Gefährliche Brandung

Mit ihrem Vampir-Drama „Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis“ und dem Cop-Thriller „Blue Steel“ (1990) hat die Filmemacherin Kathryn Bigelow veritable Ausrufezeichen in der Männer-Domäne des Action-Kinos setzen können. Mit „Gefährliche Brandung“ (1991), einer Mischung aus Surfer-Abenteuer-Film und Heist Movie gelang der damaligen Ehefrau von James Cameron („Aliens“, „Avatar“), der den Film auch produziert hat, der endgültige Durchbruch. 

Inhalt: 

Als der junge FBI-Agent Johnny Utah (Keanu Reeves) nach seiner Ausbildung in Quantico von Ben Harp (John C. McGinley) dem alten Hasen Angelo Pappas (Gary Busey) zur Seite gestellt wird, bekommt das ungleiche Duo den Auftrag, eine Reihe von spektakulären Bankrüberfällen aufzuklären. Innerhalb der letzten drei Jahre gehen insgesamt dreißig Überfälle auf das Konto einer extrem effizient arbeitenden Bande, die sich aufgrund ihrer Verwendung von entsprechenden Masken als „die Ex-Präsidenten“ bezeichnen und ihre Raubzüge innerhalb von 90 Sekunden ausüben. Sie beschränken sich stets nur auf das Bargeld an den Schaltern und vermeiden es, auch den Tresorraum auszuräumen. So sind sie bereits über alle Berge verschwunden, bevor auch nur ein Polizist am Tatort auftaucht. Pappas hat jedoch eine – von seinen Kollegen jedoch belächelte – Theorie entwickelt, nach der die Täter aus der Surfer-Szene stammen. Darauf weisen seiner Meinung nach sowohl die Bräunungsgrenze auf entblößten Hautpartien hin, die auf den Überwachungsvideos zu sehen sind, als auch sichergestellte Reste von Wachs, wie es zum Behandeln von Surfbrettern verwendet wird. 
Utah soll sich in die Surfer-Szene einschleusen und von dort aus undercover die Bankräuber ausfindig machen. Bei seinen ersten Gehversuchen auf dem Brett lernt er die hübsche Tyler (Lori Petty) kennen, die sich bereit erklärt, ihm das Surfen beizubringen, und ihn mit ihrem Ex, den Surfguru Bodhi (Patrick Swayze), bekannt macht. Bodhi findet Utah sofort sympathisch und führt ihn in seine Bande ein. Als er sich in Tyler verliebt, fällt es ihm immer schwerer, seinen eigentlichen Auftrag nicht aus den Augen zu verlieren. Dabei läuft ihm allmählich die Zeit davon, denn es steht nur noch ein Einbruch an, bevor sich die Surfer mit dem erbeuteten Geld auf die Reise zur nächsten großen Welle machen, die sie reiten können… 

Kritik: 

Bereits in ihrem von Amir Mokri („Fremde Schatten“, „The Salton Sea“) fotografierten Vorgänger-Film „Blue Steel“ bewies Kathryn Bigelow ein feines Gespür für atmosphärisch dichte Bilder und sorgsam inszenierte Spannung. Bei „Gefährliche Brandung“ tauscht sie die unterkühlten Bilder der Großstadt-Szenerie gegen die atemberaubenden Aufnahmen imposanter Wellen, auf denen begnadete Surfer ihr Können zur Schau stellen. Dabei verknüpft Bigelow geschickt die Ebene des Heist Movies, indem sie sich weniger auf die Planung als auf die rasante Ausführung der Banküberfälle einerseits und die polizeiliche Ermittlungsarbeit andererseits fokussiert, mit der Welt der abenteuerlustigen, adrenalinsüchtigen Surfer-Gemeinde verknüpft. 
Während die Polizeiarbeit eher nebensächlich abgehandelt wird und John C. McGinley als Stations-Chef mit seinem Overacting schon zur Karikatur verkommt, gewinnt „Gefährliche Brandung“ vor allem auf der emotionalen Ebene durch die romantische Liaison zwischen dem adretten undercover agierenden Cop und der attraktiven Surferin sowie Utahs Aufnahme in Bodhis Clique. 
Sowohl die ausgelassene Party bei Bodhi als auch die ausgelassenen Aktivitäten am Strand und auf den Surfbrettern stehen dabei im krassen Gegensatz zu den reglementierten Aktivitäten des FBI, deren Agenten sich mit drögen Observierungsjobs die Nächte um die Ohren hauen müssen. Insofern wird schnell deutlich, warum sich der ambitionierte, aber noch blutjunge FBI-Agent Utah so schnell von dem ansteckenden Geist in der Surfer-Clique begeistern lässt. 
Zwar wirken die Dialoge oft hölzern und die Charaktere wenig differenziert gezeichnet, dafür sorgt die cool inszenierte Action für beste Popcorn-Unterhaltung. Bigelow beschränkt sich dabei nicht nur auf die Banküberfälle, sondern fängt in schönen Zeitlupen-Aufnahmen auch den Nervenkitzel ein, den die Sportler beim Ritt auf den Wellen empfinden müssen, und würzt das Ganze noch mit ebenfalls toll inszenierten Fallschirm-Sprüngen, die den Beteiligten einen noch stärkeren Kick verleihen. 
Keanu Reeves unternahm mit „Gefährliche Brandung“ einen ersten Schritt zum Action-Star, wie er ihn in „Speed“ und den „Matrix“- und „John Wick“-Reihen verkörpern sollte, Patrick Swayze („Dirty Dancing“, „Ghost – Nachricht von Sam“) war in der ungewohnten Rolle (und mit gewöhnungsbedürftigem Aussehen) als charismatischer Surfer-Guru zu erleben, während Gary Busey („Drop Zone“, „Lost Highway“) ausnahmsweise mal eine sympathische Figur verkörpern durfte. Nach der Scheidung von James Cameron im Jahr 1991 hatte Bigelow einige Jahre Probleme, an ihre gelungenen Anfänge anzuknüpfen, denn nach dem Sci-Fi-Thriller „Strange Days“ (1995) versanken ihre Filme „Das Gewicht des Wassers“ (2002) und „K-19 – Showdown in der Tiefe“ (2002) komplett in der Versenkung, bevor sie mit dem Oscar-prämierten Kriegs-Drama „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“ (2008) ein furioses Comeback feiern durfte und als erste Frau mit einem Oscar für die beste Regie ausgezeichnet wurde.

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