Du lebst noch 105 Minuten

Barbara Stanwyck begann ihre Schauspielkarriere Ende der 1920er Jahre mit Rollen in meist komödiantischen und leichten Stoffen wie „Night Nurse“ (1931), „Sehnsucht ohne Ende“ (1932) und „Die Falschspielerin“ (1941) sowie Dramen wie „Baby Face“ (1933), „Die Spielerin“ (1934) und „Zwischen Hass und Liebe“ (1936), ehe sie eine ihrer beeindruckendsten Leistungen in Billy Wilders Film-noir-Klassiker „Frau ohne Gewissen“ (1944) zum Besten gab. Dem Genre blieb sie auch weiterhin treu, spielte sie doch die Hauptrollen in „Die seltsame Liebe der Martha Ivers“ (1946) und „Der Fluch des Wahnsinns“ (1947). Eine weitere Meisterleistung lieferte sie in Anatole Litvaks Leinwandadaption des berühmten Hörspiels „Sorry, Wrong Number“ ab, die hierzulande unter dem Titel „Du lebst noch 105 Minuten“ (1948) in den Kinos anlief. 

Inhalt: 

Als die bettlägerige Leona Stevenson (Barbara Stanwyck) um kurz vor zehn Uhr abends aus dem Schlafzimmer ihres luxuriösen New Yorker Apartments ihren Mann Henry (Burt Lancaster) im Büro anzurufen versucht, kommt sie auch mit Hilfe der eingeschalteten Vermittlung nicht durch, weil der Telefonhörer im längst verlassenen Büro nicht aufgelegt worden ist. Da das Hausmädchen frei hat und sie ganz allein im Haus ist, versucht Leona es weiter über die Störungsstelle, die aber auch keine Verbindung zu ihrem Mann herstellen kann. Dafür wird sie Zeuge eines Gesprächs von zwei Männern, die die letzten Einzelheiten eines für 23:15 Uhr geplanten Mordes an einer Frau besprechen. 
Da es den Telefonistinnen nicht möglich ist, den Anruf zurückzuverfolgen, nimmt Leona erst – erfolglos - Kontakt zu Sergeant Duffy (Cliff Clark) von der örtlichen Polizei auf, dann informiert sie auch ihren Vater in Chicago, den reichen Unternehmer James Cotterell (Ed Begley), bei dem auch Henry angestellt ist. Im Anschluss ruft sie Henrys Sekretärin Elisabeth Jennings (Dorothy Neumann) an, die ihr berichtet, dass eine Mrs. Lord (Ann Richards) im Büro erschienen sei und sich mit Henry zum Essen verabredet habe. Danach sei Mr. Stevenson nicht mehr im Büro aufgetaucht. 
Als Mrs. Lord später bei Leona anruft, stellt sich heraus, dass sie Leonas alte Schulfreundin, mittlerweile mit einem Staatsanwalt verheiratete Sally Hunt ist. Leona erinnert sich daran, wie sie Henry durch Sally kennengelernt hat und ihn heiraten wollte, obwohl Henry als einfacher Drogerie-Verkäufer keine besonders gute Partie ist. Zwar erleben Henry und Leona glückliche Flitterwochen in Europa, doch die Ernüchterung folgt, als Henry in seinem Job als Vize-Präsident in der Firma von Leonas Vater nichts zu tun hat und sich lieber selbstständig machen würde. Der Beziehungsstress führt bei Leona zu einer Herzkrankheit, die sie daheim ans Bett fesselt. Durch Sally erfährt Leona, dass Sallys Mann Frederick (Leif Erickson) zusammen mit einem Detective Robertson gegen Henry ermittelt… 

Kritik: 

Obwohl der aus Kiew stammende Anatole Litvak 1941 mit „Blues In The Night“ und „Ufer im Nebel“ bereits zwei frühe Film noirs inszeniert hatte, legte er routinierte Filmemacher mit „Du lebst noch 105 Minuten“ ein dramaturgisches Meisterwerk vor. Barbara Stanwyck präsentiert sich bereits in der Eröffnungsszene, als sie verzweifelt ihren Mann telefonisch zu erreichen versucht, als perfektes, völlig hilfloses Opfer, und mit dem zufällig mitgehörten Gespräch einer Verabredung zum Mord fängt die Uhr unerbittlich zu ticken an. Was hinter dem geplanten Mord an einer Frau steckt und wie die Beziehung zu ihrem Mann Henry gestrickt ist, erfahren wie Zuschauer durch geschickt montierte Rückblenden, die vor allem Aufschluss über die unterschiedlichen Motive von Leona und Henry zur Heirat gibt. 
Während Leona aus ihrer inzestuös anmutenden Beziehung zu ihrem Vater auszubrechen versucht, die offenbar der ursprüngliche Grund für ihr neurotisches Herzleiden darstellt, bietet sich für Henry durch die Hochzeit die Möglichkeit, sehr schnell an Vermögen zu kommen.  
Litvak gelingt es hervorragend, Leonas Nachforschungen im geplanten Mordfall mit dem Psychogramm einer unglücklichen Ehe zu verbinden. Barbara Stanwyck hat dabei viel mehr die Möglichkeit, die unterschiedlichsten Emotionen ihrer Figur auszuspielen, als Burt Lancaster. Dafür sorgen auch die gut ausgewählten Nebendarsteller wie William Conrad, Ed Begley und Wendell Corey, dass „Du lebst noch 105 Minuten“ zu einem nervenaufreibenden Film noir wird, den man so schnell nicht vergisst. 

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