Blutige Seide
Mario Bava hat nach seinem effektvoll in Schwarzweiß gedrehten Debüt „Die Stunde, wenn Dracula kommt“ (1960) bereits mit „La ragazza che sapeva troppo“ (1963) einen Vorläufer des später einflussreichen, von Bava mitbegründeten Giallo-Genres präsentiert, ehe er mit „Die drei Gesichter der Furcht“ und „Der Dämon und die Jungfrau“ die Gefilde des Gothic-Horrors in leuchtenden Farben bereiste. Mit seinem nachfolgenden Werk „Blutige Seide“ (1964) setzte Bava einmal mehr neue Maßstäbe.
Inhalt:
Die Contessa Christiana (Eva Bartok) führt zusammen mit ihrem Geschäftsführer Max (Cameron Mitchell) eine erfolgreiche Modeagentur. Allerdings wird das quirlige Arbeitsleben der Models von dem Mord an ihrer Kollegin Isabella (Francesca Ungaro) getrübt. Die Ermittlungen in diesem Fall übernimmt Inspektor Silvestri (Thomas Reiner), aber weder in der Agentur noch bei Isabellas Liebhaber, dem Antiquitätenhändler Franco (Dante DiPaolo), findet er brauchbare Hinweise, geschweige denn ein Motiv für den Mord. Als das Model Nicole (Ariana Gorini) auf der Suche nach einer Brosche zu dem Kleid, das sie anstelle von Isabelle vorführen soll, zufällig das Tagebuch der Toten entdeckt, schrecken gleich mehrere ihrer Kolleginnen und der anwesenden Männer auf. Zunächst bietet sich die Contessa selbst an, das Tagebuch der Polizei zu übergeben, doch Nicole besteht als Entdeckerin des wahrscheinlich sehr aufschlussreichen Tagebuchs darauf, es selbst zu Polizei zu bringen.
Dazu kommt es allerdings nicht, denn ebenso wie Isabella wird auch Nicole von einem maskierten Mörder getötet, nachdem sie erst einige delikate Seiten entfernt hatte, in denen von Erpressung, Drogen und Verrat die Rede ist, und das Buch dann im Kamin verbrannte. Silvestri sieht sich gezwungen, gleich fünf Männer aus dem Umfeld der Modeagentur in Untersuchungshaft zu nehmen, doch als ein weiteres Mädchen getötet wird, steht der Inspektor wieder am Anfang seiner Ermittlungen.
Kritik:
Dass Mario Bava mit Farben und Licht umzugehen versteht, hat er schon vor „Blutige Seide“ eindrucksvoll unter Beweis gestellt, aber nun erreicht er einen neuen Grad der Meisterschaft. Bereits mit dem wundervoll kreierten Vorspann, der in wechselhaften, miteinander spielenden Farben die einzelnen Darsteller nicht nur namentlich, sondern in ihrer jeweiligen Gestalt vorstellt, bereitet Bava sein Publikum auf die Stimmung seines Thrillers vor, das sich zunächst als klassischer Whodunit-Krimi präsentiert, zunehmend aber auch Elemente des Psychothrillers und Horrorfilms aufweist.
Im Gegensatz zu seinen früheren Werken belässt es Bava hier nicht bei Andeutungen der ausgeübten Taten, sondern geht mehr ins Detail, ohne allzu grausame Szenen zu präsentieren. Bava geht es schließlich nicht darum, den Zuschauer mit allzu offenkundigen Taten und ihren Ausführungen zu schockieren, sondern mit der Angst seiner Figuren zu spielen und diese auf möglichst stimmungsvolle Weise auszudrücken. Das gelingt ihm nicht nur auf der bildlichen Ebene mit effektvoll künstlich ausgeleuchteten Szenerien, flackernden Lichtern und dem Spiel mit den Schatten, sondern er setzt auch die auditive Ebene verstärkt ein, um die bedrohliche Stimmung zu verstärken.
Hier leistet Carlo Rustichelli, mit dem Bava bereits bei „Der Dämon und die Jungfrau“ zusammengearbeitet hat, großartige Arbeit, wandelt zwischen beschwingten Melodien und dissonanten Sequenzen gekonnt hin und her.
Die Suche nach der Identität des Mörders gestaltet sich lange Zeit als recht interessant, wird aber unnötig früh aufgelöst, so dass die Spannungskurve danach rasch abnimmt. Doch bis dahin unterhält das temporeiche Spiel um Erpressung, Alibis und falschen Versprechungen auf wunderbare Weise. Hier begegnen wir dem schwarzem Trenchcoat, den schwarzen Handschuhen und dem Rasiermesser – alles Kennzeichen des Giallo-Kinos, das vor allem von Bavas Kollegen Dario Argento und Lucio Fulci maßgeblich fortgeführt wurde.
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