High Heels

Nach den internationalen Erfolgen von „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ und „Fessle mich!“ war Pedro Almodóvar definitiv zum wichtigsten Filmemacher in Spanien nach Luis Buñuel avanciert. Der für seine freizügig-provakante und schrille Art bekannte Regisseur ist Anfang der 1990er Jahre definitiv erwachsener geworden, hat mit „High Heels“ (1991) ein fesselndes Melodram über eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung inszeniert, das vor allem durch seine beiden herausragenden Darstellerinnen Victoria Abril und Marisa Paredes und eine sehr dekorative Inszenierung brilliert. 

Inhalt: 

Die TV-Nachrichtenmoderatorin Rebecca (Victoria Abril) erwartet sehnsüchtig die Rückkehr ihrer Mutter, der gefeierten Schauspielerin und Sängerin Becky del Paramo (Marisa Paredes), die vor 15 Jahren nach Mexico gewandert war und das Kind in Madrid zurückgelassen hatte. Seither hat die eher zurückhaltende Rebecca alles versucht, in die übergroßen Fußstapfen ihrer egozentrischen Mutter zu schlüpfen – mit der pikanten Note, dass sie mit Manuel (Féodor Atkine) nicht nur ihren Chef, sondern auch den ehemaligen Liebhaber ihrer Mutter geheiratet hat. Das erfährt Becky allerdings erst nach ihrer Ankunft in Madrid, was das gemeinsame Essen mit Manuel zu einer delikaten Angelegenheit macht, zumal Manuel noch immer Gefühle für die große Diva hat und sich von Rebecca scheiden lassen möchte. Bei dem anschließenden Besuch eines Travestieclubs spitzt sich die Situation noch zu. Die Dragqueen Letal (Miguel Bosé) singt in täuschend echter Verkleidung Songs von Becky del Paramo und bietet Rebecca nach dem Auftritt in ihre Garderobe, wo sie Letal beim Ablegen des Kostüms helfen soll. Kaum hat sie dabei ein Muttermal auf Letals Eichel entdeckt, verführt Letal die sexuell frustrierte Rebecca zu einem akrobatischen Quickie. 
Wenig später wird Manuel in seiner Wohnung erschossen aufgefunden. Weder seine Geliebte, die Taubstummen-Übersetzerin Isabel (Miríam Díaz Aroca), noch Rebecca oder ihre Mutter wollen mit Manuels Tod etwas zu tun haben, doch dann gesteht Rebecca in ihrer Nachrichtensendung vor aller Augen den Mord an ihrem Mann. 
Der Untersuchungsrichter Juez Domínguez (Miguel Bosé) steckt Rebecca ins Gefängnis, doch so ganz glauben tut er ihr nicht, weshalb er Mutter und Tochter noch einmal genauer ins Visier nimmt… 

Kritik: 

Wie schon in seinen früheren Werken gelingt es Pedro Almodóvar auch mit „High Heels“ auf scheinbar natürliche Weise, verschiedene Genres miteinander zu verknüpfen. Vordergründig erzählt er von einer schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung, deren Natur er – während die vernachlässigte Tochter am Flughafen auf die Ankunft ihrer 15 Jahre lang abwesenden Mutter wartet – mit zwei kleinen Rückblenden auf prägende Kindheitserlebnisse kurz, aber prägnant andeutet. 
Dass sich Mutter und Tochter den gleichen Mann geteilt haben, macht die Figurenkonstellation noch pikanter. Dieser melodramatische Rahmen, in dem sich Mutter und Tochter wieder näherkommen wollen, wird allerdings durch die Almodóvar-typischen Elemente der Komödie und Groteske ebenso ergänzt wie durch einen klassischen Whodunit-Thriller-Plot, wobei einige skurrile Personen wie der Transvestit Letal/Untersuchungsrichter Domínguez/Hugo in Personalunion und knallige Dekors „High Heels“ perfekt abrunden. Hier bringt der Filmemacher nicht nur die nach Francos Tod entstandene Kulturbewegung Movida Madrileña zum Ausdruck, sondern auch seine proklamierte Vorliebe für die kitschigen Hollywood-Filme von Douglas Sirk („Eine abenteuerliche Frau“, „Was der Himmel erlaubt“). Auf der anderen Seite webt er auch geschickt einen direkten Bezug zu Ingmar Bergmans „Herbstsonate“ ein. 
„High Heels“ ist voller wunderbarer Momente. Dazu gehört die von Miles Davis‘ „Solea“ musikalisch wundervoll eröffnete Anfangssequenz, Letals Performance in dem Travestieclub und die anschließende Sex-Szene in der Garderobe sowie Rebeccas Mordgeständnis vor laufender Kamera (hier hat Javier Bardem einen Mini-Auftritt). 
Almodóvar bleibt im Kern aber bei Mutter und Tochter und findet hier einen gelungenen Aufbau, um die Hassliebe zwischen den beiden Frauen erst zu illustrieren, dann aber auch aufzulösen. Dabei gibt er sowohl Marisa Paredes als auch Victoria Abril sehr viel Raum, um ihre Rollen vielschichtig auszufüllen und vor allem ihre Weiblichkeit in leuchtenden Rot-Tönen und mit schrillen musikalischen Einlagen zu feiern.  

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