Julieta

Nicht zuletzt durch sein Oscar-prämiertes Meisterwerk „Alles über meine Mutter“ hat Pedro Almodóvar nicht nur sein Faible für Filme mit charismatischen Frauenfiguren einmal mehr unter Beweis gestellt, sondern auch die Rolle der Frau als Mutter besonders herausgestellt. In eine ähnliche Richtung weist „Julieta“ (2016), ein für den spanischen Filmemacher fast schon ungewöhnlich unspektakuläres Drama, das lose auf drei Geschichten von der kanadischen Autorin Alice Munro basiert. 

Inhalt: 

Julieta (Emma Suárez) ist gerade dabei, die letzten Sachen aus ihrer Madrider Wohnung in Kisten zu verstauen, bevor sie mit ihrem Lebensgefährten Lorenzo (Darío Grandinetti) die Stadt verlässt, um mit dem Autor einen ruhigen Lebensabend in Portugal zu verbringen, da wirft eine zufällige Begegnung auf der Straße alle ihre Pläne über den Haufen. Beatriz (Michelle Jenner) ist nämlich eine Jugendfreundin ihrer Tochter Antía, die vor zwölf Jahren ohne erklärende Worte den Kontakt zu Julieta abgebrochen hat. Von Beatriz, die mittlerweile als Moderedakteurin für die „Vogue“ viel herumkommt, erfährt, dass sie Antía am Comer See mit ihren drei Kindern getroffen habe, dass es ihr gutgehe. 
Die Begegnung hat Julieta so schockiert, dass sie den Umzug ohne Erklärungen absagt und in jenes heruntergekommene Wohnhaus zurückzieht, in dem sie zuletzt mit Antía lebte. Hier beginnt sie, die jüngst erhaltenen Informationen über ihre Tochter in einem Buch festzuhalten und dann die Ereignisse zu rekapitulieren, die sicher auch zur Entfremdung zwischen Mutter und Tochter geführt haben. Als junge Frau (Adriana Ugarte) lernte sie in einem Zug den Fischer Xoan (Daniel Grao) kennen, nachdem sie aus dem eigenen Abteil geflüchtet war, um einem aufdringlichen älteren Herrn zu entfliehen, der sich nach einem Zwischenhalt vor den Zug warf. Mit Xoan, der zwar verheiratet war, dessen Frau aber seit Jahren im Koma lag, begann Julieta eine stürmische Affäre, die nach einem Streit allerdings tragisch endete… 

Kritik: 

Auch wenn Pedro Almodóvar wie so oft in seinen Filmen auch in „Julieta“ zwischen den Zeitebenen hin- und herspringt, präsentiert sich sein 20. Werk als ungewöhnlich geradlinig erzählte Geschichte über eine Frau, die nach allerlei Schicksalsschlägen wieder langsam zu sich selbst finden muss. Nachdem bereits „Zerrissene Umarmungen“ (2009) auf Alice Munros Sammlung „Hateship, Friendship, Courtship, Loveship, Marriage“ (2001) basierte und Almodóvar in „Die Haut, in der ich wohne“ (2011) seine Protagonistin in Munros „Runaway“ (2004) lesen ließ, bilden nun drei Geschichten daraus die Grundlage für „Julieta“
Warum Julieta scheinbar spontan ihren seit einem Jahr thematisierten Umzug nach Portugal platzen lässt, erklärt Almodóvar durch die geschickt eingestreuten Rückblenden, in denen die junge Julieta nicht von ungefähr als Lehrerin für klassische Literatur die Fahrten des Odysseus thematisiert. Almodóvar begnügt sich mit kurzen Episoden, um die leidenschaftliche Beziehung zwischen Julieta und Xoan zu beschreiben, wobei nicht nur Xoans etwas kratzbürstige Haushälterin Marian (Rossy de Palma), sondern auch seine Jugendfreundin Ava (Inma Cuesta) eine Rolle für die weiteren Ereignisse spielen. Dabei wechseln sich Glücksgefühle, schlechtes Gewissen und tragische Unfälle in losem Wechsel ab, sorgen immer wieder für Turbulenzen in Julietas Leben, das völlig aus den Fugen gerät, als Antía tatsächlich ganz aus dem Leben ihrer Mutter verschwunden zu sein scheint. 
Die Verzweiflung macht Almodóvar eindrücklich durch das Ritual deutlich, bei dem Julieta zu Antías Geburtstagen stets eine Torte kaufte, sie mit einer 19, 20 und 21 dekorierte, um sie dann doch in den Mülleimer zu werfen, weil einmal mehr der erhoffte Brief der Tochter nicht eintraf. 
Zwar verzichtet Almodóvar bewusst auf die sonst typischen komödiantischen Einlagen und intersexuelle Bezüge, doch weist das Drama stattdessen nicht die Tiefe auf, die die früheren Dramen in seinem Oeuvre charakterisiert haben. Dabei hätten einige exaltierte Momente sicher für mehr Unterhaltungswert in einem Drama gesorgt, das fast schon zu zahm geraten ist, um wirklich zu fesseln. 

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