Red Wedding Night

Nach seiner Hochzeit Anfang der 1960er Jahre mit seinem noch in Schwarzweiß gedrehten Debüt „Die Stunde, wenn Dracula kommt“, den beiden Gothic-Horror-Perlen „Die drei Gesichter der Furcht“ und „Der Dämon und die Jungfrau“ sowie dem Giallo „Blutige Seide“ unternahm Mario Bava unter Pseudonym zwei seltene wie untypische Ausflüge ins Western-Genre („Der Ritt nach Alamo“, „Nebraska-Jim“), um dann sogar mit „Der Spion, der aus dem Speiseeis kam“ und „Gefahr: Diabolik!“ ins Action-Komödienfach zu wechseln. Das 1970 entstandene Thriller-Drama „Red Wedding Night“ bietet dagegen wieder einen Bava in Reinform, der geschickt mehrere Genres vermischt.

Inhalt: 

Der attraktive 30-jährige John Harrington (Stephen Forsyth) unterhält ein gut gehendes Geschäft für Brautmoden, das er allerdings auch nur dem Kapital seiner verhassten Frau Mildred (Laura Betti) zu verdanken hat. Das Geschäft dient John vor allem als Sammelbecken attraktiver junger Frauen, denen er nach dem Kennenlernen und Verkauf der Brautkleider auflauert, um sie mit einem Hackebeil zu töten. Dabei ist John deutlich bewusst, dass er ein Paranoiker mit dem Drang zu töten ist. Irgendetwas muss in seiner Kindheit geschehen sein, das diese Mordlust ausgelöst hat, und er wird definitiv nicht zu töten aufhören können, bevor er sich selbst dieses Geheimnis nicht gelüftet hat. Wenn er nicht gerade ein Brautpaar während der Flitterwochen in einem Zugabteil zerstückelt, entsorgt er die Frauenleichen in dem Verbrennungsofen in seinem Treibhaus, in dem John wunderschöne Blumen züchtet. Nachdem John allein im vergangenen Jahr drei Frauen getötet hat, bekommt er immer wieder Besuch vom ermittelnden, noch völlig Dunklen tappenden Inspector Russell (Jesús Puente), der sicher einen Verdacht hegt, John aber letztlich nicht beweisen kann, dass er für das Verschwinden der jungen Damen verantwortlich ist. 
Da Mildred immer wieder betont, sich auf keinen Fall von ihm scheiden zu lassen, landet sie natürlich ebenso auf Johns Abschussliste. Doch nachdem er sie erwartungsgemäß ins Jenseits gehackt hat, erscheint die spiritistisch interessierte Frau plötzlich allen Menschen außer John als Geist in schwarzem Kostüm. Bevor John völlig verrückt wird, umgarnt ihn allerdings seine neue Angestellte, das Model Helen Wood (Dagmar Lassander), der er sogar sein geheimes Refugium zeigt – ein kleines Zimmer mit lauter Schaufensterpuppen, die seine Brautmode tragen, und Kinderspielzeug aus vermeintlich glücklicheren Tagen … 

Kritik: 

Nach einem Drehbuch des spanischen Genre-Spezialisten Santiago Moncada („Die Qual der Geiseln“, „Der Clan der Killer“), an dem auch Mario Bava selbst und Mildred-Darstellerin Laura Betti mitgearbeitet haben, erzählt Bava eine ungewöhnliche Kriminalgeschichte, in der es ganz genreuntypisch nicht darum geht, die Identität des Serienmörders zu enttarnen, sondern den gleich zu Beginn vorgestellten Killer bei seinem Tun zu beobachten. Die Spannung bezieht sich hier aus der Frage, warum John Harrington zum Mörder geworden ist und ob es ihm gelingt, das Motiv zu entschlüsseln. Bava zwingt den Zuschauer, sich von Beginn an mit dem zwar äußerst attraktiven, aber nicht wirklich sympathischen Protagonisten zu identifizieren, wenn der Mord an dem jungen Brautpaar im Zugabteil mit der subjektiven Handkamera gefilmt wird. 
Bava, der auch selbst die Kamera geführt hat, bleibt stets dicht bei seiner Hauptfigur, aber auch die oft vor Furcht erstarrten Gesichter von Johns Opfern fängt er in eindrucksvollen Nahaufnahmen ein. Überhaupt gerät wie so oft bei dem italienischen Bildästheten die Story fast zur Nebensache. Die wenig überraschende Auflösung zum Schluss fällt nicht allzu negativ ins Gewicht, weil uns der versierte Regisseur bis dahin allein mit seinen rauschhaften Bildern gefesselt hat. 
Scheinbar mühelos gelingt es ihm, den Krimi-Plot mit einer weniger gelungenen Geistergeschichte und einer schwarzen Komödie zu verbinden. Wenn er dann auch noch seinen Protagonisten mit grellrot geschminkten Lippen und angelegtem Brautschleier seine Frau mit dem Schlachterbeil attackiert, erweist er sogar ganz direkt Alfred Hitchcock und dessen Meisterwerk „Psycho“ seine Referenz. 
„Red Wedding Night“ fasziniert vor allem durch seine berauschenden Kulissen - dazu zählen die wunderbare Villa, in der John mit seiner reichen Frau lebt, und das weiträumige Brautmodengeschäft – sowie die für Bava so berühmte Ausleuchtung und Farbgebung. Nachdem er mit „Blutige Seide“ 1964 den Grundstein für das Giallo-Genre gelegt hatte, variierte Mario Bava die Serienkiller-Thematik in „Red Wedding Night“ auf ebenso interessante wie sehenswerte Weise.  

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