Im Banne des Dr. Montserrat

Neben Hammer Films und Amicus Productions avancierte die 1966 von Tony Tenser gegründete Firma Tigon British Film Productions zum dritten großen britischen Zugpferd in Sachen Horrorproduktionen. Dabei stellte die zweite Regiearbeit von Michael Reeves nach „The She Beast“ (1966) das Debüt der Produktionsfirma da, die bis Anfang der 1970er Jahre über zwanzig weitere Genre-Werke veröffentlichte, darunter „Der Hexenjäger“ (1968) mit Vincent Price in der Hauptrolle und „Gänsehaut“ (1969). Für die Hauptrolle in „Im Banne des Dr. Montserrat“ (1967) konnten Tenser und Reeves Horror-Ikone Boris Karloff gewinnen. 

Inhalt: 

Der Hypnotiseur Prof. Marcus Monserrat (Boris Karloff) lebt mit seiner Frau Estelle (Catherine Lacey) in einer kleinen und schäbigen Mietwohnung im Londoner East End – und wartet darauf, dass sich jemand auf seine Anzeige meldet, die beim Tabakladen neben anderen Annoncen aushängt. Nachdem er nämlich eine Apparatur entwickelt hat, mit der der Wissenschaftler nicht nur den Willen eines Menschen beeinflussen, sondern auch seine Empfindungen miterleben kann, braucht er nur noch ein menschliches Versuchsobjekt. Das findet Montserrat in dem jungen Mike Roscoe (Ian Ogilvy), der mit Nicole (Elizabeth Ercy) und Alan (Victor Henry) gelangweilt von einem Club zum nächsten zieht und nach einer Auseinandersetzung mit seinen Begleitern einen Spaziergang unternimmt. 
Da er nichts besseres zu tun hat, begleitet Mike im leicht angetrunkenen Zustand den alten Mann in dessen Wohnung, wo Mike an eine futuristische Maschine angeschlossen wird, die ihn in einen nie erlebten Zustand der Ekstase versetzen soll. Nachdem der Professor Mike in Trance versetzt hat, lässt er ihn durch die Wohnung gehen und schließlich ein Ei aus dem Kühlschrank holen und in seiner Hand zerbrechen. Das Experiment scheint zu funktionieren, denn Mike folgt nicht nur den Anweisungen des Hypnotiseurs, sondern das alte Ehepaar spürt ebenfalls den Glibber des zerbrochenen Eis. Nach Beendigung des Experiments entlässt Marcus den jungen Mann, der sich natürlich an nichts erinnern kann. Doch steht er noch immer – nichts ahnend – im Banne des Hypnotiseurs. Um die Reichweite ihres Einflusses zu überprüfen, lassen Marcus und Estelle Mike zurück in den Club gehen, wo dieser Nicole einlädt, in ein bereits für den Publikumsverkehr geschlossenes Schwimmbad zu gehen und ins Wasser zu springen. Vor allem Estelle von den geteilten Empfindungen so begeistert, dass sie – zum Entsetzen ihres Mannes - einen Schritt weitergehen will. Während Marcus nämlich seine Apparatur dazu verwenden möchte, älteren, vom Leben abgekoppelten Menschen aufregende Impulse zu vermitteln, sieht Estelle die Möglichkeit, ihr tristes Dasein durch Mike mit immer aufregenderen Sinneseindrücken aufzupeppen. Sie lässt Mike zunächst einen wertvollen Pelz stehlen, genießt den Geschwindigkeitsrausch auf einem Motorrad und schließlich auch Mord. Marcus scheint zu schwach zu sein, um seiner Frau etwas entgegenzusetzen … 

Kritik: 

Leider verstarb Drehbuchautor und Regisseur Michael Reeves bereits im Alter von 25 Jahren an den Folgen des Missbrauchs von Medikamenten, die er gegen die einer Depression geschuldeten Schlaflosigkeit einnahm. So sollte sein dritter und bekanntester Film „Der Hexenjäger“ bereits sein letzter bleiben. Doch schon mit „Im Banne des Dr. Montserrat“ bewies Reeves sein Talent, zukunftsweisende Themen in kleine Low-Budget-Filme zu verpacken. Hier geht es um nichts weniger als den Traum, ein aufregenderes Leben (als das eigene es ermöglicht) nachzuempfinden. 
Wie schmal der Grat zwischen dem einfachen zusätzlichen Adrenalinkick und zerstörerischen Wunschvorstellungen ist, verkörpern der große Boris Karloff in einer seiner letzten Rollen und die bekannte Theaterschauspielerin Catherine Lacey, die bereits in den beiden Hammer-Produktionen „Schatten einer Katze“ (1960) und „Der Fluch der Mumie“ (1966) zu sehen war, als zunehmend ungleiches Ehepaar. 
Während Marcus seine Erfindung nämlich für das Gemeinwohl des Menschen konzipiert hat, sieht Estelle darin die Chance, mit der Apparatur all das nachzuholen, was ihr während ihres entbehrungsreichen Lebens vorenthalten wurde. Dazu bieten sich die Swinging Sixties als Spielwiese geradezu an, denn der freizügige Lebensstil mit peppiger Musik, körperbetonten Outfits und leichter Sexualmoral bietet all das, was der älteren Generation noch verweht geblieben war. Doch mit der Figur des gelangweilten Mike wird schon herausgehoben, dass diese neugewonnene Freiheit nicht unbedingt mit dauerhafter Aufregung und Abwechslung verbunden ist. Diese Erfahrung erleben die Montserrats auf tragische Weise. 
„Im Banne des Dr. Montserrat“ fesselt weniger durch seine Inszenierung. Karloff und Lacey bewegen sich kaum aus ihrer einengenden Wohnung heraus. Ihre Darstellungen bleiben meist auf die eindrucksvolle Mimik beschränkt. Was im 21. Jahrhundert die sozialen Netzwerke mit dem mannigfaltigen, endlosen Teilen von Statusmeldungen und Fotos darstellen, findet in Reeves‘ Film in Montserrats futuristischen Apparatur seine frühe Entsprechung. Mike wirkt als Montserrats Marionette wie Mensch, der ganz von fremden Einflüssen gesteuert wird, so wie auch der postmoderne Mensch von Erwartungen geprägt wird, die Werbung und Medien so geschickt steuern. Reeves paart die soziokulturelle Aussage seines Films dabei gekonnt mit dem Lebensgefühl der Swinging Sixties, wobei die Szenen in den Clubs besonders gut den damaligen Zeitgeist einfangen.  

Kommentare

Beliebte Posts