-Regisseure katapultiert. Nach den Literaturverfilmungen „Thief – Der Einzelgänger“ (1981), „Die unheimliche Macht“ (1983), „Manhunter“ (aka „Blutmond“ und „Roter Drache“, 1986) und „Der letzte Mohikaner“ (1992) war für den Filmemacher endlich die Zeit gekommen, sein bereits seit den 1970er Jahren geplantes Projekt „Heat“ umzusetzen. Das fast dreistündige Krimi-Epos brilliert nicht nur durch seine beiden Hauptdarsteller Al Pacino und Robert De Niro, die hier erstmals gemeinsam vor der Kamera agierten, sondern auch durch eine fesselnde Story und eine stilsichere Inszenierung.
Inhalt:
Nach einigen Jahren im Knast hat sich Neil McCauley (Robert De Niro) geschworen, nie wieder einen Fuß in den Bau zu setzen, weshalb seine verbrecherischen Coups minutiös geplant und perfekt durchgeführt werden. Zusammen mit seinem aus Chris Shiherlis (Val Kilmer), Michael „Slick“ Cheritto (Tom Sizemore) und Trejo (Danny Trejo) bestehenden Team und dem zusätzlich angeheuerten Waingro (Kevin Gage) überfällt McCauley einen Geldtransporter, der Inhaberschuldverschreibungen der Investmentgesellschaft Malibu Invest enthält, doch Waingro verliert die Nerven und erschießt ohne Not einen der Wachleute, worauf auch die anderen beiden Wachmänner als Zeugen eliminiert werden.
Als Lieutenant Vincent Hanna (Al Pacino) vom Raub- und Morddezernat des Los Angeles Police Department am Tatort eintrifft, reißt er den Fall gleich an sich, was seine Beziehung zu seiner dritten Ehefrau Justine (Diane Venora) und ihrer psychisch labilen Tochter Lauren (Natalie Portman) zusätzlich belastet.
Während der Hehler Nate (Jon Voight) versucht, die versicherten Schuldverschreibungen für sechzig Prozent ihres Marktwertes an Roger Van Zant (William Fichtner) zurückzugeben, will McCauley den hitzigen Waingro für sein unüberlegtes Handeln aus dem Verkehr ziehen. Allerdings kann Waingro sich im letzten Moment in Sicherheit bringen, worauf er zunächst untertaucht und dann als Informant für Van Zant an Kohle zu kommen hofft.
Van Zant kommt mit Nate ins Geschäft, doch bei der Übergabe versuchen Van Zants zwei Handlanger, McCauley zu linken. Mit Chris als Deckung im Hintergrund schaltet McCauley die beiden Killer aus und macht nun seinerseits Jagd auf den Investor.
Während der Ermittlungen stoßen Hannas Leute eher zufällig über einen Informanten auf den einschlägig bekannten „Slick“ aufmerksam. Bei seiner nahtlosen Überwachung stößt Hanna erstmals auf McCauley, der sich in die Buchhändlerin und Grafikerin Eady (Amy Brenneman) verliebt und versucht, die Moral seiner Truppe zu stärken. Dazu gehört vor allem, dass Chris die problematische Beziehung zu seiner Frau Charlene (Ashley Judd) wieder kittet.
McCauley plant noch einen letzten lukrativen 12-Millionen-Dollar-Deal, bevor er sich mit Eady absetzen will, und außerdem hat er noch ein paar letzte Rechnungen zu begleichen…
Kritik:
„Heat“ basiert nicht nur auf Michael Manns eigenen Fernsehfilm „L.A. Takedown“ (1989), der eigentlich als Pilotfilm für eine nie realisierte Serie fungieren sollte, sondern auch auf die Erfahrungen des aus Chicago stammenden Kriminalbeamten Chuck Adamson, der 1963 den berüchtigten Dieb Neil McCauley jagte und ihn, nachdem er ihn zufällig auf neutralem Boden getroffen hatte, spontan auf einen Kaffee einlud. Diese Szene findet sich nicht nur in Manns Film wieder, sondern zählt auch zu den Highlights von „Heat“.
Wenn sich nach eineinhalb Stunden Laufzeit Al Pacino und Robert De Niro erstmals in einer Karriere persönlich auf der Leinwand aufeinandertreffen (in „Der Pate 2“ hatten sie keine gemeinsame Szene) und auf Wunsch des Regisseurs ihren Dialog spontan entwickeln, bekommt das Katz- und Maus-Spiel zwischen Cop und Gangster eine ganz neue Dimension. Natürlich lässt der ambitionierte Cop keinen Zweifel daran aufkommen, dass er sein Gegenüber im entscheidenden Moment töten würde, aber De Niros Figur kümmert das kaum. Hier agieren zwei von ihren Leidenschaften Getriebene, auf der jeweils gegenüberliegenden Seite des Gesetzes stehende Figuren auf Augenhöhe.
Tatsächlich sind sie beide bereit, ihr Leben für die Sache zu opfern. Während Hanna sich kein Privatleben erlauben kann und auch seine dritte Ehe zu scheitern droht, lebt McCauley in einem unmöblierten Luxus-Apartment. Schließlich rät er auch seinem spielsüchtigen Schützling Chris, keine Bindungen einzugehen und sich innerhalb von 30 Sekunden von allem lösen zu können.
Geschickt wechseln Mann und sein kongenialer Kameramann Dante Spinotti („Der letzte Mohikaner“, „L.A. Confidential“) immer wieder die Perspektiven zwischen Jägern und Gejagten, nicht nur zwischen den Cops und den Gangstern, sondern auch zwischen Van Zandt und McCauley beispielsweise.
„Heat“ – im Chicagoer Slang ein Synonym für „das Gesetz“ – ist weit mehr als nur eine Geschichte über die Rivalität von Gangstern und Cops, von Verbrechen und Gesetz. Hanna und McCauley sind sich ähnlicher, als es zunächst den Anschein hat. Es ist auch eine Geschichte darüber, was man zu opfern bereit ist, um die eine Sache, für die man brennt, kompromisslos ausüben zu können. Michael Mann gelingt es, atemberaubende Action-Sequenzen wie zu Anfang und zum Ende mit vielen kleinen privaten Episoden aus dem Leben von Hanna auf der einen Seite und von McCauley und seiner wie eine Familie zusammengehörige Truppe anzureichern.
Das wirkt nicht nur wegen der ausschließlich an Originalschauplätzen absolvierten Drehs und den intensiven Vorbereitungen bei der Produktion besonders authentisch, sondern fesselt auch durch die herausragenden Darsteller, die unterkühlte Kameraarbeit und den bedrohlich wabernden Soundtrack mit dem Score von Elliot Goldenthal und Tracks von Lisa Gerrard, Moby, Einstürzende Neubauten, Brian Eno, James, Terje Rypdal und William Orbit bis zum großartigen Finale.
Mittlerweile hat Michael Mann (zusammen mit Meg Gardiner) mit „Heat 2“ eine Fortsetzung zu diesem zeitlosen Meisterwerk in Romanform vorgelegt.
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