Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs
Nachdem sein vorangegangener Spielfilm „Das Gesetz der Begierde“ der erste Film gewesen war, der in Deutschland gezeigt wurde, durfte Pedro Almodóvar ein Jahr darauf mit der Komödie „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ (1988) seinen internationalen Durchbruch feiern. Einmal mehr brilliert Carmen Maura in der Hauptrolle, ist Antonio Banderas in der ungewohnten Rolle eines Brille tragenden, leicht stotternden jungen Mannes zu sehen. Sie sind jedoch nur Teil eines verschrobenen Ensembles, das mit Liebe, Verlust und Verrat zu kämpfen hat.
Inhalt:
Nach einer unruhigen Nacht, in der sie nur durch die Einnahme von Schlaftabletten zur Ruhe gekommen ist, verpasst Pepa (Carmen Maura) ihren Einsatz als Synchronsprecherin an der Seite ihres Geliebten Iván (Fernando Guillén), der sie jedoch vor kurzem verlassen hat. Als sie ins Studio kommt, ist Iván schon fort, offenbar auf dem Weg zum Flughafen, wo er in mutmaßlich weiblicher Begleitung in einen Flieger nach Stockholm steigen wird. Zuvor bat er Pepa telefonisch, ihm ein paar Sachen in einen Koffer zu packen, den er unterwegs abholen würde.
Da Pepa und Iván sich ständig verpassen, kommt Pepa nicht dazu, ihm zu sagen, dass sie ein Kind von ihm erwartet. Als sie versucht, über dessen Frau Lucía (Julieta Serrano) an ihren früheren Geliebten heranzutreten lernt sie zum ersten Mal Iváns Sohn Carlos (Antonio Banderas) kennen. Der steht wenig später mit seiner Freundin Marisa (Rossy de Palma) ebenso vor ihrer Tür, um die Wohnung zu besichtigen, die sie zur Vermietung annonciert hat, wie ihre Freundin Candela (María Barranco), die völlig verzweifelt ist, weil sie sich in einen Mann verliebt hat, der sich als schiitischer Terrorist entpuppt hat. Nachdem Carlos der Polizei einen anonymen Tipp gegeben hat, dass schiitische Terroristen in dem Flugzeug nach Stockholm eine Bombe platziert haben, stehen auch noch zwei Cops vor der Tür. Ein Telefontechniker und Iváns labile Ex-Frau Lucía machen das Chaos in Pepas Wohnung komplett…
Kritik:
Jean Cocteaus „Die menschliche Stimme“ hat bereits in „Das Gesetz der Begierde“ eine kleine Rolle gespielt, für „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ hat Almodóvar das Skript zu großen Teilen an Cocteaus Stück ausgerichtet. Bereits die ersten Szenen machen wunderbar deutlich, wie die Frauen und Männer aneinander vorbeilaufen, aneinander vorbeileben. Da synchronisieren Iván und Pepa getrennt voneinander die romantischste Szene aus Nicholas Rays „Johnny Guitar – Wenn Frauen hassen“ mit Sterling Hayden und Joan Crawford in den Hauptrollen, dann flaniert in einer schwarzweiß gedrehten Szene Iván mit einem Mikro einen Gang entlang, auf dem er Frauen ganz unterschiedlicher Herkunft abgedroschene Liebesschwüre darbietet.
Pepa ist schließlich so genervt, dass sie mit Iván nur über den Anrufbeantworter kommuniziert, weil sie sich nie erreichen, dass sie das Telefon aus dem Fenster auf die Terrasse wirft, die von verschiedenen Haustieren bevölkert wird. Doch das ist nur der Anfang einer wahnwitzigen Odyssee, in der Pepas Wohnung nicht nur von immer mehr Menschen bevölkert wird, die sich nach dem Genuss des Gazpachos, den Pepa mit Schlaftabletten angemischt hat und der eigentlich für Iván gedacht war, nach und nach irgendwo in der Wohnung schlafen legen. Marisa macht den Anfang und wacht auch erst zum Finale wieder auf, ist dann aber wie ein neuer Mensch mit reinerer Haut und einem glückseligen Gesicht. Schließlich hat sie geträumt, dass sie entjungfert worden ist. Carlos und Candela nutzen Marisas Nickerchen aus, um sich ineinander zu verlieben, doch für Pepa und Lucía bleibt nur die Enttäuschung, von Iván verlassen worden zu sein.
Almodóvar gelingt es, bei dem Trubel komische und tragische Elemente im Fluss miteinander zu verbinden. Der Plot wird von den unübersichtlich werdenden Ereignissen so vorangetrieben, dass sich keine Stimmung lange hält, da sie nach wenigen Sekunden schon wieder von einer neuen Empfindung abgelöst wird. Auch wenn einige Männer die Szenerie bevölkern, spielen sie doch eher am Rand des Geschehens. Almodóvar interessiert sich – wie so oft – vor allem für die weiblichen Figuren, denen es jeweils auf ihre ganz eigene Art gelingt, sich aus den unglückseligen Situationen zu lösen und wieder nach vorn zu sehen.
Bis zu „Volver – Zurückkehren“ (2006) war dies leider schon die vorerst letzte Zusammenarbeit zwischen dem Regisseur und der großartigen Carmen Maura, die durch den internationalen Erfolg von „Die Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ nun auch von anderen Filmemachern gefragt war.
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