Der Dämon und die Jungfrau

Nachdem Mario Bava seine Filmkarriere Anfang der 1940er Jahre zunächst als Kameramann begonnen hatte und dann Kurzfilme drehte, half er Ende der 1950er Jahre bei etlichen Produktionen („Der Vampir von Notre-Dame“, „Herkules und die Königin der Amazonen“, „Die Schlacht von Marathon“) als Ersatz-Regisseur aus, bevor er 1960 die Gelegenheit nutzte, mit seinem im effektvollen Schwarzweiß gedrehten Debüt „Die Stunde, wenn Dracula kommt“ als neuer Stern am Himmel des Horror-Genres zu glänzen. Dass er aber nicht nur Licht, sondern auch Farben auf brillante Weise einzusetzen verstand, bewies er mit den beiden 1963 entstandenen Produktionen „Die drei Gesichter der Furcht“ und vor allem mit dem schaurig-schönen Psycho-Horror „Der Dämon und die Jungfrau“

Inhalt: 

Zur Hochzeit seines Bruders Christian (Tony Kendall) mit der bildschönen Nevenka (Daliah Lavi) kehrt Kurt Menliff (Christopher Lee) nach Jahren auf das Schloss seiner Familie zurück, wo er es allerdings auf das Vermögen des mittlerweile totkranken Vaters (Gustavo De Nardo) abgesehen hat. Der hatte seinen Sohn einst verstoßen, nachdem er mit Tanja die Tochter der Haushälterin Giorgia (Harriet Medin) erst verführt und dann in den Selbstmord getrieben hatte. Doch noch ein anderer Grund führte Kurt nach Hause zurück: Er will die Braut seines Bruders ganz für sich allein haben, hatten sie doch damals eine heimliche, sadomasochistische Affäre. 
Davon will Nevenka eigentlich nichts wissen, doch verfällt sie dem grausamen Charme ihres einstigen Liebhabers. Bevor sich das frühere Liebespaar allerdings wieder vereinen kann, wird Kurt erstochen aufgefunden – interessanterweise mit dem Dolch, der auch Tanjas Leben beendet hatte. Doch nachdem Kurt in einer Gruft im Schlosskeller beigesetzt wurde, folgen weitere Morde, und Nevenka glaubt gar, dass Kurt nach wie vor sein teuflisches Spiel im Schloss treibt, nachdem er geschworen hatte, sich an der ganzen Familie zu rächen …

Kritik: 

In gewisser Weise wiederholt Mario Bava das Konzept seines bemerkenswerten Debüts „Die Stunde, wenn Dracula kommt“. Wieder spielt sich das Geschehen in einem einsam an den Felsklippen gelegenen Schloss ab, in dem ein längst glanzloses Adelsgeschlecht für sich allein lebt und das von Geheimgängen durchzogen ist. Für die adäquate Gothic-Atmosphäre sorgen knarrende Türen und klappernde Fenster, bedrohliche Wolkengebilde am Nachthimmel und unerklärliche Phänomene wie die mysteriösen Fußspuren, die letztlich zu Kurts Gruft führen, und der immer wieder auftauchende Dolch. Ähnlich sind sich vor allem die beiden Hauptdarstellerinnen. 
Barbara Steele lehnte es ab, nach ihrem Erfolg in „Die Stunde, wenn Dracula kommt“ noch einmal in einem Horrorfilm mitzuspielen, aber die damals 20-jährige Daliah Lavi mit ihren langen schwarzen Haaren, den großen Augen und den markanten Wangenknochen stellt einen mehr als brauchbaren Ersatz dar. Wie in den meisten Filmen des italienischen Regisseurs ist die Handlung eher nebensächlich, wirkt hier aber schon in sich kohärenter als im Debüt, wo das Drehbuch während der Produktion immer wieder umgeschrieben worden war. 
Bava etabliert gleich zwei Handlungselemente in „Der Dämon und die Jungfrau“. Bereits mit der ersten Begegnung von Kurt und Nevenka wird ihre sadomasochistische Beziehung herausgestellt, die sie früher verbunden hat. Und mit Kurts frühem Tod wird auch gleich ein Whodunit-Plot implementiert, der ebenso wie die leidenschaftliche und unerfüllte Liebesbeziehung zwischen Kurt und Nevenka bis zum Ende durchgespielt wird. Es ist vor allem hervorzuheben, wie geschickt Bava das sadomasochistische Element inszeniert. Er kommt dabei ohne effektheischende Erotik aus, aber Nevenkas ängstlich aufgerissene Augen im Zusammenspiel mit ihrem lustvollen Seufzen, der knallenden Peitsche und des bedrohlich ausgeleuchteten Gesichts ihres Peinigers/Liebhabers genügen vollkommen, das ganze Spektrum der verzweifelten, unerfüllten Leidenschaft abzudecken, das die Grundstimmung des Grusel-Dramas bestimmt. 
Die erreichte der Maestro vor allem durch seine mittlerweile berühmte Farbdramaturgie. Die detailliert vor allem in Rot, Blau und Grün ausgeleuchteten Kulissen tragen am meisten zur angenehm schaurigen Stimmung des Films bei, der vor allem für den amerikanischen Markt konzipiert wurde und deshalb etliche Pseudonyme in den Credits aufwies. Bava selbst tritt hier als John M. Old auf, sein Kameramann Ubaldo Terzano als David Hamilton und Komponist Carlo Rustichelli als Jim Murphy, der ein wunderschönes, immer wiederkehrendes romantisches Thema für den Film beisteuerte. 
Neben den eindrucksvollen Kulissen, den unwirklich-betörenden Technicolor-Farben und der wundervollen Ausleuchtung tragen die guten Darsteller ebenfalls dazu bei, dass Bavas (etwas unglücklich betitelter Film) „Der Dämon und die Jungfrau“ zu den besten Werken nicht nur des italienischen Horror-Genres zählt. 

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