Das Kloster des heiligen Wahnsinns

Nach seinen ersten beiden Low-Budget-Produktionen „Pepi, Luci, Bom und der Rest der Bande“ (1980) und „Labyrinth der Leidenschaften“ (1982) setzte sich der spanische Filmemacher Pedro Almodóvar in seinem dritten Werk „Das Kloster des heiligen Wahnsinns“ (1983) ironisch mit der erzkatholischen Natur seines Heimatlandes auseinander. Dabei stellte er vor allem die Beziehungen der Nonnen eines kleinen Klosters und ihrer Schützlinge in den Mittelpunkt. Bereits mit diesem Frühwerk werden einige der immer wiederkehrenden Elemente in den Filmen Almodóvars thematisiert, die Auseinandersetzung mit der Religion ebenso wie mit Frauenschicksalen. 

Inhalt: 

Die Nachtclubsängerin Yolanda (Cristina Sánchez Pascual) versorgt ihren Freund regemäßig mit Heroin, doch als eine Dosis mit Strychnin versetzt worden ist und ihren Freund tötet, flüchtet sie aus Angst vor unangenehmen Fragen der Polizei in das nahegelegene Kloster der Erniedrigten Erlöserinnen. Die Schwester Oberin (Julietta Serrano) hatte sich zuvor als Bewunderin der Sängerin offenbart und in der Umkleide des Clubs um ein Autogramm gebeten. 
Das Kloster, das sich vor allem um gefallene Mädchen von der Straße – Mörderinnen, Diebinnen, Drogenabhängige, Prostituierte – kümmert, hat allerdings schon bessere Zeiten gesehen. Nach dem Tod ihres früheren Förderers, dessen Tochter Virginia Zuflucht im Kloster gesucht hat und nach Afrika ausgewandert ist, stehen die Nonnen mittellos dar, denn die geizige Witwe (Mary Carrillo) des Marquis hat die üblichen Zahlungen eingestellt. Während die Nonnen darauf warten, dass sich der etwas heruntergekommene Seitenflügel wieder mit sündigen Frauen füllt, gehen sie ihren eigenen Gelüsten nach. Die Oberin nimmt nicht nur selbst Heroin und verleitet auch Yolanda zum Konsum, obwohl die Sängerin doch von ihrer Sucht loskommen wollte, sondern ist Yolanda vom ersten Augenblick an verfallen. Ihre Gefährtinnen tragen nicht nur für Nonnen ungewöhnliche Namen, sondern legen auch ein eigenwilliges Verhalten an den Tag: Schwester Straßenratte (Chus Lampreave) verfasst unter Pseudonym erfolgreiche Schundliteratur mit Titeln wie „Sündiges Fleisch und wilde Nächte“ und „Sekretärinnen im Tal der Tränen“, Schwester Chaos (Carmen Maura) hat einen Reinlichkeitsfimmel und kümmert sich um den ausgewachsenen Tiger Eros, den das Kloster als Haustier hält. Schwester Kot (Marisa Peredes) gibt ihre LSD-Trips als göttliche Visionen aus und leidet unter einem Selbstbestrafungskomplex, während Schwester Kobra (Lina Canalejas) der Jungfrau Maria ständig neue modische Outfits schneidert und in den kettenrauchenden Kaplan (Manuel Zarzo) verliebt ist. 
Während der Feierlichkeiten zum Namenstag der Mutter Oberin, zu der auch die Äbtissin des Mutterhauses eingeladen ist und das Bestehen des Klosters sichern soll, singt Yolanda zu Ehren der Oberin in höchst erotischen Posen. Das kommt bei der Äbtissin allerdings überhaupt nicht gut an… 

Kritik: 

Almodóvar macht in „Das Kloster zum heiligen Wahnsinn“ keinen Hehl daraus, dass er genüsslich die christlichen Mythen und Traditionen in Spanien ironisiert, doch stellt er die Nonnen überwiegend als Frauen mit mehr oder weniger gewöhnlichen Schwächen dar. Dass dabei natürlich besonders religiöse und insbesondere katholische Elemente in den Mittelpunkt rücken, verleiht der Komödie ihren besonderen Reiz. Almodóvar macht die Nonnen zu Verbrecherinnen, die andere Sünderinnen auf ihrem Weg zur Erlösung begleiten. Ausgerechnet die Schwester Oberin stellt sich nicht nur als lüsterne Lesbierin, sondern auch als Heroinabhängige heraus, während Schwester Kot mit ihren Selbstkasteiungen schon wie eine Karikatur religiöser Eiferer wirkt, wenn sie sich Nadeln durch die Wange sticht, ohne Schuhe auf Glasscherben herumläuft und auf einem Nagelbett schläft. 
Dass der katholische Filmdienst den Film als „überaus langweilige frühe Komödie von Pedro Almodovar“ und als eine „Aneinanderreihung von platten Witzen und Geschmacklosigkeiten“ betrachtet, überrascht kaum. Doch Almodóvar ist mehr an den Menschen mit ihren Schwächen und Abhängigkeiten interessiert als an den moralischen Vorstellungen der katholischen Kirche. Sie bilden nur den Rahmen für eine ebenso derbe wie vergnügliche Auseinandersetzungen mit allzu menschlichen Empfindungen, Hoffnungen und Träumen. Der domestizierte Tiger verweist dabei auf die Natur des Menschen und bringt einen Hauch von Abenteuer in das Kloster, ebenso wie die in Afrika verschollene Tochter der Marquesa. 
Auch wenn „Das Kloster zum heiligen Wahnsinn“ noch kein ganz großer Almodóvar ist, sind in ihm doch schon die Grundelemente seines späteren Oeuvres zu sehen, der Fokus auf Frauenschicksale ebenso wie die Nahaufnahmen und Draufsichten.  

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