Lasst mich leben

Die 1923 in Oakland geborene Prostituierte und Kleinkriminelle Barbara Graham wurde 1953 in Kalifornien wegen Mordes zum Tode in der Gaskammer verurteilt und als dritte Frau 1955 im Staatsgefängnis von San Quentin vergast. Robert Wise, der sich seit seinem Regiedebüt mit „The Curse of the Cat People“ (1944) als nicht nur verlässlicher, sondern stellenweise herausragender Regisseur erwies und im Laufe seiner Karriere vier Oscars einheimsen konnte, nahm sich 1958 des Falles an und bescherte Hauptdarstellerin Susan Hayward ihren ersten und einzigen Oscar. 

Inhalt: 

Zusammen mit ihrer Freundin Peg (Virginia Vincent) ist die extrovertierte und schlagfertige Prostituierte Barbara Graham (Susan Hayward) immer auf der Suche nach der nächsten Party, tanzt ausgelassen zu wilder Jazzmusik, und wenn dabei auch noch ein Kunde abfällt: umso besser. Ihren Lebensunterhalt peppt sie dadurch auf, indem sie in Bars gestrandete Handlungsreisende und andere Spießbürger zu scheinbar aufregenden Pokerrunden schleppt, die jedoch von ihren Freunden Emmett Perkins (Philip Coolidge) und John R. „Jack“ Santo (Lou Krugman) inszeniert werden, um solche unbedarften Typen auszunehmen. Das funktioniert so lange gut, bis die gutgläubige Barbara zwei Freunden ein falsches Alibi verschafft und wegen Meineids zu einer Haftstrafe verurteilt wird. 
Obwohl ihr bei der Entlassung eindringlich nahegelegt wird, ihrem Leben eine andere Richtung zu geben, kehrt sie nach Los Angeles zurück, wo sie den Barkeeper und Junkie Henry L. Graham (Wesley Lau) heiratet und einen Sohn zur Welt bringt. Das Liebesglück hält jedoch nicht lange vor, denn mit Henrys Morphiumsucht kehrt Gewalt und chronische Geldknappheit ins Haus ein. Als sie Henry schließlich verlässt, kehrt Barbara mit ihrem Kind zu Perkins und Santo zurück, die sich inzwischen mit Bruce King (James Philbrook) einen weiteren Partner zugelegt haben. Schließlich wird sie des Mordes an einer reichen Witwe bezichtigt. Als Alibi kann Barbara nur ihren Ehemann vorweisen, der auf eine lange kriminelle Karriere zurückblickt und zur Tatzeit im Delirium gewesen ist. In ihrer Not lässt sich Barbara darauf ein, sich durch eine Gefängnisinsassin auf ein erkauftes falsches Alibi einzulassen, doch der Mann erweist sich als polizeilicher Ermittler, der mit dem von ihm aufgezeichneten falschen Geständnis maßgeblich dafür sorgt, dass Barbara zum Tode verurteilt wird. 
Der Gerichtsreporter Ed Montgomery (Simon Oakland) hat mit seiner Berichterstattung ebenfalls dafür gesorgt, die Geschworenen zu beeinflussen. Zwar glaubt der Gerichtspsychologe Carl Palmberg (Theodore Bikel) an ihre Unschuld, und selbst Montgomery revidiert seine Auffassung, doch können sie nicht verhindern, dass das Urteil wie geplant vollstreckt werden soll… 

Kritik: 

Bereits im Vorspann wird darauf hingewiesen, dass der Film auf den veröffentlichten Briefen der Barbara Graham und den ausgiebigen Recherchen des Journalisten Edward S. Montgomery beruht, und Regisseur Robert Wise („West Side Story“, „Andromeda: Tödlicher Staub aus dem All“) setzt mit seiner unprätentiösen Inszenierung alles daran, die Geschichte von Barbara Graham so authentisch wie möglich zu erzählen. Dabei halten sich die Drehbuchautoren Nelson Gidding („Bis das Blut gefriert“, „Wenig Chancen für morgen“) und Don Mankiewicz („Das Komplott“, „Der Henker nimmt Maß“) nicht lange mit einer Vorgeschichte auf, sondern steigen gleich in den von Lebenslust geprägten Alltag der Protagonistin ein, die durch ihre „Freunde“ Perkins und Santo auf die schiefe Bahn gerät, den falschen Mann heiratet und letztlich des Mordes angeklagt wird. 
„Lasst mich leben“ beschäftigt sich interessanterweise nicht mit den polizeilichen Ermittlungen, sondern bleibt stets bei der Angeklagten und Verurteilten, die ihr Schicksal zunächst mit der ihr eigenen Gelassenheit entgegennimmt und zunehmend verzweifelter wird, als sie erkennt, dass das alles kein Spaß mehr ist, sondern dass es tatsächlich um ihr Leben geht. 
Als Zuschauer glaubt man nicht eine Sekunde daran, dass Barbara tatsächlich jemanden töten könnte, schon gar nicht eine alte Witwe. Wise steuert so geschickt die Erwartungen des Publikums und präsentiert letztlich ein überzeugendes Plädoyer gegen die Todesstrafe. Minutiös dokumentiert er die Vorbereitungen rund um die Gaskammer und lässt einen auch die emotionale Anspannung nachvollziehen, die sich durch die Aufschübe in letzter Minute bei der Verurteilten auf- und abbaut. 
Susan Hayward („Angst vor der Schande“, „Ungebändigt“) verkörpert die zum Tode verurteilte Prostituierte mit einer überzeugenden Breite in der emotionalen Palette, als lebenslustige Tänzerin und kecke Liebhaberin ebenso wie als liebende Mutter. Den Oscar hat sie sich damit redlich verdient.  

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