Jarhead
Nach seinen ersten beiden grandiosen, mit Preisen und Nominierungen überhäuften Filmen „American Beauty“ (1999) und „Road to Perdition“ (2002) ließ sich der am britischen Theater geschulte Sam Mendes genügend Zeit, um das passende nächste Projekt ausfindig zu machen. Die Wahl fiel auf die Autobiografie von Anthony Swofford, der im Sommer 1990 zu den ersten Soldaten gehörte, die Kuwait im Krieg gegen den Irak unterstützen sollten. Mendes inszenierte daraus ein Drama, das sich weniger um Kampfeinsätze als um die ungeheure psychische Belastung dreht, denen die gedrillten Marines in der Wüste am Persischen Golf ausgesetzt gewesen sind.
Inhalt:
Anthony „Swoff“ Swofford (Jake Gyllenhaal) hat sich freiwillig für eine Ausbildung bei den Marines entschieden und wird 1989 in einem Bootcamp des United States Marine Corps unter der Führung von Staff Sergeant Sykes (Jamie Foxx) zum Scharfschützen ausgebildet. Wie brutal die Ausbildung verläuft, erfährt Swoff bei einer Übung, bei der er mit seinen Kameraden im Schlamm unter Stacheldraht und Beschuss vorwärtsrobben, einer von Swoffs Kameraden die Nerven verliert und im echten Maschinengewehrfeuer getötet wird. Zum Abschluss der Ausbildung sehen sich die frisch gebackenen Marines Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“ an und bejubeln lautstark die berühmte Szene, in der die Helikopter der Luftkavallerie ein vietnamesisches Dorf zu den Klängen von Wagners Walkürenritt zerstören, bevor die Filmvorführung allerdings abgebrochen wird und die Soldaten aufgefordert werden, sich in ihre Unterkünfte zu begeben und sich abmarschbereit zu halten. Der irakische Präsident Saddam Hussein ist mit seinen Truppen nämlich in Kuwait einmarschiert, worauf US-Präsident George Bush sen. amerikanische Truppen mit Aufklärern und Scharfschützen nach Saudi Arabien verlegt, um die dortigen Ölvorkommen zu schützen.
Doch aus dem vermeintlich kurzen Einsatz wird eine jahrelange Tortur, in der Swoff und seine Kameraden tagein tagaus ihre geliebten Gewehre putzen, Wasser trinken, Schießübungen absolvieren, Granaten werfen, Wasser ausscheiden, masturbieren und schlafen. Etwas Abwechslung kommt durch ein Fernsehteam in den Alltag, vor dem sie in ABC-Schutzanzügen Football spielen und zensierte Interviews geben. Über den Briefen ihrer Freundinnen stellen sie sich vor, wie diese daheim mit anderen Männern ins Bett gehen. Die ständigen Drills unter der Wüstensonne zersetzt den Verstand, so dass ausgerechnet Swoffs Partner Troy (Peter Sarsgaard), der zuvor immer einen kühlen Kopf bewahrt hat, bei dem lang ersehnten Einsatz die Rücknahme eines Schießbefehls durch Major Lincoln (Dennis Haysbert) die Nerven verliert, weil ihm der Moment, auf den er so lange hingearbeitet hat, gestohlen wird.
Kritik:
Ehe sich Anthony Swofford, dessen Vater während des Vietnamkriegs als Offizier in der United States Air Force gedient hatte, versieht, findet er sich in der Ausbildungshölle der Marines wieder. Die erste Szene in Sam Mendes‘ „Jarhead – Willkommen im Dreck“ mit dem Stubenappell scheint eine direkte Kopie von Stanley Kubricks Antikriegs-Klassiker „Full Metal Jacket“ zu sein, doch Mendes fokussiert sich nicht im geringsten auf das Treiben auf dem Schlachtfeld, sondern bleibt stringent bei seiner Hauptfigur, seiner Ausbildung und der zermürbenden Zeit in der Wüste, die er mit seinen Kameraden in Erwartung eines echten Einsatzes verbringt. Der Oscar-nominierte Drehbuchautor William Broyles Jr. („Apollo 13“, „Flags of Our Fathers“), der im Vietnamkrieg Kampfpilot war, adaptierte Swoffords Autobiografie für die Leinwand und schuf eine authentisch wirkende Geschichte, die die Sinnlosigkeit aller Kriege anprangert.
Dazu braucht es eben nicht blutige Schlachten zwischen den Kriegsparteien, sondern es reicht die nachhaltige Zermürbung der ganz auf ihre militärischen Aufgaben reduzierten Soldaten, um bleibende Schäden zu hinterlassen. Der Titel „Jarhead“ geht auf die umgangssprachliche Beschreibung dieser Elitesoldaten der US Marine zurück und bezeichnet ein Schraubglas, das hier letztlich als leeres Gefäß fungiert, denn mehr ist ein Marine letztlich nicht, nachdem ihm durch den brutalen Drill jede Persönlichkeit genommen worden ist. Mendes nimmt sich viel Zeit, um den enervierenden Alltagstrott der Scharfschützen zu beschreiben, die Routine aus den immer gleichen Übungen in der sengenden Wüstenhitze und der allgegenwärtige Alarmzustand, der vor allem deshalb so zermürbt, weil die Soldaten vergeblich darauf warten, das tun zu können, wozu sie ausgebildet wurden.
Dass dieses emotionale Wechselbad der Gefühle, zu denen auch die Zweifel an de Treue der Soldaten-Frauen/Freundinnen gehört, so glaubwürdig vermittelt wird, ist neben Mendes‘ wie gewohnt vorzüglicher Regie auch den tollen Darstellern zu verdanken, allen voran dem ausdrucksstarken, nuancierten Spiel von Jake Gyllenhaal („Donnie Darko“, „Prisoners“), aber auch von Peter Sarsgaard („Frau im Dunkeln“, „The Batman“) und Jamie Foxx („Collateral“, „Django Unchained“). Dazu hat Kamera-As Roger Deakins („A Serious Man“, „Sicario“) grandiose Bilder geschaffen, vor allem bei den hell lodernden Flammen des brennenden Öls, die die nächtliche Wüste mit einem goldgelben Glanz versehen.
Davon abgesehen macht „Jarhead“ gerade bei der Heimkehr der Soldaten und dem Auftritt eines Vietnam-Veteranen deutlich, dass alle Krieg gleich und alle Kriege schrecklich sind.
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