A House of Dynamite

James Camerons Ex-Frau Kathryn Bigelow hat sich längst aus dem Schatten ihres übermächtig erscheinenden Blockbuster-Königs gelöst, spätestens als sie bei der Oscar-Verleihung 2010 mit ihrem Film „The Hurt Locker“ und sechs gewonnenen Trophäen Camerons Fantasy-Spektakel „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ auf die Plätze verwies. Seither hat sich Bigelow dem politischen Spannungskino verschrieben und mit „Zero Dark Thirty“ (2012) und „Detroit“ (2017) unbequeme, aber großartige inszenierte Thriller-Dramen präsentiert. Nun legt sie mit „A House of Dynamite“ ihre erste Produktion für Netflix vor.

Inhalt:

In Washington D. C. und vor allem im Weißen herrscht geschäftiges Treiben. Captain Olivia Walker (Rebecca Ferguson) hat ihren kranken Sohn gerade in die Obhut ihres Mannes übergeben und übernimmt ihre Schicht im White House Situation Room, wo sie über mehrere geopolitische Entwicklungen informiert wird, darunter ein bevorstehendes Manöver der chinesischen Volksbefreiungsarmee, verdächtige Kommunikation zwischen Iran und seinen Stellvertretern sowie Schweigen aus Nordkorea nach einem kürzlichen ballistischen Raketentest.
Das im Pazifik stationierte Frühwarnradar SBX-1 entdeckt einen Start einer unbekannten Interkontinentalrakete; überraschenderweise wird die Rakete nicht beim Start, sondern erst im Flug über dem Nordwestpazifik erfasst. Zunächst als routinemäßiger nordkoreanischer Test vermutet, ändert sich die Lage, als die Interkontinentalrakete in einen niedrigen Orbit eintritt und eine Flugbahn aufweist, die Chicago innerhalb der nächsten zwanzig Minuten bedroht. Währenddessen wird das Telefonat des Präsidenten (Idris Elba) mit seiner in Afrika weilenden Gattin unterbrochen, und der Verteidigungsminister (Jared Harris) gönnt sich eine Auszeit beim Golf. Als die Alarmstufe auf DEFCON 2 erhöht wird und das United States Northern Command in Fort Greely, Alaska, zwei bodengestützte Abfangraketen (GBI) startet, wird die Nervosität größer, denn die erste GBI versagt beim Ausstoß, die zweite kann die Interkontinentalrakete nicht neutralisieren. Die Alarmstufe wird auf DEFCON 1 angehoben…

Kritik:

Zwar ist sich die Menschheit nach dem Ende des Kalten Krieges einig gewesen, dass man ohne Atomraketen besser dran sei, doch die Realität im 21. Jahrhundert spricht eine andere Sprache. Mittlerweile verfügen neun Staaten über atomare Waffen, die kriegerischen Auseinandersetzungen haben mittlerweile ein nie gesehenes Ausmaß erreicht, so dass der Einsatz atomarer Waffen eine realistische Dimension angenommen hat. Bigelow und Drehbuchautor Noah Oppenheim („Jackie“) konzentrieren sich in „A House of Dynamite“ auf die Entscheidungsträger, die im Falle einer atomaren Bedrohung über Tod und Leben von Millionen von Menschen bestimmen. In drei Kapiteln, die aus verschiedenen Perspektiven die neunzehn Minuten beleuchten, die die unbekannte Interkontinentalrakete bis zum Einschlag in Chicago braucht, sehen wir, wie nicht nur der Präsident, sondern zuvor auch die Führungselite im Situation Room, auf einer Militärbasis in Alaska, die Federal Emergency Management Agency (FEMA), das United States Northern Command und das Presidential Emergency Operations Center (PEOC), in das der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater Jake Baerington (Gabriel Basso) gebracht wird, darum ringt, die Ereignisse richtig einzuordnen und die angemessene Reaktion auf die Bedrohung zu finden. Es lässt sich eben nicht mit Sicherheit sagen, ob die Rakete von Russland, China oder Nordkorea abgeschossen worden ist und welche Reaktion man damit bezweckt. Bigelow und ihr Kameramann Barry Ackroyd („The Hurt Locker“, „Captain Phillips“) bleiben stets dicht am Geschehen und fangen mit dokumentarisch anmutenden Bildern die Ratlosigkeit, das Entsetzen und die Sorge vor allem um die eigene Familie ein während der Countdown gnadenlos runtertickt. Die Spannung erreicht dabei gerade ihren Höhepunkt, als kurz vor der Detonation der Fokus verlagert wird und das Spiel von vorn beginnt. Am Ende mag man enttäuscht sein, dass Bigelow kein Hollywood-mäßiges Finale präsentiert, sondern einfach nur darlegt, welches Gewicht auf den Schultern der politischen und militärischen Entscheidungsträger lastet. 

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