Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln

Zwar zählt Tim Burtons Adaption von Lewis Carrolls Kinderbuchklassiker „Alice im Wunderland“ aus dem Jahre 2010 zu den erfolgreichsten Kinoproduktionen überhaupt, doch schieden sich an der Zusammenarbeit des visionären Filmemachers mit seinem früheren Arbeitgeber Disney schon die Geister. Eine Fortsetzung des familienfreundlichen Abenteuers der mittlerweile erwachsenen Titelheldin schien aus rein kommerzieller Sicht natürlich angebracht, doch sollten letztlich sechs Jahre vergehen, bis „Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“ in die Kinos kam – zwar mit einem Großteil des Casts des ersten Teils, aber Tim Burton fungierte diesmal nur als Produzent, während „Die Muppets“-Regisseur James Bobin die Regie übernahm. 

Inhalt: 

Nach dem Tod ihres Vaters ist Alice Kingsleigh (Mia Wasikowska) nicht nur bei dessen Geschäftspartner in die Lehre gegangen, sondern hat es mittlerweile zum Captain auf ihrem eigenen Schiff gebracht, das sie von ihrem Vater geerbt hatte. Nach drei Jahren auf See, die sie bis nach China führte und bei der sie sich in der Straße von Malakka gegen einen Angriff von malaysischen Piraten behaupten musste, findet sie bei ihrer Rückkehr nach London nichts mehr so vor, wie es einmal war. Ihre Mutter (Lindsay Duncan) hat aus einer finanziellen Not heraus ihr Haus an Lord Hamish Ascot (Leo Bill) überschrieben, der einst vergeblich um Alices Hand angehalten hatte und nun anderweitig vermählt ist. Offensichtlich hat Hamish die Schmach von damals noch nicht vergessen, denn er drängt Alice dazu, ihm – im Tausch gegen das Elternhaus - das Schiff ihres Vaters zu überlassen. Alice flüchtet wütend und enttäuscht in einen Raum der Ascots und findet dort mit Hilfe von Absolem (Alan Rickman) einen Weg, durch den Spiegel ins (W)underland zu gelangen. 
Dort erfährt sie von ihren Freunden – dem Grinsekater (Stephen Fry), den glatzköpfig-drallen Zwillingen Diedeldum & Diedeldei (Matt Lucas), dem weißen Kaninchen McTwisp (Michael Sheen), dem Märzhasen Thackery (Paul Whitehouse), der Haselmaus Mallymkun (Barbara Windsor) - und der weißen Königin Mirana (Anne Hathaway), dass der Hutmacher (Johnny Depp) noch verrückter geworden sei, weil er glaube, dass seine vermeintlich vom Jabberwocky getötete Familie noch am Leben sei. Alice müsse sich dafür aber mithilfe der Chronosphäre, einer Art Zeitmaschine, die sich in den Händen der Zeit befindet, in die Vergangenheit begeben. Da Alice alles für ihren Freund zu tun bereit ist, begibt sie sich in den Palast von Zeit (Sacha Baron Cohen) und entwendet ihm die Chronosphäre, die er allerdings zum Überleben braucht. Als Zeit die Diebin auf ihrem Weg in die Vergangenheit verfolgt, wo sie am Schreckensfurcht-Tag verhindern will, dass Jabberwocky die Familie des Hutmachers tötet, kommt sie allerdings vom Weg ab und landet an dem Tag, an dem Miranas Schwester Iracebeth (Helena Bonham Carter) zur Königin gekrönt werden soll. Dort beobachtet sie, wie der Hutmacher durch sein Gelächter nach einem Missgeschick, bei der die Krone in unzählige Einzelteile zerspringt, Iracebeth so aufbringt, dass ihr Vater stattdessen Mirana zur Königin macht. Iracebeth bricht deswegen mit ihrer Familie und schwört der Familie des Hutmachers Rache, nachdem diese sie aufgrund ihres übergroßen Kopfes ausgelacht hatte. 
Auf ihrer Reise in die Vergangenheit entdeckt Alice nicht nur, wie der Hutmacher als Kind unter der Erziehung seines Vaters (Rhys Ifans) gelitten hat, sondern auch, wie die Rote Königin zu ihrem übergroßen Kopf gekommen ist. Vor allem erfährt Alice aber, was aus der Familie des Hutmachers geworden ist… 

Kritik: 

Linda Woolverton, die für Disney bereits die Drehbücher zu „Die Schöne und das Biest“, „Der König der Löwen“, „Maleficent - Die dunkle Fee“ und eben auch zu Tim Burtons Realfilm-Adaption des 1951 inszenierten Zeichentrickfilms „Alice im Wunderland“ geschrieben hatte, hat die Geschichte zur Fortsetzung „Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“ noch familienfreundlicher gestaltet. Ließ Burton noch ganze Armeen aus modifizierten Spielkarten und Schachfiguren gegeneinander antreten, hat allein Jabberwocky während Alices Reise in die Vergangenheit einen kurzen Auftritt, doch der Fokus der Geschichte liegt eindeutig auf dem Spiel mit der Zeit und den visuell aufwendig inszenierten Zeitreisen. 
Allerdings werden die Möglichkeiten der Tricktechnik hier so massiv ausgereizt, dass die Geschichte sich längst nicht so rund entfalten kann, wie ihr Potenzial eigentlich nahelegt. Dabei sind einige Szenen wirklich gut gelungen, so der Besuch im imposanten Zuhause von Zeit sowie die Schlüsselszenen, in denen der kleine Hutmacher erleben muss, wie seine eigenen Kreationen vom Vater niedergemacht werden, und in denen der unerwartete Ursprung des Konflikts zwischen Mirana und Iracebeth offenbart wird. Die zahlreichen Wechsel von Ort, Zeit und Figuren verleiht Bobins Films eine unnötig hektische Dramaturgie, die dem Publikum nie genug Zeit lässt, die fraglos beeindruckenden Kulissen angemessen würdigen zu können. 
Bei all der Effektheischerei können die Darsteller kaum bleibende Akzente setzen, nicht mal Johnny Depp als kränkelnder Hutmacher, noch weniger aber Mia Wasikowska („Stoker“, „Crimson Peak“) als erwachsene und emanzipierte Alice, die sich den althergebrachten Ansichten zur Stellung der Frau in der Gesellschaft nicht beugen will. Wirklich Eindruck hinterlässt einzig Sacha Baron Cohen („Les Misérables“, „The Trial of the Chicago 7“) als Zeit, der sich nicht nur mit allerlei Wortspielen auf seine Kosten konfrontiert, sondern sein ganzes Dasein gefährdet sieht. 
So bietet „Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“ zwar vor allem großartige Schauwerte mit wunderbaren Kulissen und Kostümen sowie einen wieder gefälligen Score von Danny Elfman, kann aber auf der erzählerischen Ebene nicht mit Burtons Film mithalten.  

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