The Power of the Dog

Seit ihrem dreifach Oscar-prämierten Meisterwerk „Das Piano“ (1993) ist von der neuseeländischen Filmemacherin Jane Campion nicht mehr allzu viel Bemerkenswertes zu sehen gewesen, am ehesten noch das nachfolgende Drama „Portrait of a Lady“ (1996). Ihr letzter Film „Bright Star“ reicht sogar bis Jahr 2009 zurück. Dafür meldet sie sich nun mit dem Western-Drama „The Power of the Dog“ umso eindrucksvoller zurück und treibt dabei vor allem Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch zu einer seiner besten Leistungen an. 

Inhalt: 

Die beiden Brüder Phil (Benedict Cumberbatch) und George Burbank (Jesse Plemons) betreiben im Jahr 1925 eine große Ranch in Montana, die ihnen ein ordentliches Einkommen beschert, verfolgen aber jeweils ganz eigene Pläne. Während der kluge, aber wortkarge und menschenfeindliche Phil in alter Cowboy-Manier die Zügel in der Hand hält, ordentlich anpackt und abends mit seinen verdreckten Klamotten ins Bett steigt, kleidet sich der ruhige und schlichte George gern mit schicken Anzügen, erfreut sich am kürzlich erworbenen Automobil und nimmt abends ausgiebige Bäder, bevor er zu Bett geht. Als die beiden während ihres Viehtriebs im Gasthaus der verwitweten Rose (Kirsten Dunst) einkehren, ist George von der Frau sofort angetan und sieht in ihr die Chance, aus dem Schatten seines Bruders zu treten und seinen eigenen Weg zu gehen. Während sich Phil über Roses linkisch und mädchenhaft auftretenden Sohn Peter (Kodi Smit-McPhee) lustig macht und sich immer wieder gern in Erinnerungen an seinen verstorbenen Mentor Bronco Henry verliert, der sein archaisches Männerbild stark geprägt zu haben scheint, heiratet George heimlich Rose, die daraufhin auf die Farm der Brüder zieht. Dort lässt Phil sie bei jeder Gelegenheit spüren, wie wenig er von ihr hält, glaubt er doch, dass sie seinen Bruder nur des Geldes wegen geheiratet hat. 
Als George seine Frau seinen Eltern und dem Gouverneur (Keith Carradine) vorstellen will, kauft er seiner Frau extra ein Piano, auf dem er sie vorspielen lassen will, doch versagt sie dabei auf ganzer Linie, wird von Phil einmal mehr runtergemacht und sucht zunehmend im Alkohol Trost. Als Peter in seinen Semesterferien ebenfalls auf die Ranch kommt, ändern sich allerdings die Verhältnisse. Der zuvor so mürrische, abweisende und verletzende Phil bringt dem schüchternen Peter das Reiten bei und verbringt ungewöhnlich viel Zeit mit dem jungen Mann, was gerade Rose skeptisch beobachtet … 

Kritik: 

Eigentlich wollte Jane Campion noch gar keinen neuen Film in Angriff nehmen, doch als sie den bereits 1967 erschienenen Roman von Thomas Savage las, war sie so gefesselt von der Geschichte, dass sie sogar selbst das Drehbuch zur Romanadaption schrieb und mit Benedict Cumberbatch („The Imitation Game“, „Patrick Melrose“) und Kirsten Dunst („Interview mit einem Vampir“, „Melancholia“) zwei großartige Darsteller für die Verfilmung gewinnen konnte. 
Vor der beeindruckenden Kulisse, die Montanas Berge und Landschaft darstellen soll (aber in Neuseeland gedreht wurde), präsentiert sich „The Power of the Dog“ zunächst wie eine leichte Variation von Campions Erfolgsfilm „Das Piano“, steht doch neben der Rivalität zwischen den beiden ungleichen Brüdern vor allem das Schicksal der geschiedenen Rose zunächst im Mittelpunkt der Geschichte. Doch während in „Das Piano“ die pure Leidenschaft den Mann antreibt, die geschiedene und stumme Ada zu seiner Frau zu nehmen, sind es bei George eher pragmatische Gründe, nämlich seine Einsamkeit zu beenden und Abstand zu seinem dominanten Bruder zu gewinnen. 
Campion lässt sich Zeit, die Beziehung zwischen George und Phil zu charakterisieren, wobei ihr wenige, aber stark pointierte Szenen genügen. Interessant wird der Film aber erst, sobald die Beziehung zwischen Phil und Peter in den Vordergrund rückt, wie Phil als väterlicher Mentor auftritt, dem bislang wenig männlich auftretenden Studenten das Reiten beibringt, mit ihm Hasen fängt und ihn in die Kunst des Flechtens einführt. Hier wechselt das Drama vom „Das Piano“-Szenario zu Ang Lees „Brokeback Mountain“, wobei Annie Proulx als Autorin der hier zugrundeliegenden Kurzgeschichte auch als Beraterin bei „The Power of the Dog“ fungierte. 
Mit ihrem neuen Film zeigt Campion den Wandel des Männlichkeitsbildes auf. Der großartig von Cumberbatch verkörperte Phil steht zunächst für das archaische Ideal des starken, anpackenden Mannes, der hart dafür arbeitet und sich daher nimmt, was er will. Wie sehr er seine eigene Persönlichkeit aber unterdrückt, wird schon in der Szene deutlich, als er seinen Bruder und Rose im Nebenzimmer beim Sex hört und er daraufhin sein Zimmer verlassen muss, aber vor allem in der unerwarteten Annäherung an Peter. Mit der sorgfältig und gefühlvoll ausgebreiteten Beziehung zwischen den beiden Männern gerät zwar die Geschichte zwischen Rose und George komplett in den Hintergrund, aber scheint es in dieser Hinsicht auch keine interessante Entwicklung mehr zu geben. Rose verfällt dem Alkohol, weil sie sich in der Männerwelt nicht behaupten kann, ihr Mann kann nur tatenlos zusehen, weil er hinter der glänzenden Oberfläche zu schwach ist, sich gegen seinen Bruder durchzusetzen. 
Zwar weist „The Power of the Dog“ einige Längen und Schwächen auf, aber die beeindruckenden Bilder, der etwas sperrige Score von Jonny Greenwood („The Master“, „There Will Be Blood“) und die großartigen Darsteller dürften den Film zu einem heißen Oscar-Kandidaten machen.  

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