Mein blühendes Geheimnis

Nachdem Pedro Almodóvar mit „High Heels“ (1991) sein erstes echtes Melodram inszeniert hatte, kehrte er mit „Kika“ wieder zu den wilden Ensemble-Komödien zurück, die ihn in Spanien bekannt gemacht haben, doch ist diese Rückbesinnung weder besonders originell gelungen, noch wurde sie von den Kritikern geschätzt. Mit „Mein blühendes Geheimnis“ (1995) knüpfte der Filmemacher aus La Mancha wieder an sein Faible für melodramatische Stoffe an und lieferte ein für ihn typisches Frauen-Drama mit einer überragenden Marisa Paredes („High Heels“) in der Hauptrolle. 

Inhalt: 

Die erfolgreiche, in Madrid lebende Schriftstellerin Leocadia Macías (Marisa Paredes) hadert mit ihrem Schicksal. Seit ihr Paco (Imanol Arias) als Offizier in der Armee zur NATO nach Brüssel gegangen ist und an der Friedensmission in Bosnien teilnimmt, droht die ohnehin kriselnde Ehe vollends zu zerbrechen. Den einzigen Trost findet sie in der Arbeit, doch würde sie lieber Romane wie ihre Lieblingsschriftstellerinnen Virginia Woolf, Djuna Barnes, Tania Blixen, Jean Rhys und Janet Frame schreiben als die kitschigen, sehr erfolgreichen Liebesromane, die sie unter dem Pseudonym Amanda Gris für ihre Verleger Alicia (Gloria Muñoz) und Tomás (Juan José Otegui) abzuliefern hat. Bei ihrer einzigen Freundin, der Psychologin Betty (Carme Elias), versucht sich Leo auszuweinen, doch Betty drängt die labile Frau nur dazu, sich endlich der Wirklichkeit zu stellen, als nur in ihren Phantasien und Sehnsüchten zu leben. 
Leo nimmt zumindest ihren Rat an, sich bei dem Redakteur Ángel (Juan Echanove) von „El País“ zu melden, dem sie einen unveröffentlichten ernsten Roman und zwei Essays überreicht, damit er sich einen Eindruck von ihrer Schreibe bilden kann. 
Ángel ist nicht nur von den Manuskripten, sondern auch von Leo selbst angetan, doch Leo fiebert allein dem 24-stündigen Heimaturlaub ihres Mannes entgegen. Ihre Haushälterin Blanca (Manuela Vargas) hat schon eine Paella vorbereitet, doch der sehnlichst erwartete Besuch von Paco erweist sich als große Enttäuschung. Nach der Dusche macht er sich bereits wieder auf den Weg und gibt Leo zu verstehen, dass er keine Möglichkeit mehr sieht, ihre Ehe zu retten. Als sich Leo mit Schlaftabletten das Leben nehmen will, ist es ausgerechnet ihre Mutter Jacinta (Chus Lampreave), die sie ins Leben zurückholt. Gegen den Willen von Leos Schwester Rosa (Rossy de Palma), bei der ihre Mutter lebt, will die alte Dame nämlich wieder in ihr Heimatdorf zurückkehren… 

Kritik: 

Mit „Mein blühendes Geheimnis“ beweist Almodóvar einmal mehr, dass er das Rad und sich selbst nicht ständig neu erfinden muss, sondern einfach seinem feinen Gespür für das Leiden der Frauen folgen muss, um bemerkenswerte Filme abzuliefern. Dabei lässt er einmal mehr die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen. Wenn in der ersten Szene eine Frau namens Manuela (Kiti Mánver) von zwei Ärzten informiert wird, dass ihr Sohn nur noch künstlich beatmet werde, sein Gehirn aber tot sei, wehrt sie sich gegen die Realität und will sich auch nicht mit der Möglichkeit auseinandersetzen, dass die Organe ihres 16-jährigen Sohnes andere Leben retten könnten. 
Es stellt sich dann aber heraus, dass es sich um eine gespielte Szene handelt, die in einem von Betty geleiteten Seminar für das Nationale Transplantationskomitee inszeniert worden ist. Die Szene ist aber auch symptomatisch für das Leben von Bettys Freundin Leo, die nicht wahrhaben will, dass ihre Ehe mit Paco am Ende ist, die es allerdings auch nicht schafft, sich aus dem drei Jahre umfassenden Vertrag zu lösen, der sie dazu verpflichtet, eine gewisse Anzahl von Liebesromanen zu verfassen, deren Attribute ebenfalls schon festgelegt sind: „Staatssekretäre, Yuppies, suggestiver Sex, dezent suggeriert, keine Politik, uneheliche Kinder, so viele du willst, gesellschaftliches Bewusstsein ist zu vermeiden. Und natürlich immer ein glückliches Ende!“ 
Almodóvar lässt seine Protagonistin aber nicht im Meer der Tränen elendig ertrinken, sondern bietet ihr verschiedene Auswege. Zum einen wird ihr ernsthafter Roman, den sie im Hausmüll entsorgt hat, von Blancas Sohn Antonio (Joaquín Cortés) entwendet und zur Vorlage eines erfolgreichen Stückes, für das er seine Mutter endlich wieder als Flamenco-Tänzerin auf die Bühne zurückbringt. 
Zum anderen findet sie sowohl in dem Kulturredakteur Ángel als auch in ihrer Mutter Personen, die sie aus ihrem seelischen Tief herausholen. Almodóvar versteht es, diesen Entwicklungsprozess ohne psychologische Klischees und übertriebene Melodramatik zu inszenieren. Insofern wirkt gerade die Figur der Leo – auch dank der pointierten Darstellungskunst von Marisa Paredes – sehr authentisch. „Mein blühendes Geheimnis“ stellt auch den Beginn der langjährigen Zusammenarbeit zwischen Almodóvar und dem Komponisten Alberto Iglesias dar, der mit seiner Musik die richtige Mischung aus melancholisch angehauchten Melodien mit munter verspielten Klängen findet.  

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