Guillermo del Toro zählt spätestens seit seinem
Meisterwerk „Pans Labyrinth“ (2006) zu den visionärsten Filmemachern
seiner Generation und hat seither immer wieder das Mysteriöse, das Monströse
und das Märchenhafte miteinander verbunden. Nach seiner Oscar-prämierten
Fantasy-Romanze „Shape of Water“ (2017), dem vierfach Oscar-nominierten Mystery-Drama
„Nightmare Alley“ (2021) und einer Adaption des Kinderbuch-Klassikers „Pinocchio“
(2022) präsentiert del Toro nun mit „Frankenstein“ das Ergebnis
seiner langjährigen Bemühungen, Mary Shelleys 1818 erschienenen Schauerroman
sowie den vielfach verfilmten Universal-Klassiker aus dem Jahr 1932 mit eigenem
Leben zu füllen.
Inhalt:
Captain Anderson (Lars Mikkelsen) kommt mit seiner
Arktisexpedition zum Erliegen, als sein Schiff im Packeis am Nordpol festsitzt und
ihm auch noch ein schwerverletzter Mann in die Arme läuft. Der Mann stellt sich
als Dr. Victor Frankenstein (Oscar Isaac) vor, der eine menschenähnliche
Kreatur (Jacob Elordi) erschaffen hat, die ihm nun auf den Fersen ist
und auch Andersons Crew brutal dezimiert. Erst als die Kreatur von mächtigen
Gewehrsalven niedergestreckt wird und den Rückzug antreten muss, bekommt Frankenstein
durch die unverhoffte Atempause die Gelegenheit, dem wissbegierigen Captain seine
Geschichte zu erzählen: Der Tod seiner Mutter (Mia Goth) bei der Geburt
seines Bruders William (Felix Kammerer) hat den Jungen einst so verstört,
dass er sein medizinisches Studium vor allem dazu nutzte, um künstliches Leben
zu erschaffen und so dem Tod den Kampf anzusagen. Doch erst sein wohlhabender
Gönner Harlander (Christoph Waltz) erlaubt es ihm, seine weithin als ketzerisch
anmutenden Ideen auch in die Tat umzusetzen. Allerdings ist er vom Ergebnis
enttäuscht. Die aus menschlichen Leichenteilen zusammengesetzte Kreatur verfügt
zwar über enorme Kräfte und eine bemerkenswerte Wundheilung, scheint aber vom
Verstand her auf dem Niveau eines Schwachsinnigen stehengeblieben zu sein. Allein
Elizabeth (Mia Goth), die empfindsame Verlobte seines Bruders, findet Zugang
zu dem vermeintlichen Monster und erkennt schnell, wer hier das eigentliche
Monster darstellt…
Kritik:
Guillermo del Toro bezeichnet den klassischen „Frankenstein“-Film
mit Boris Karloff in der Hauptrolle als wichtigsten Film seiner Kindheit,
weshalb es kaum verwundern kann, dass der passionierte Filmemacher im Verlauf
seiner Karriere immer wieder auf gotisch anmutende Schauerstoffe spezialisiert war
und gerade das Verhältnis zwischen Schöpfer und Schöpfung thematisierte. Mit
der 120 Millionen Dollar teuren, zweieinhalbstündigen Netflix-Produktion „Frankenstein“
hat sich del Toro nun einen Traum erfüllt. Eng an die literarische
Vorlage angelehnt, erzählt del Toro die Geschichte nach einem
ausführlichen Prolog zunächst aus der Perspektive des Arztes, dann als er sein
Geschöpf aus den Augen verloren hat, aus der Sicht der Kreatur. Während im
ersten Teil zunächst der ödipale Aspekt in den Fokus rückt, einen passenden
Ersatz für seine zu früh verstorbene Mutter nach eigenen Vorstellungen zu kreieren
und damit Gott zu spielen, präsentiert die Geschichte aus der Sicht der von
seinem Schöpfer verstoßenen Kreatur vor allem die Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit.
Del Toro und sein Kameramann Dan Laustsen („John Wick 4“, „Nightmare
Alley“) finden imposante, das Auge erschlagende Bilder voller Wahnsinn, Kälte
und Zerstörung. Der Tod ist allgegenwärtig, das Leben zu kostbar, um es erlöschen
zu lassen. Del Toro macht in seiner Verfilmung deutlich, dass die
Sympathien dem misshandelten, vernachlässigten „Monster“ gehören und Frankenstein
mit seinem gottlosen Schöpferdrang einfach zu weit gegangen ist. Dabei schreckt
der Filmemacher nicht vor schockierenden Bildern zurück, aber auch nicht vor sehr
einfühlsamen, fast schon rührseligen Momenten.
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