Die Dame im Zug

In den 1930er und 1940er Jahren avancierte die kanadische Sängerin und Schauspielerin Deanna Durbin zum bestbezahlten weiblichen Hollywood-Star, doch hierzulande ist Durbin, die sich bereits mit 27 Jahren aus dem Filmgeschäft zurückzog, kaum bekannt geworden. Zu den wenigen Film noirs, in denen sie mitwirkte, zählte neben Robert Siodmaks „Christmas Holiday“ (1944), auch die Adaption von Leslie Charteries‘ Roman „Die Dame im Zug“ durch Charles David, den Durbin 1948 parallel zu ihrem Rückzug ins Privatleben heiratete. 

Inhalt: 

Nikki Collins (Deanna Durbin), temperamentvolle Tochter aus wohlhabendem Hause, vertreibt sich kurz Weihnachten während ihrer Reise von San Francisco nach New York im Zug mit dem Roman „The Case of the Headless Bride“ vom Kriminalschriftsteller Wayne Morgan (David Bruce), als sie kurz vor der Grand Central Station bei einem Blick durchs Fenster beobachtet, wie zwei Männer in einem Büro miteinander streiten, der jüngere Mann schließlich die Jalousie herabzieht und den älteren Mann mit einem Stemmeisen erschlägt. Aufgeregt berichtet sie dem Gepäckträger von ihrer Beobachtung, doch der Zug hat da längst den Tatort hinter sich gelassen. Am Bahnsteig nimmt sie Mr. Haskell (Edward Everett Horton) vom New Yorker Büro in Empfang und will sie zum Hotel begleiten, doch durch ein Ablenkungsmanöver gelingt es Nikki, Haskell zu entwischen und die nächste Polizeistation aufzusuchen. Doch mit Morgans Krimi in der Hand wird ihr dort nur eine blühende Fantasie bescheinigt, so dass sich Nikki selbst mit den Nachforschungen befasst. 
In einer Wochenschau erkennt sie, dass es sich bei dem Mordopfer um Reeder Joseah Waring handelt. Allerdings wird dort von einem Unfall beim Schmücken des Weihnachtsbaums in seinem Anwesen auf Long Island als Todesursache berichtet. Nikki macht sich auf den Weg zum Waring-Anwesen, wo sie von Arnold Waring (Dan Duryea), dem Neffen des Reeders, ertappt wird. Arnold hält Nikki für die Nachtclubsängerin Margo Martin, die Verlobte seines Onkels, und lässt sie an der Testamentseröffnung durch den Anwalt der Familie, Mr. Wiggam (Samuel S. Hinds), teilnehmen. Warings Neffen Arnold und Jonathan (Ralph Bellamy) gehen ebenso leer aus wie der Rest der Familie, dafür ist Warings Verlobte als Alleinerbin des riesigen Vermögens eingesetzt. 
Nikki bringt sich in den Besitz der blutigen Schuhe, die das Mordopfer getragen hat, und versucht, den von ihr so geschätzten Schriftsteller Wayne Morgan zur Mithilfe bei der Aufklärung des Mordes zu bewegen. Mittlerweile hat Mr. Saunders (George Coulouris), der Sekretär des Reeders, den Chauffeur Danny (Allen Jenkins) damit beauftragt, das belastende Material aus Nikkis Hotelzimmer wiederzubeschaffen. Nikki sucht in dem Nachtclub „The Circus“, in dem Margo auftritt nach weiteren Hinweisen auf den Täter. Dort trifft sie sowohl auf Morgan als auch auf Arnold… 

Kritik: 

Im Film-noir-Genre sind Frauen meist die attraktiven, verführerischen Femmes fatale, die gutgläubigen und naiven Männern meist Unglück bringen, doch es gibt eben auch den Typus der gutmütigen weiblichen Ermittlerinnen, die offenen Herzens komplizierte Verbrechen zu lösen versuchen. 
Als Universal die Bestrebungen des früheren Kinder- und Musicalstars Deanna Durbin („Drei süße Mädels“, „Die ewige Eva“) unterstützen wollte, weg von den harmlos-heiteren Romanzen und Musikfilmen zu dramatischen Rollen zu wechseln, spielte Durbin erst in Robert Siodmaks Verfilmung von W. Somerset Maughams „Christmas Holiday“ (1944) und dann in Charles Davids „Die Dame im Zug“ (1945), der eher eine romantische Komödie mit Durbins Gesangseinlagen in einem Mystery-Krimi à la Agatha Christie darstellt als ein klassischer Film noir. David, der neben „Die Dame im Zug“ nur noch bei „River Gang“ (ebenfalls 1945) Regie führte, gelingt es allerdings, die verschiedenen Genres und Stimmungen stimmig miteinander zu kombinieren. 
Der Film lässt keinen Zweifel daran, dass es sich bei Nikki um eine moralisch integre Frau mit ausgeprägtem Charme, Humor und Gerechtigkeitssinn handelt. Auch wenn sie im Nachtclub notgedrungen die Rolle der Sängerin Margo schlüpft und ein etwas leichteres Kleid trägt, wirkt sie doch nie wirklich verführerisch. Besonders in der schimmernd ausgeleuchteten Szene, in der Nikki ihrem Vater per Telefon den Weihnachtsklassiker „Silent Night“ vorsingt, wird Nikkis unbeschwertes Wesen auf den Punkt gebracht. 
Indes zeigt sich das Finale spannungsreich mit einigen Wendungen, wobei vor allem die tolle Kameraarbeit von Elwood Bredell („Zeuge gesucht“, „Rächer der Unterwelt“) für klassische Noir-Bilder sorgt. So stellt „Die Dame im Zug“ einen ungewohnt leichtfüßig inszenierten und gespielten Film noir dar, in dem vor allem die gut aufgelegten Darsteller zu überzeugen wissen. 

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