The Father
Der 1979 in Paris geborene Florian Zeller ist zwar seit seinem 2002 veröffentlichten Roman „Neiges artificielles“ vor allem als Schriftsteller bekannt geworden, doch etablierte sich der Franzose mit Theaterstücken wie „Die Mutter“, „Die Wahrheit“, „Der Vater“, „Eine Stunde Ruhe“ und „Die Lüge“ zu einem der bedeutendsten Dramatiker seiner Generation. 2020 legte er mit der Adaption seines eigenen Theaterstücks „Le Père“ sein Oscar-prämiertes Leinwand-Regiedebüt vor. „The Father“ überzeugt vor allem durch die beiden großartigen Darsteller Anthony Hopkins und Olivia Colman, fesselt aber auch eine stringente Inszenierung.
Inhalt:
Anthony (Anthony Hopkins) leidet im Alter immer stärker unter Demenz, will dies aber ebenso wenig wahrhaben wie er die Hilfe einer Pflegerin in Anspruch nehmen möchte, die ihm seine Tochter Anne (Olivia Colman) in die Wohnung gebracht hat. Da Anne mit ihrer neuen Liebe Paul (Rufus Sewell) aber von London nach Paris ziehen will, muss eine Lösung für Anthonys Betreuung her. Der alte Mann fühlt sich im Stich gelassen, beharrt aber darauf, weiterhin in seiner Wohnung bleiben zu dürfen.
Doch das Leben hält immer wieder unliebsame Überraschungen für ihn bereit. Die letzte Pflegerin bezichtigt er des Diebstahls seiner Armbanduhr, die er allerdings kurz darauf im Schlafzimmer wiederfindet. Er wundert sich über die Anwesenheit eines ihm unbekannten Mannes (Mark Gatiss), der behauptet, Annes Mann Paul zu sein, und nichts davon zu wissen scheint, dass Anne einen neuen Mann habe, mit dem sie nach Paris gehen will. Und auch die Frau (Olivia Williams), die kurz darauf in die Wohnung kommt und behauptet, seine Tochter Anne zu sein, erkennt Anthony nicht. Besserung scheint in Sicht, als sich die neue Pflegerin Laura (Imogen Poots) vorstellt, der sich Anthony gegenüber ungewohnt charmant präsentiert, aber Anne weist die junge Frau vorsorglich darauf hin, dass Anthony auch andere Seiten habe, die Laura auch wenig später zu spüren bekommt …
Kritik:
Um sein 2012 uraufgeführtes und preisgekröntes Theaterstück „Le Père“ auf die Leinwand zu bringen, hat sich Florian Zeller prominente Unterstützung geholt und mit dem Oscar-prämierten, mit der Adaption literarischer Stoffe vertrauten Autor Christopher Hampton („Abbitte“, „Gefährliche Liebschaften“) das Drehbuch verfasst. Auch wenn sich die Geschichte von „The Father“ größtenteils in vermeintlich nur einer Wohnung abspielt und so der Theatercharakter in der Begrenztheit von Kulisse und Darstellern gewahrt bleibt, nutzt Zeller die Möglichkeiten des Kinos effizient, um die wachsende Verwirrung von Anthonys Geisteszustand aufzuzeigen.
Dabei konzentriert sich der Dramatiker in seiner ersten Filmarbeit ganz auf Anthonys Perspektive, so dass der Zuschauer die Welt mit Anthonys Augen zu sehen bekommt und so nachempfinden kann, wie das unerwartete Auftauchen ihm fremd erscheinender Personen immer wieder neuen Schrecken verursacht. Kontinuität erfährt Anthony allein durch die von Olivia Colman verkörperte Tochter Anne, durch seine immer wieder verlegte Uhr und seine Wohnung, in der aber immer wieder kleinere wie größere Details verändert sind, am offensichtlichsten in dem ihm vertrauten Wandbild, das auf einmal nicht mehr vorhanden ist, wie er bemerkt, aber auch in der Beschaffenheit des Flurs. Für den Zuschauer wird die Tortur der fortwährenden Veränderung an sich vertrauter Dinge und Menschen besonders in den beiden Szenen deutlich, als ihn Paul – einmal in der Gestalt von Rufus Sewell, dann in der von Mark Gatiss – fragt, wie lange Anthony seiner Tochter und ihm selbst eigentlich noch auf den Sack gehen will.
Für das Publikum wird durch den ständigen, geschickt geschnittenen Wechsel der Darsteller selbst erfahrbar, was die Demenz mit einem Menschen anstellt, welche Unsicherheit und Desorientierung sie mit sich bringt. Dass dieses Hineinversetzen in eine Person mit so einer Krankheit so gut funktioniert, ist vor allem den beiden Darstellern zu verdanken, vor allem natürlich Anthony Hopkins, der verdientermaßen mit einem Oscar belohnt wurde, aber auch Olivia Colman, die immerhin auch für einen Oscar nominiert wurde und die das Dilemma, sich sowohl um ihren dementen Vater kümmern zu müssen, als auch ihr eigenes Leben und ihre Liebe genießen zu wollen, eindringlich darstellt. Dazu sorgen der minimalistische Score von Ludovico Einaudi, der gekonnte Schnitt und die fließende Inszenierung dafür, dass das Oscar-prämierte Drehbuch so gekonnt umgesetzt wurde.
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