Glass
Eigentlich war der so furios mit „The Sixth Sense“ (1999) gestartete und dann mit „Unbreakable“ (2000), „Signs“ (2002) und „The Village“ (2004) sich treu gebliebene Mystery-Filmemacher M. Night Shyamalan nach seinen Flops mit „The Happening“ (2008), „Die Legende von Aang“ (2010) und „After Earth“ (2013) schon nahezu totgesagt, doch dann gelang ihm mit den selbstfinanzierten Grusel-Perlen „The Visit“ (2015) und „Split“ (2016) ein bemerkenswertes Comeback. Nachdem sich bereits „Split“ im gleichen Universum wie „Unbreakable“ angesiedelt hatte, fügt Shyamalan mit „Glass“ (2019) die drei menschlichen Superhelden aus „Unbreakable“ und „Split“ zusammen und präsentiert damit einen eigenwilligen Beitrag zum anhaltenden Boom der Comic-Verfilmungen.
Nachdem seine Frau an Krebs gestorben ist, hat sich David Dunn (Bruce Willis), der vor 18 Jahren als Einziger Passagier ein von Mr. Glass (Samuel L. Jackson) initiiertes Zugunglück überlebte, mit einer Sicherheitsfirma selbständig gemacht, die er mit seinem Sohn Joseph (Spencer Treat Clark) betreibt. Viel bedeutender erscheint ihm allerdings seine Nebenbeschäftigung, bei der er seine außergewöhnliche Fähigkeit einsetzt, nur durch Berührung böse Menschen zu identifizieren und diese angemessen zu bestrafen, wobei ihn sein Sohn bei der Navigation der Streifzüge unterstützt.
Derzeit gilt sein besonderes Augenmerk dem unter einer dissoziativen Identitätsstörung leidenden Entführer und Mörder Kevin Wendell Crumb (James McAvoy), in dessen Körper diverse Persönlichkeiten um die Vorherrschaft ringen und einem übermenschlich starken Wesen namens „die Bestie“ einen Platz im Licht verschaffen wollen. In einem Lagerhaus im Industrieviertel von Philadelphia findet Dunn die Mädchen, die Crumb entführt und gefesselt hat, nachdem er Crumb auf der Straße begegnete und durch den Kontakt mit ihm den entscheidenden Hinweis auf den Aufenthalt der Mädchen erhielt. Bei dem Showdown zwischen dem unzerbrechlichen Dunn und der mit übermenschlicher Kraft ausgestatteten Bestie nimmt eine Spezialeinheit der Polizei die beiden Kontrahenten gefangen und bringt sie in einen besonders gesicherten Flügel eines psychiatrischen Krankenhauses, wo Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson) drei Tage gewährt werden, um Dunn und Crumb davon zu überzeugen, dass sie doch über keine Superkräfte verfügen. Prominente Gesellschaft haben Dunn und Crumb in dem ebenso genialen wie zerbrechlichen Elijah Price alias Mr. Glass (Samuel L. Jackson), den man vorsichtshalber mit Medikamenten ruhigstellt. Doch die Therapie von Dr. Staple schlägt nicht so an wie erwartet…
Kritik:
Ursprünglich hatte M. Night Shyamalan schon bei „Unbreakable – Unzerbrechlich“ mit dem Gedanken gespielt, mit der multiplen Persönlichkeit Kevin einen weiteren Bösewicht neben dem Comic-Experten Elijah Price zu implementieren, doch wurde diese Idee noch vor Drehbeginn fallengelassen. 19 Jahre später ist es dem weitgehend unabhängigen Produzenten, Drehbuchautor, Regisseur (und Nebendarsteller) endlich möglich, die Geschichte rund um sein von Superhelden aufgebautes Universum ganz nach seinen Vorstellungen zu vollenden. Dabei verzichtet er darauf, seine Figuren noch einmal einzuführen. Wer also „Unbreakable“ und „Split“ bislang verpasst hat, sollte das noch nachholen, denn sonst verpuffen die zwischenzeitlichen Verweise auf die Vorgeschichten. Was der Comic-Liebhaber Elijah Price in „Unbreakable“ schon zur Auflösung thematisiert hatte, nämlich dass die Superhelden in den Comics auf echten Persönlichkeiten beruhen, spielt Shyamalan nun in „Glass“ konsequent zu Ende. Der derzeitige Boom an Comic-Verfilmungen spielt dem Filmemacher natürlich in die Hände, doch wählt Shyamalan einen eigenen, persönlicheren und weniger actionreichen Ansatz, der seinen Film zunächst wohltuend von üblichen Genre-Produktionen abhebt.
Die Aufeinandertreffen zwischen Dunn als Kämpfer für die gute Sache und dem zur muskelbepackten Bestie mutierten Crumb bilden die einzigen nennenswerten Action-Sequenzen, die letztlich vor allem den menschlichen Charakter dieser Superhelden untermauern. Die jeweiligen Superkräfte korrelieren aber auch mit einer inneren Zerrissenheit, die am deutlichsten natürlich bei Crumb zum Ausdruck kommt, wenn er allein durch Lichtimpulse zwischen seinen ganzen Persönlichkeiten hin- und her switcht, aber auch Dunn mit seiner Angst vor Wasser und Price mit seinen bereits mehr als 90 mal gebrochenen Glasknochen tragen ihre Päckchen.
„Glass“ erzählt von Helden wider Willen, die allerdings durch ihr unvorhersehbares Verhalten und ihre schwer zu kalkulierenden Fähigkeiten als eine Gefahr für die Menschheit betrachtet werden, nicht als glorifizierte Retter vor bösen Mächten. So interessant die Themen sind, die Shyamalan hier aufwirft und von dem Spannungsfeld zwischen Medien und Wissenschaft, Glaube und Verstand, Moral und Identität, Liebe und Gewalt handeln, so ungenügend werden die einzelnen Aspekte doch ausgeführt. Vor allem die im Sanatorium spielenden Szenen fallen gegenüber der übrigen Handlung deutlich ab, denn der therapeutische Umgang mit den vermeintlichen Superhelden wirkt wenig glaubhaft.
Dafür entschädigt Shyamalan sein Publikum mit einem feinen Plot Twist, der die grundlegende Thematik über die Natur von Superhelden überzeugend auf den Punkt bringt.
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