War es wirklich Mord?

1964 versuchte Hammer Films, mit dem Psycho-Thriller „Das düstere Haus“ neue Wege abseits der ausgetretenen Pfade im Abenteuer- und Horror-Film-Genre zu betreten, wobei sie der Hollywood-Legende Tallulah Bankhead in der Hauptrolle ein sehenswertes Comeback ermöglichten. Mit einem ähnlichen Gedanken dürfte die britische Filmschmiede ein Jahr später die Produktion von „War es wirklich Mord?“ angegangen sein. Die Verfilmung des Romans „The Nanny“ von Evelyn Piper alias Merriam Modell nach einem Drehbuch von Jimmy Sangster bot Oscar-Preisträgerin Bette Davis in der Rolle des Kindermädchens auf. 

Inhalt: 

Nach zwei Jahren in einer psychiatrischen Einrichtung wird der zehnjährige Joey (William Dix) von seinem Vater, dem königlichen Kurier Bill Fane (James Villiers), und dem Kindermädchen (Bette Davis) abgeholt. Der Anstaltsleiter Dr. Wills (Alfred Burke) bescheinigt Joeys Vater, dass die Appetitlosigkeit des Kindes geheilt werden konnte, Joey aber nach wie vor Probleme habe. So empfindet er einen tiefen Hass gegen ältere Frauen. Immerhin wurde er davor verantwortlich gemacht, dass seine jüngere Schwester Susy (Angharad Aubrey) in der heimischen Badewanne ertrunken ist. Bills Frau Virginia (Wendy Craig) hat sich von diesem traumatischen Ereignis nie richtig erholt und sieht der Rückkehr ihres Sohnes mit Furcht entgegen. 
Joey begegnet seiner Nanny mit unverhohlener Abneigung, lässt sie auf der Heimfahrt hinten im Wagen sitzen und lehnt es ab, das von ihr neu eingerichtete Zimmer für ihn zu beziehen. Stattdessen zieht er in sein früheres, kleineres Zimmer zurück und verschmäht – aus Angst, dass sie es vergiftet haben könnte - jedes Gericht, das Nanny der Familie gekocht hat. Außerdem lässt er Nanny vor seiner Mutter schwören, dass sie nicht das Badezimmer betritt, wenn er sich dort aufhält. 
Nanny zeigt in jeder Situation Nachsicht, doch die Ereignisse überschlagen sich, als Bill für ein paar Tage beruflich nach Beirut reisen muss. Als Joeys Mutter nach einer Lebensmittelvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert wird, übernimmt ihre herzkranke Schwester Pen (Jill Bennett) die Aufsicht über den Jungen. Sie kommt allmählich dahinter, was sich wirklich vor zwei Jahren und in der Zeit seit Joeys Rückkehr im Haus ihrer Schwester ereignet hat … 

Kritik: 

Bette Davis hatte 1932 ein Sieben-Jahres-Deal mit Warner Bros. unterzeichnet und wurde bereits mit „The Man Who Played God“ zum Star, der eine breite Palette an komplexen Charakteren abzudecken verstand. Nach etlichen erfolgreichen Filmen und zwei Oscar-Auszeichnungen (1935 für „Gefährliche Liebe“ und 1938 für „Jezebel – Die boshafte Lady“) begann ihr Stern in den 1940er Jahren allerdings leicht zu sinken, bevor sie sich 1962 mit „Was geschah wirklich mit Baby Jane?“ und 1964 mit „Wiegenlied für eine Leiche“ erfolgreich zurückmelden konnte. 
Die Hauptrolle in Seth Holts „The Nanny“ bekam sie zwar nur, weil die ursprünglich vorgesehene Greer Garson die Rolle aus Angst ablehnte, sie könnte ihrer Karriere schaden, aber die alternde Hollywood-Diva erweist sich als perfekte Besetzung für die vermeintlich verständnis- und aufopferungsvolle Nanny, die sich eher um das Wohl der psychisch labilen Virgie als um des widerspenstigen Sohnes kümmern muss. 
Hammers erfolgreicher Drehbuchautor und Produzent Jimmy Sangster („Dracula“, „Frankensteins Fluch“, „Die Rache der Pharaonen“) nimmt sich in seiner Romanadaption viel Zeit, die zwischenmenschlichen Beziehungen im Hause Fane auszuarbeiten, wobei der autoritäre, aber meist abwesende Hausherr einen bemerkenswerten Kontrast zu seiner labilen und mit der Erziehung ihres Sohnes völlig überforderten Frau darstellt. Die Nanny wirkt lange Zeit wie ein souveräner Ruhepol in dem ständigen Bemühen, Joey ein vernünftiges Benehmen beizubringen, doch bekommt der Schein im letzten Viertel des Films natürlich Risse. 
Auch wenn die nicht allzu überraschende Auflösung der tatsächlichen Ereignisse vor zwei Jahren und in der jüngsten Vergangenheit etwas holperig und konstruiert präsentiert wird, überzeugt der letzte Hammer-Film in Schwarzweiß lange Zeit durch seine bedrohliche Atmosphäre, die nur selten von Richard Rodney Bennetts Musik verstärkt wird. Ansonsten ist es einfach ein Genuss, die großartige Bette Davis als alterndes Kindermädchen mit dunkler Vergangenheit zu erleben.  

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