Anna
In seinem 1990 entstandenen Action-Thriller „Nikita“ ließ Luc Besson Anne Parillaud als drogenabhängige Titelheldin, die wegen Mordes an einem Polizisten zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden ist, zu einer Profikillerin im Dienste des Staates ausbilden. Fast dreißig Jahre später wiederholt der französische Drehbuchautor, Regisseur und Produzent das Szenario mit leicht veränderten Vorzeichen. Diesmal wird ein russisches Model vom KGB angeworben, um in Frankreich einen russischen Waffenschieber zu eliminieren. Doch damit ist es natürlich nicht getan.
Die attraktive wie hochintelligente Anna Poliatova (Sasha Luss) hat es satt, von schmierigen Typen ausgenutzt zu werden und nimmt deshalb dankbar das Angebot von Samy (Jean-Baptiste Puech) an, für eine Pariser Model-Agentur zu arbeiten. In der französischen Hauptstadt bekommt sie wie viele andere Anfängerinnen ein Zimmer in einer von vielen anderen Models bewohnten Wohnung zugewiesen, wo sie sich schnell mit Maude (Lera Abova) anfreundet. Auf einer Party lernt sie mit Oleg (Andrew Howard) den russischen Geschäftspartner ihres Chefs John (Adrian Can) kennen und beginnt, mit ihm auszugehen. Nach etlichen Rendezvous drängt Oleg darauf, mit Anna ins Bett zu gehen, doch statt Sex gibt es nur eine Kugel in den Kopf. Annas Modeljob dient ihr nämlich nur als Tarnung, seit sie von KGB-Agent Alex Tchenkov (Luke Evans) auf ihre Bewerbung hin als Spionin für den sowjetischen Geheimdienst rekrutiert wurde.
Von Alex‘ Vorgesetzter Olga (Helen Mirren) wird sie immer wieder für besonders heikle Aufgaben eingesetzt. Als Anna einen deutschen Waffenhändler in dessen Hotelzimmer eliminieren soll, wird sie jedoch verhaftet und von CIA-Agent Lenny Miller (Cillian Murphy) gezwungen, auch für die Amerikaner zu arbeiten. Dafür winkt ihr eine Zukunft auf Hawaii. Allerdings erfordert der dazu nötige Auftrag all ihre intellektuellen und körperlichen Fähigkeiten…
Kritik:
Luc Besson hat offensichtlich Gefallen an Frauen in der Rolle der erbarmungslosen Killerin. „Nikita“ war nur der Startschuss einer losen Folge von Filmen, in denen Besson eine grazile Schönheit aus der Gosse holte und sie durch einen geheimnisvollen Mentor zu einer tödlichen Waffe umfunktionierte, um höchst effizient die bösen Buben in dieser Welt auszuschalten. Nach „Nikita“ und „Lucy“ (2014) ist es nun „Anna“, die mit ihrer makellosen Schönheit den Männern reihenweise den Kopf verdreht, wobei sie sich auf ein Spiel mit oft tödlichem Ende einlassen.
Wenn man mit Bessons Werk einigermaßen vertraut ist, wird man wenig Neues in „Anna“ entdecken.
Besson hat dem russischen Model Sasha Luss, das 2011 von Karl Lagerfeld entdeckt wurde, bereits in dem gigantischen Science-Fiction-Flop „Valerian - Die Stadt der tausend Planeten“ den Start in eine mögliche Schauspiel-Karriere ermöglicht. Nun darf sie in „Anna“ nicht nur mit der Rolle als Model kokettieren, die sie überhaupt bekannt gemacht hat, sondern auch ihr Talent als taffe Einzelkämpferin unter Beweis stellen.
Die Story fällt dabei recht konventionell aus. Das Spiel mit der Identität als Doppelagentin für die beiden mächtigsten Geheimdienste dient letztlich nur als Rahmen für eindrucksvolle Action-Sequenzen, in denen Anna sich wie ein präzises Uhrwerk durch eine ganze Armada von männlichen Bodyguards und Agenten pflügt, und ihre angestrengten Bemühungen, endlich den Käfig verlassen zu können, in dem sie ihr ganzes Leben gesteckt hat.
Dynamik erhält der Plot durch die vielen Sprünge in Ort und Zeit, so dass geschickt erst nach und nach die Twists aufgelöst werden, die die überraschende Entwicklung von Annas Karriere nachvollziehbar machen.
Schauspielerisch wird Sasha Luss nur in physischer Hinsicht gefordert. Von ihren Kampfeinsätzen abgesehen, wirkt die attraktive Russin stets sehr abgeklärt und unbeteiligt, selbst in ihrer Beziehung zu Maude, aber auch bei den schnellen Sex-Nummern. Als Identifikationsfigur taugt sie so viel weniger als beispielsweise Nikita oder Lucy.
Dagegen darf Helen Mirren („Die Queen“, „Hitchcock“) als Annas humpelnde und kettenrauchende Einsatzleiterin mit grotesker Frisur und dicker Brille bis an die Grenze zur Parodie aufspielen.
Mit „Anna“ beweist Luc Besson einmal mehr ein gutes Gespür für kurzweilige, toll fotografierte Action, die er allerdings routiniert abspult und ohne ansatzweise innovative Momente versieht. Das trifft auch auf den konventionellen Soundtrack seines langjährigen Hauskomponisten Eric Serra zu, dessen ideenloser Score einfach nur funktional ausgestattet ist.
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