Vier Vögel am Galgen
Nachdem der US-amerikanische Schauspieler Lee Marvin (1924-1987) Anfang der 1950er Jahre erste Nebenrollen in Western wie „Schüsse in Neu Mexiko“, „Goldraub in Texas“ und „Seminola“ verkörperte, war er in den 1960ern weit prominenter in Filmen wie „Die Comancheros“, „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“, „Das dreckige Dutzend“ und „Point Black“ zu sehen. 1974 spielte er in seinem vorletzten Western „Vier Vögel am Galgen“ einen alternden Bankräuber, der drei junge Männer in seiner Profession anlernt.
Inhalt:
Als die drei Freunde Wilson Young (Gary Grimes), Tod Hayhew (Charles Martin Smith) und Les Richter (Ron Howard) einen schwer verletzten Mann (Lee Marvin) in der Wüste finden, bringen sie ihn in die Scheune auf der Young-Farm, wo er sich ausruhen kann und mit Essensresten versorgt wird. Völlig fasziniert sind die drei Halbstarken von dem Bekenntnis des Verletzten, der sich als Harry Spikes vorstellt, dass er ein in mehreren Staaten gesuchter Bankräuber sei.
Als Spikes sich fit genug zum Weiterziehen fühlt, bedankt er sich und verspricht den Jungs, zu jeder Zeit auf seine Hilfe zählen zu können. Dann macht er sich mit Wilsons Pferd auf den Weg. Wilsons Vater ist von dieser Geste seines Sohnes wenig angetan und lässt ihn seinen Gürtel spüren. Für Wilson ist dieser Vorfall der Auslöser, die Farm seines Vaters, auf der er sein junges Leben lang geschuftet hat, zu verlassen, um das Abenteuer zu suchen. Seine beiden Freunde begleiten ihn schließlich. Doch der Traum von Unabhängigkeit, Freiheit und Abenteuer weicht bald der Ernüchterung, als sie kein Geld mehr für Essen haben und anstrengende Jobs auf den Feldern oder als Tellerwäscher annehmen müssen, um über die Runden zu kommen. Schließlich überfallen sie eine Bank, erschießen auf der Flucht aber versehentlich einen Senator und landen schließlich im Gefängnis.
Als ihr Traum bereits ausgeträumt zu sein scheint, entdecken sie durch das Fenstergitter überraschend Harry Spikes und sind hoch erfreut, dass er sie freikaufen kann. Er bringt ihnen das Schießen bei und gründet mit ihnen schließlich die Spikes Gang. Doch als Outlaws sind sie ständig auf der Flucht und dem Tode mehr als nur nah …
Kritik:
Als Richard Fleischer 1974 „Vier Vögel am Galgen“ nach dem Roman „The Bank Robber“ von Giles Tippette inszenierte, hatte der klassische Western bereits ausgedient, so dass eine neue Art von Geschichten erzählt werden musste, um das Publikum anzuziehen. Hollywood-Star Lee Marvin ist natürlich das eine schlagkräftige Argument, zum anderen ist es die fast schon zu heitere Coming-of-Age-Story dreier Halbstarker, die sich nicht wie ihre Väter ihr Leben lang auf der Farm abschuften wollen.
Dass die Umsetzung ihrer Abenteuerlust ihre Tücken hat, lernen sie früh genug. Fleischer gelingt es gut, von Beginn an Sympathien sowohl für den charismatischen, alternden Bankräuber als auch die drei Jungs beim Publikum hervorzurufen. Marvins Figur ist aber auch als souverän agierender Manipulator angelegt, der seine Interessen gut zu verkaufen versteht. So gelingt es ihm mühelos, die drei Jungs für sein Schicksal und sein aufregendes Leben als Bankräuber zu begeistern, mit Frauen, Häusern und Barvermögen in verschiedenen Städten. Später, als er nicht mehr auf ihre Hilfe angewiesen ist, aber keine anderen Verpflichtungen hat, kümmert er sich wie ein Ersatzvater rührend um sie, macht sie schließlich zu Komplizen und bringt sie vollends vom rechten Weg ab. D
ass sich Verbrechen am Ende nicht lohnt und der Preis für die größtmögliche Unabhängigkeit am Ende vielleicht zu hoch ist, müssen die Jungs auf die harte Weise lernen. Die Jung-Darsteller sind gut gewählt und stehen mit ihren Figuren auch im Zentrum der Erzählung, deren Ton bald wechselt von dem anfänglichen Staunen und der Abenteuerlust zur desillusionierenden Erkenntnis, dass Tod, Schmerz, Entbehrung und Verlust stete Begleiter im Leben eines Menschen sind, so sehr er sich auch von den Fesseln der Gesellschaft lösen will.
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