Joker

Drehbuchautor, Produzent und Regisseur Todd Phillips ist vor allem durch die herrlich überdrehte „Hangover“-Trilogie und Komödien wie „Stichtag“ und „Der Date Profi“ bekannt geworden. Dass er eine so düstere Comic-Verfilmung wie „Joker“ in die Hand nehmen würde, hätte wohl zunächst niemand so richtig erwartet, doch allein mit der Oscar-prämierten Darstellung von Joaquin Phoenix in der Hauptrolle der Titelfigur, die später einmal zu Batmans grausamsten Rivalen in Gotham avancieren würde, zieht „Joker“ die Zuschauer – trotz deutlicher Schwächen – in seinen Bann. 

Inhalt: 

Anfang der 1980er lebt Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) zusammen mit seiner kränklichen Mutter Penny (Frances Conroy) in einer heruntergekommenen Mietwohnung mitten in Gotham City. Das, was der zurückhaltende, psychisch debile Arthur als Clown für eine Agentur verdient, reicht kaum für den Lebensunterhalt, weshalb Penny immer wieder Briefe an den schwerreichen Unternehmer Thomas Wayne (Brett Cullen) schreibt, bei dem sie vor dreißig Jahren angestellt war und den sie um Hilfe anfleht. Allerdings bleiben all ihre Briefe unbeantwortet. Arthur träumt unterdessen von einer Karriere als Stand-up-Comedian und schaut sich abends zusammen mit seiner Mutter stets die Show seines großen Vorbilds Murray Franklin (Robert De Niro) an. 
Durch seine linkische Art und sein oft unangebrachtes, seiner psychischen Krankheit geschuldetes Lachen bringt sich Arthur immer wieder in die Opferrolle. Mal wird er von Jugendlichen in einer Seitengasse niedergeschlagen, als er in seinem Clownskostüm mit einem Schild Werbung für Schlussverkäufe macht, dann nehmen ihn nachts in der U-Bahn drei Yuppies auseinander, die sich von seinem irren Lachen provoziert fühlen. Doch da zieht er die von seinem Kollegen Randall (Glenn Fleshler) zugesteckte Pistole, schießt seine drei Peiniger einfach über den Haufen und kann unentdeckt das Weite suchen. Da hat Arthur schon seinen Job als Clown verloren, als ihm bei einem Auftritt auf der Kinderstation eines Krankenhauses die Pistole aus der Hose fällt. Als er auch noch bei einer Comedian-Talent-Show versagt und die Aufnahme davon den Weg in Murray Franklins Show findet, wo er sich über den unlustigsten Komiker lustig macht, droht das Fass überzulaufen. Seine Mutter wird nach einem Schlaganfall ins Krankenhaus, Arthur stellt Wayne auf einer Wohltätigkeitsgala wegen seiner Mutter zur Rede und erfährt, dass es nie eine Affäre zwischen ihm und Penny gegeben habe, dass seine Mutter psychisch krank gewesen sei. Aus den Unterlagen, die sich Arthur in der Arkham Nervenheilanstalt besorgt, erfährt er schließlich, dass seine Mutter tatsächlich unter einer schweren psychischen Störung gelitten und zugelassen hat, dass ihr Sohn missbraucht wurde. 
Die Ausstrahlung von Arthurs miserablen Auftritt bei der Talentshow in der Late-Nate-Show ruft unerwartet positive Reaktionen des Publikums hervor, so dass sich Murray Franklin entschließt, Arthur in seine Show einzuladen. Dort lässt er sich als „Joker“ dem Publikum vorstellen, um dann seine ganz eigene Show abzuziehen … 

Kritik: 

Spätestens mit Heath Ledgers legendärer, Oscar-prämierter Darstellung des Joker in Christopher Nolans „The Dark Knight“ (2008) musste die Frage aufkommen, wann Batmans berühmtester Gegenspieler endlich seinen eigenen Film bekommen würde. 
Zusammen mit seinem Co-Autor Scott Silver („8 Mile“, „The Fighter“) verlegte der Filmemacher Todd Phillips die Geschichte ins Jahr 1981, belässt es allerdings bei wenigen Andeutungen, wie es um Gotham City bestellt ist. Der Müll wird nicht mehr entsorgt und bringt Super-Ratten hervor, die Ausgaben für soziale Projekte und damit auch für Arthurs Sozialarbeiterin werden gekürzt, die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auf. In diesem Umfeld bewegen sich Arthur und seine Mutter am Rande der Gesellschaft, beide psychisch krank und arm, kaum in der Lage, für sich selbst zu sorgen. So träumen sie sich in eine bessere Welt, in der Penny Unterstützung von ihrem ehemaligen Arbeitgeber (und Geliebten) erhält und Arthur Karriere als Stand-up-Comedian macht. 
Die Underdog-Mentalität und der unrealistische Wunsch nach Ruhm als Komiker lassen natürlich an Martin Scorseses Meisterwerke „Taxi Driver“ (1976) und „The King of Comedy“ (1982) denken, nur hat Scorsese es weit wirkungsvoller verstanden, das Milieu zu beschreiben, in dem seine gescheiterten Existenzen nach Aufmerksamkeit schreien und schließlich keinen anderen Weg sehen, als diese durch einen Gewaltexzess zu erreichen. 
In dieser Hinsicht geht Phillips in „Joker“ weit weniger subtil vor. Es ist vor allem Joaquin Phoenix („A Beautiful Day“, „The Master“) zu verdanken, dass die ganze Tragik seiner Figur zum Ausdruck kommt. Dabei wäre es unnötig gewesen, Arthurs Kindheitsgeschichte so plakativ wie kurz aufzubereiten. Phoenix, der sich für die Rolle 24 Kilo abgehungert hat, bringt den seelischen Schmerz seiner Figur wie kein Zweiter auf die Leinwand. Seine unkontrollierten Lachattacken, die real wirkenden Träume von Ruhm mit einem Auftritt in der Show von Murray Franklin und einer Liebesbeziehung mit seiner Nachbarin Sophie (Zazie Beetz) sowie die Sprechstunden bei seiner Sozialarbeiterin, die auch die Verschreibung seiner mittlerweile sieben Psychopharmaka zuständig ist, machen deutlich, wie sehr Arthur am Rande der Gesellschaft steht. Dass er unter diesen Voraussetzungen Gebrauch von der Waffe macht, scheint da mehr als verständlich, ja fast schon logisch. 
Durch sein rigoroses Auftreten wird der Joker auf einmal zum Helden für die ebenfalls Ausgegrenzten in Gotham City, die in dem selbstgefälligen Unternehmer Thomas Wayne längst ihr Feindbild ausgemacht haben. Hier erinnert „Joker“ vor allem an „The Purge“, wenn Jokers Anhänger ebenfalls solidarisch mit Clowns-Masken die Straßen stürmen. Bei der den Film dominierenden Performance von Joaquin Phoenix fällt gerade Martin Scorseses Lieblingsschauspieler Robert De Niro als Showmaster mächtig ab, allerdings gibt ihm das Drehbuch auch kaum Möglichkeiten, in den wenigen Sequenzen zu glänzen. Neben Joaquin Phoenix gefallen vor allem die adäquat körnigen Bilder von Lawrence Sher („Hangover“, „Garden State“) und der düster-elegische und Oscar-prämierte Score von Hildur Guðnadóttir („Chernobyl“, „Sicario 2“).  

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