The Sixth Sense

Nach seinen ersten beiden, weithin kaum beachteten Filmen „Praying with Anger“ (1992) und „Wide Awake“ (1998) gelang dem indisch-stämmigen Filmemacher M. Night Shyamalan 1999 mit dem Mystery-Drama „The Sixth Sense“ das Kunststück, einen unheimlichen Thriller ganz ohne vordergründige Schockeffekte zu inszenieren, und begründete damit einen Trend zu überraschenden Auflösungen in diesem Genre. 

Inhalt: 

Der Kinderpsychologe Dr. Malcolm Crowe (Bruce Willis) feiert mit seiner Frau Anna (Olivia Williams) eine für ihn bedeutsame Auszeichnung durch die Stadt Philadelphia, als das Paar feststellt, dass offensichtlich jemand in ihre Wohnung eingebrochen ist. Im Badezimmer entdeckt Dr. Crowe einen fast nackten, völlig verstören Mann, der sich als Vincent Grey (Donnie Wahlberg) vorstellt und Malcolm vorwirft, ihm damals nicht geholfen zu haben, mit seinen Ängsten fertigzuwerden. Der frühere Patient des Psychologen schießt erst auf Malcolm und tötet dann sich selbst. Im darauffolgenden Herbst übernimmt Dr. Crowe die Behandlung des neunjährigen Jungen Cole Sear (Haley Joel Osment), der bei seiner alleinerziehenden Mutter Lynn (Toni Collette) lebt. 
Cole erinnert den Psychologen an Vincent, weil auch dieser an nicht näher definierten Ängsten verzweifelt, weshalb sich Dr. Crowe noch mehr als gewöhnlich in den Fall hineinhängt und seine Frau vernachlässigt, dass er sogar zu spät zum Hochzeitstag-Dinner erscheint. Indem Crowe seinem jungen Patienten zu helfen versucht, hofft er, sich mit seinen eigenen Selbstzweifel nach dem Fiasko mit Vincent aussöhnen zu können. Auf einer Geburtstagsparty erlauben sich zwei von Coles Mitschülern einen bösen Scherz und sperren den Jungen in einer Kammer unter dem Dach ein. Zutiefst traumatisiert und ohnmächtig wird er von seiner Mutter ins Krankenhaus eingeliefert, wo sie von dem behandelnden Arzt Dr. Hill (M. Night Shyamalan) auch auf die körperlichen Verletzungen des Jungen hinweist. Dr. Crowe verspricht dem Jungen, bei ihm zu bleiben, bis er eingeschlafen ist, und verrät ihm schließlich sein Geheimnis: Er kann tote Menschen sehen. Sie können einander nicht sehen und sind wütend, weil sie nicht wissen, dass sie tot sind. 
Crowe hält das zunächst für Wahnvorstellungen und befürchtet, auch Cole nicht geholfen zu haben. Doch als er die Sitzungen mit Vincent Grey aufarbeitet, hört er bei voll aufgedrehtem Lautstärkepegel im Hintergrund fremdartige Stimmen, die mit Vincent reden, nachdem Crowe selbst das Zimmer kurz verlassen hatte. Als der Psychologe erkennt, dass auch Vincent Tote erkannt haben muss, ändert er seine Strategie bei Cole und rät ihm, keine Angst vor den Toten zu haben, sondern ihnen stattdessen zuzuhören und ihnen, wenn möglich, zu helfen… 

Kritik: 

Mit dem gerade mal 40 Millionen Dollar teuren Film „The Sixth Sense“ ist M. Night Shyamalan der erhoffte und verdiente Durchbruch gelungen. Mehr als 670 Millionen Dollar hat der Mystery-Thriller weltweit eingespielt und den Autorenfilmer über Nacht berühmt gemacht. Dabei kommt Shyamalan ohne vordergründige Effekte aus, sondern fokussiert sich ganz auf die Beziehung zwischen dem Kinderpsychologen Dr. Crowe und seinem einfühlsamen, von seinen Mitschülern gehänselten Patienten Cole. Dabei nimmt sich Shyamalan ebenso viel Zeit für die Zweifel und Ängste, die den Psychologen hinsichtlich seiner Fähigkeiten, seiner Ehe und seines Patienten umtreiben, wie für den ungewöhnlichen Jungen, der in der Schule ausflippt, wenn ihn sein Lehrer „anstarrt“ und diesen mit dessen früheren Stotterei aufzieht, wovon er eigentlich nichts wissen kann. 
Coles Ängste werden erst nach einer guten Dreiviertelstunde konkretisiert und sorgen für einen ersten Aha-Effekt, den Shyamalan aber bis zum furiosen Finale mit der verblüffenden Auflösung geschickt ausreizt. Shyamalan bleibt mit der Kamera immer dicht bei seinen Figuren, sorgt durch Farbgebung und den eindringlichen, von Piano und Streichern dominierten Score von James Newton Howard für eine vielschichtige Atmosphäre, die mal einfühlsam in die Sphäre von Schul- und Ehe- und Familienkonflikten taucht, dann wieder schockierende Bilder von Toten und Sterbenden einfängt, denen Cole schließlich zu helfen beginnt, indem er den Tod eines Mädchens als Mord aufzuklären hilft und damit das Leben eines weiteren Mädchens rettet. 
„The Sixth Sense“ stellt aber auch eine feinsinnige und kluge Auseinandersetzung mit tiefsitzenden Ängsten, dem Tod und spirituellen Deutungen zu einem möglichen Leben nach dem Tod dar, ohne in plumpe Verallgemeinerungen abzudriften. Der Film fasziniert nicht nur durch die gelungen Symbiose aus langen Einstellungen und subtiler Musik, sondern vor allem durch die großartigen Darsteller. 
„Stirb langsam“-Star Bruce Willis überzeugt durch sein angenehm zurückhaltendes, pointiertes Spiel ebenso wie Newcomer Haley Joel Osment als Junge mit übersinnlichen Fähigkeiten, aber auch Toni Collette als Coles besorgte Mutter mit zwei Jobs und Olivia Williams als Malcolms wunderbare Frau fügen sich wunderbar in das Ensemble ein. 
Auch wenn M. Night Shyamalan mit seinen nachfolgenden Mystery-Filmen „Unbreakable“, „Signs“ und „The Village“ das Konzept der Plot Twists zu wiederholen versuchte, ist es doch nie wieder zu gelungen wie bei diesem Werk. 

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