Insider

Nach einem etwas holprigen, dennoch bemerkenswerten Start entwickelte sich Michael Mann mit der Adaption des Thomas-Harris-Bestsellers „Roter Drache“, der Neuauflage des Abenteuer-Klassikers „Der letzte Mohikaner“ und nicht zuletzt durch sein meisterhaftes Gangsterepos „Heat“ (1995) zu einem der besten Regisseure in Hollywood. Entsprechend wurde sein Nachfolgewerk „Insider“ (1999) mit großer Spannung erwartet. Den hohen Erwartungen wird das auf wahren Begebenheiten beruhende Drama über die Aufdeckung eines Skandals in der Tabakindustrie in jeder Hinsicht vollauf gerecht. 

Inhalt:

Lowell Bergman (Al Pacino) produziert beim Fernsehsender CBS das renommierte Polit-Magazin „60 Minutes“ und ist ständig auf der Suche nach fesselnden Geschichten. Als er eines Tages für ihn unverständliche Dossiers mit einer Gefährdungsbeurteilung aus der Tabakindustrie von einem anonymen Absender zugeschickt bekommt, gerät er an Dr. Jeffrey Wigand (Russell Crowe), der ihm den Inhalt des Dossiers verständlich darlegen soll. Doch Wigand macht schnell klar, dass er dabei nur an der Oberfläche kratzen kann und aufgrund einer Verschwiegenheitsklausel seinem alten Arbeitgeber, dem Tabakkonzern Brown & Williamson, gegenüber keine detaillierten Informationen offenbaren darf. Doch als Wigand von seinem alten Chef Sandefur (Michael Gambon) gedrängt wird, eine detailliertere Verschwiegenheitserklärung zu unterschreiben und ihm gedroht wird, sein Abfindungspaket zu verlieren, willigt er ein, sich bei „60 Minutes“ von Mike Wallace (Christopher Plummer) interviewen zu lassen. Das passt vor allem den Staatsanwälten Scruggs (Colm Feore), Ron Motley (Bruce McGill) und Mike Moore (der sich selbst spielt) gut in den Kram, die gerade eine Klage gegen die Tabakindustrie vorbereiten. 
Die Manager der – als Big Tobacco bekannte Vereinigung - größten Tabakhersteller haben nämlich einhellig vor Gericht beschworen, dass ihnen keine schädlichen Nebenwirkungen von Nikotin bekannt seien. Wigand behauptet, Sandefor ein Memo über die gesundheitsgefährdenden Zusatzstoffe übermittelt zu haben, die die Suchtwirkung von Nikotin verstärken sollen, was offensichtlich zu seiner Entlassung geführt hat. Obwohl Wigand die Risiken einer Aussage sowohl vor Gericht als auch bei „60 Minutes“ bekannt sind und seine Familie unter dem auch finanziellen Druck zu zerbrechen droht, will er seine Aussage machen. 
Doch nachdem das Interview im Kasten ist, machen die CBS-Geschäftsführer einen Rückzieher. Eine Klage von Big Tobacco könnte den geplanten Verkauf von CBS an Westinghouse gefährden – und damit auch üppige Boni für Eric Kluster (Stephen Tobolowsky) und Don Hewitt (Philip Baker Hall). Bergman fühlt sich allerdings seinem Informanten, der alles riskiert und verloren hat, besonders verpflichtet und findet seinen eigenen Weg, die Story zu veröffentlichen… 

Kritik: 

Dass Michael Mann nicht nur ein begnadeter Stilist ist, sondern auch fesselnde Geschichten erzählen kann, hat er mit „Manhunter – Roter Drache“, „Der letzte Mohikaner“ und „Heat“ hinlänglich unter Beweis gestellt. Mit „Insider“ verfilmte er den Vanity-Fair-Artikel „The Man Who Knew Too Much“ von Marie Brenner und legte dabei größtmöglichen Wert auf Authentizität, sprach zusammen mit seinem Co-Autor Eric Roth („Suspect – Unter Verdacht“, „Forrest Gump“) mit vielen Beteiligten der Geschichte, musste aber besondere Vorsicht walten lassen, denn wie mächtig die Tabakindustrie ist, macht der Film immer wieder deutlich. 
Da Geld keine Rolle spielt und Big Tobacco sich die besten Anwälte leisten kann, wird jegliche Art von Anfeindung im Keim erstickt. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen zwei ganz unterschiedliche Figuren, die allerdings von ihrem Drang, die Wahrheit zu offenbaren, auf einer Seite stehen. In der ersten Hälfte des Films steht vor allem der Chemiker Dr. Wigand im Vordergrund, wobei Russell Crowe („Gladiator“, „A Beautiful Mind“) die ganze Zerrissenheit seiner Figur eindringlich zum Ausdruck bringt. Als er zum letzten Mal seinen Arbeitsplatz verlässt, ist er schon ein gebrochener Mann, doch obwohl ihm und seiner Familie gedroht wird, sein Haus verliert und seine Frau Liane (Diane Venora) die Scheidung einreicht, will er das verbrecherische Gebaren seines Ex-Arbeitgebers an die Öffentlichkeit bringen. 
Die zweite Hälfte des Films nimmt schließlich die Perspektive des ambitionierten Nachrichten-Machers Bergman ein. Sobald die CBS-Führung die Ausstrahlung des Interviews in Frage stellt, läuft „Heat“-Star Al Pacino zu großer Form auf, wenn er für die Verteidigung der Meinungsfreiheit kämpft und damit sogar seinen langjährigen Weggefährten Wallace vor den Kopf stößt. 
Michael Mann verzichtet auf jegliche Action bei diesem intensiv gespielten Drama um die Macht des Geldes, vor der auch die Medien zu kapitulieren drohen. Wie schon bei „Heat“ brilliert Dante Spinottis Kameraarbeit, überzeugt ein stimmungsvoller Soundtrack mit dem Score von Lisa Gerrard und Pieter Bourke sowie Tracks von Gustavo Santaolalla, Jan Garbarek und Massive Attack
Dass „Insider“ bei der Oscar-Verleihung bei sieben Nominierungen nicht eine Trophäe einsacken konnte, ist fast schon skandalös, doch wenigstens wurde Russell Crowe ein Jahr später mit einem Oscar für „Gladiator“ entschädigt.  

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