Gottes Werk & Teufels Beitrag

Im Verlauf seiner langjährigen Karriere hat der frühere ABBA-Musikvideo-Regisseur Lasse Hallström stets eine Vorliebe für gefühlvolle Literaturstoffe gehabt. Unter seinen bemerkenswerten Bestseller-Adaptionen („Schiffsmeldungen“, „Chocolat“, „Lachsfischen im Jemen“) zählt das zweifach Oscar-prämierte Drama „Gottes Werk & Teufels Beitrag“ (1999) nicht nur wegen der vielen Auszeichnungen zu den besten Werken des schwedischen Filmemachers. John Irving hat dazu selbst das Drehbuch seines eigenen Romans geschrieben und dafür einen der beiden Oscars erhalten – der andere wurde Michael Caine als bester Hauptdarsteller verliehen.

Inhalt: 

In den 1930er Jahren wächst Homer Wells (Tobey Maguire) in einem Waisenhaus in St. Clouds, Maine, als so stiller Junge auf, das er als Baby von seinen vermeintlichen Adoptiveltern umgetauscht wurde, weil er kein Laut von sich gegeben hat – oder von anderen Erwachsenen, in deren Obhut er kam, geschlagen wurde. So liegt Homer vor allem dem Leiter des Waisenhauses, Dr. Wilbur Larch (Michael Caine), besonders am Herzen. Obwohl Homer keine nennenswerte Schulbildung genießt, wird er für seinen Ziehvater zu einem unverzichtbaren Helfer vor allem bei der Entbindung junger Frauen. Allerdings praktiziert Larch auch gesetzeswidrige Abtreibungen, wobei Homer sich weigert, seinem Lehrmeister zur Hand zu gehen. Wie Homer ergeht es auch vielen anderen, weit jüngeren Kindern in St. Clouds, für die Larch ebenso den Vater verkörpert. Jeden Abend liest er den Kindern im Schlafsaal etwas vor und verabschiedet sie mit einem „Gute Nacht, ihr Prinzen von Maine, ihr Könige von New England“ in den Schlaf. Er selbst braucht dazu regelmäßig eine Portion Äther. 
Die Dinge ändern sich, als der zum Kriegsdienst einberufene Lieutenant Wally Worthington (Paul Rudd) und seine Freundin Candy Kendall (Charlize Theron) Dr. Larch aufsuchen, um bei Candy eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Trotz seines Herzfehlers, den Larch ihm als Warnung vermittelt hat, sich nicht den Irrungen und Wirrungen der Welt auszusetzen, verlässt Homer St. Clouds, um auf der Apfelplantage von Wallys Mutter Olive (Kate Nelligan) als Apfelpflücker neue Erfahrungen zu sammeln. Während Candys Freund Wally in den Krieg gegen Japan zieht, kommen sich Candy und Homer näher. Homer freundet sich auch mit den schwarzen Erntehelfern Arthur Rose (Delroy Lindo), dessen Tochter Rose Rose (Erykah Badu), Jack (Evan Parke) und Peaches (Heavy D) an, doch als Rose schwanger wird, muss Homer eine wichtige Entscheidung treffen… 

Kritik: 

Einen über 800 Seiten langen Roman zu verfilmen, ohne Wesentliches wegzulassen, stellt eine enorme Herausforderung dar. Dass John Irving („Das Hotel New Hampshire“, „Garp und wie er die Welt sah“) das Drehbuch zu seinem Roman selbst in die Hand nahm, muss als Glücksgriff betrachtet werden, denn in der zweistündigen Verfilmung durch Lasse Hallström werden die Stärken des Buchs ohne überflüssige Ausschweifungen wunderbar auf den Punkt gebracht. 
Besonders eindringlich ist Hallström dabei die Atmosphäre in dem idyllisch in der bergigen Landschaft von Maine gelegenen Waisenhaus gelungen, in der der Waisenhausleiter Dr. Larch zusammen mit seinen beiden sympathischen Krankenschwestern Angela (Kathy Baker) und Edna (Jane Alexander) sehr liebevoll mit den Waisenkindern umgehen, ihnen große Literatur wie „David Copperfield“, „Große Erwartungen“ und „Jane Eyre“ nahebringen, sondern ihnen auch Mut machen, eine liebevolle Familie zu finden. Hallströms Film jongliert über das Waisenhaus hinaus aber gleich mit mehreren gewichtigen Themen. 
Da geht es um die Dreiecksgeschichte zwischen Candy, Wally und Homer ebenso wie um Inzest und vor allem darum, in einer ungewissen und unsicheren Welt seinen Weg zu finden. So muss Homer erst einmal das Waisenhaus verlassen und seine Erfahrungen als Apfelpflücker und Hummerfischer zu machen, das Meer zu sehen und die Liebe kennenzulernen, um am Ende seiner Reise zu erkennen, wo wirklich sein Zuhause ist. Das ist zwar alles recht vorhersehbar, aber wunderbar leichtfüßig inszeniert, großartig von Oliver Stapleton („Grifters“, „Mein Freund, der Wasserdrache“) fotografiert und vor allem famos gespielt. Michael Caine („Die schwarze Windmühle“, „Dressed to Kill“) verkörpert den liebenswerten, mit einem starken Beschützerinstinkt ausgestatteten Waisenhaus-Leiter und Befürworter des Rechts einer Frau auf Abtreibung, jederzeit glaubwürdig. Auch der junge Tobey Maguire („Spider-Man“, „Bauernopfer – Spiel der Könige“) fesselt mit seiner Darstellung des naiv wirkenden Homer, der sich wie von seinem griechischen Namensgeber inspiriert erst auf eine Odyssee in andere Landstriche aufmachen muss, um seinen Horizont zu erweitern. Charlize Theron („Monster“, „Tully“) rundet als junge Frau, die schwer allein sein kann, den bis in die Nebenrollen perfekt besetzten Cast überzeugend ab. 

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