Die 27. Etage
Edward Dmytryk war in den 1940er Jahren ein vielbeschäftigter Regisseur, der für so unterschiedliche Klassiker wie „Mord, mein Liebling“ (1944), „Haus der Sehnsucht“ (1949) und die beiden Humphrey-Bogart-Filme „Die Caine war ihr Schicksal“ (1954) und „Die linke Hand Gottes“ (1955) verantwortlich zeichnete. 1965 schuf Dmytryk mit der Verfilmung von Howard Fasts 1952 unter dem Pseudonym Walter Ericson veröffentlichten Roman „Die 27. Etage“ einen späten Film noir, der durch Hauptdarsteller Gregory Peck und die atmosphärisch dichte Schwarzweiß-Fotografie besticht.
Als eines Abends in einem Wolkenkratzer der Skyline Manhattans der Strom ausfällt, irren auch in der 27. Etage des Bürohauses die Menschen etwas plan- und hilflos umher. David Stillwell (Gregory Peck) tritt ebenfalls aus seinem Büro vor die Tür und wird von seinem Kollegen Josephson (Kevin McCarthy) eingeladen, mit zur Betriebsfeier seines Chefs zu kommen. Stattdessen begleitet er eine Frau namens Shela (Diane Baker), die er im ebenfalls stockfinsteren Treppenhaus trifft, mit nach unten, doch als er sie bis in das vierte Untergeschoss verfolgt, verliert er die Frau, die ihn zu kennen schien, aus den Augen. Beim Verlassen des Gebäudes bemerkt er eine Menschenansammlung um die Leiche eines Mannes, der aus einem der oberen Fenster gestürzt ist.
Stillwell kehrt zum Treppenhaus zurück und muss zu seiner Überraschung feststellen, dass es nur einen Keller, aber keine Untergeschosse gibt. In der U-Bahn entnimmt er einer Zeitungsmeldung, dass ein gewisser Charles Calvin (Walter Abel) im Hauptsitz der Unidyne Corporation Selbstmord begangen habe. Stillwell ist sicher, dass der Tote vor dem Gebäude Calvin war.
Als Stillwell in seiner Wohnung ist, bedroht ihn ein Mann namens Lester (Jack Weston) mit einer Pistole und fordert ihn auf, mit einem sogenannten „Major“ Kontakt aufzunehmen.
Stillwell schlägt Lester mit seiner Aktentasche bewusstlos, sperrt ihn in eine Besenkammer und erfährt aus dem Fernsehen, dass Charles Calvin Rechtsanwalt, ein berühmter Kämpfer für den Weltfrieden und offenbar auch mit Crawford Gilcuttie, dem Generaldirektor der Unidyne, befreundet war.
Auf der Polizeistation, wo Stillwell eigentlich Anzeige gegen Leser erstatten will, kann er sich weder an seine Telefonnummer noch an seinen Geburtsort und -tag erinnern.
Völlig verwirrt macht Stillwell einen Termin beim Psychiater Dr. Broden (Richard H. Harris) auf und begegnet auf dem Weg zu dessen Praxis der Frau aus dem Treppenhaus, die Stillwell gut zu kennen scheint, doch kann er sich darauf keinen Reim machen. Dr. Broden bezichtigt ihn sogar der Lüge, als Stillwell während des Gesprächs feststellen muss, dass er sich nicht an die letzten zwei Jahre seines Lebens erinnern kann.
Stillwell wendet sich an den Detektiv Ted Caselle (Walter Matthau), der herausfindet, dass Stillwell zwar glaubt, ein Kostenrechner zu sein, aber gar keine Vorstellung von der Arbeit eines solchen hat.
Shela offenbart Stillwell bei dem nächsten Treffen im Park, dass sie vor zwei Jahren ein Liebespaar gewesen seien und der „Major“ Drahtzieher einer Verschwörung sei, die Stillwell mit aller Macht davon abhalten wolle, etwas über seine Vergangenheit zu erfahren. Das macht Stillwell erst recht neugierig…
Kritik:
Edward Dmytryk, der wie viele Hollywood-Akteure vom Komitee für unamerikanische Umtriebe (HUAC) ins Visier genommen und zwischenzeitlich mit einem Berufsverbot belegt worden war, erweist sich als versierter Regisseur, der seinen zunächst recht unscheinbaren Protagonisten auf eine bizarre Reise schickt, auf der er nicht nur die seine Identität und geistige Gesundheit hinterfragen muss, sondern auf der er zusammen mit der geheimnisvollen Shela und dem gar nicht so unbeholfenen Detektiv Caselle herauszufinden versucht, in welche Machenschaften der Tote und der mysteriöse „Mayor“ verwickelt sind. Dabei drückt Dmytryk nicht nur ordentlich aufs Tempo, sondern sorgt mit Kameramann Joseph MacDonald („Feind im Dunkel“, „Kanonenboot am Yangtse-Kiang“) und Cutter Ted J. Kent („Frankensteins Braut“, „Mein Mann Godfrey“) für eindrucksvolle, dem Noir angelehnte Schwarzweiß-Bilder, die elegant geschnitten und von Quincy Jones („Die Farbe Lila“, „In der Hitze der Nacht“) mit einem fiebrig pulsierenden Score unterlegt worden sind.
Zwar fällt der Twist reiche Plot zum Finale hin etwas ab, doch verkörpert Gregory Peck („Ich kämpfe um dich“, „Wer die Nachtigall stört“) eindrucksvoll den durch die Ereignisse, Erinnerungsfetzen und Déjà-vus völlig verstörten Protagonisten, wobei er wunderbar von Walter Matthau und George Kennedy unterstützt wird.
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