Die Nacht der offenen Särge
Jesús „Jess“ Franco (1930-2013) kam auf über 100 Credits als Schauspieler und doppelt so viele als Regisseur, dazu kommen noch mal über 180 Nennungen als Drehbuchautor dazu. In seiner Werksbiographie finden sich Edgar-Wallace-Krimis („Der Teufel kam aus Akasava“, „Der Todesrächer von Soho“) wie Beiträge zur „Dr. Fu Man Chu“-Reihe mit Christopher Lee in der Hauptrolle, aber bekannt geworden ist er vor allem für seine oft sadomasochistisch angehauchten Sex-Filmchen („Venus im Pelz“, „Rote Lippen, Sadisterotica“, „Marquis de Sade: Justine“) und seine Horrorfilme. So entstand 1972 mit „Die Nacht der offenen Särge“ eine krude Mischung aus Dracula- und Frankenstein Motiven (weshalb der Film im Original „Drácula contra Frankenstein“ betitelt ist), die nur für eingefleischte Franco-Fans unterhaltsam ist.
Inhalt:
Der Wissenschaftler Dr. Exorcio/Frankenstein (Dennis Price) hat nicht weniger im Sinn, als die Weltherrschaft an sich zu reißen. Zu diesem Zwecke will er sich zunächst die Dienste der Vampire sichern, die dafür sorgen sollen, seine Gefolgschaft zu vergrößern. Nachdem sein Widersacher Dr. Seward (Alberto Dalbés) den mächtigen Vampir Graf Sartana/Dracula (Howard Vernon) in dessen Sarg gepfählt hat, erweckt er ihn in seinem Labor mit einem Blutbad wieder zum „Leben“ – ebenso wie seine eigene Schöpfung (Fernando Bilbao). Zusammen mit Exorcios missgebildeten, grunzenden Diener Morpho (Luis Barboo) machen sich der Blutsauger und das bärenstarke Monster auf die Jagd nach Gefährten, die vor allem in Gestalt junger, schöner Frauen daherkommen. Während Exorcios Armee an Untoten allmählich anwächst, bekommt Seward von unerwarteter Seite Hilfe: Nachdem Frankensteins Monster ihn schwer verletzt hat, päppelt ihn die Zigeuner-Hexe Amira (Geneviève Robert) wieder auf und prophezeit ihm, dass er nach seiner Genesung Unterstützung von einem Werwolf im Kampf gegen Exorcio bekomme …
Kritik:
In den 1970er und 1980er Jahren war der Vielfilmer Franco besonders produktiv unterwegs. Allein in den beiden Jahren 1972 und 1972 inszenierte der Spanier über zwanzig (!) Filme, darunter so vielsagende Titel wie „Jungfrauen-Report“, „Sex Charade“, „Robinson und seine wilden Sklavinnen“, „Entfesselte Begierde“, „Das Blutgericht der gequälten Frauen“ und „Eine Jungfrau in den Krallen von Zombies“. Dass bei so vielen oft parallel gefilmten Werken die Qualität nicht an oberster Stelle stand, dürfte einleuchten. Interessant ist aber zu beobachten, wie Franco aus wenigen Mitteln zumindest etwas Stimmung und Unterhaltung – so billig sie auch ausfallen mag – zu kreieren versucht. Zunächst gelingt es dem Drehbuchautoren und Regisseur auch ganz gut, eine nette Gruselatmosphäre zu schaffen. Das Schloss liegt oben auf einem Berg im dunkelblauen Nebel eingehüllt, durch die leeren Gassen der Stadt trappelt ein einsames Pferdegespann, und kreischende Fledermäuse und klappernde Fensterläden kündigen schon mal die Vampir-Thematik an. Schauspielerisch wird dabei wenig verlangt und entsprechend auch wenig geboten. Selten macht sich Franco die Mühe, seine Figuren miteinander reden zu lassen. Vielmehr sind die einzelnen Charaktere aus dem Off zu hören. So konnte sich Franco ganz auf das Abdrehen ohne großartig gesprochenen Ton konzentrieren und die auditive Ebene fast komplett der Postproduktion überlassen. Hier leistete wenigstens Bruno Nicolai („An den Galgen, Hombre“, „Sartana kommt“) wie so oft im Dienste des spanischen Filmemachers bei der musikalischen Untermalung gute Arbeit. Und auch die Bilder von Kameramann José Climent („Die große Treibjagd“, „Die nackten Augen der Nacht“) sind in einigen Momenten gut gelungen. Dagegen wirken die Darsteller durchweg lustlos, was sicher damit begründet werden kann, dass sie kaum Text zu sprechen hatten und nur lust- oder qualvoll stöhnen bzw. benommen in die Kamera gucken mussten. Einzig die gelegentlich leicht bekleideten Damen sorgen für Lichtblicke in diesem Horror-Trash-Cocktail, der mit Vorsicht zu genießen ist.
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