Spielfieber
Mit drei Oscar-Nominierungen im Rücken („Stella Dallas“, „Wirbelwind der Liebe“ und „Frau ohne Gewissen“) zählte Barbara Stanwyck in den 1940er Jahren zu den weiblichen Top-Stars in Hollywood. Obwohl es dort nach Ende des Zweiten Weltkriegs für Frauen schwierig geworden ist, anspruchsvolle Rollen zu ergattern, fand Stanwyck immer wieder interessante Figuren zu verkörpern. Das brachte ihr 1949 ihre vierte Oscar-Nominierung in dem gefeierten Film noir „Du lebst noch 105 Minuten“ und bescherte ihr die Hauptrolle als Spielsüchtige in Michael Gordons „Spielfieber“ (1949), nachdem sie bereits in Archie Mayos „Gambling Lady“ (1934) eine ähnliche Figur verkörpert hatte.
Als Joan Phillips (Barbara Stanwyck) und ihr Partner Frenchy (John Harmon) in Chicago bei einem Würfelspiel mit manipulierten Würfeln erwischt und von den betrogenen Mitspielern verprügelt werden, landet Joan mit einigen Prellungen im Gesicht im Krankenhaus, wo bald der Journalist David Boothe (Robert Preston) auftaucht und den behandelnden Arzt, Dr. Rojac (John Hoyt), inständig darum bittet, sich um seine (Ex-)Frau zu kümmern. Um seinem Ansinnen Nachdruck zu verleihen, erzählt Boothe dem Doktor, wie seine so lebhafte und kultivierte Frau, die er seit einem Jahr nicht mehr gesehen habe, so traurig und verzweifelt werden konnte…
Während David Boothe für einen Artikel über den Hoover Dam recherchiert, nutzt seine Frau Joan die Gelegenheit, mit einer in einer Zigarettenschachtel versteckten Kamera in ein Casino in Las Vegas zu gehen, um vielleicht eine eigene Story auftreiben zu können. Ihr dilettantisches Spiel fällt dem Casinobetreiber Horace Corrigan (Stephen McNally) sofort auf. Als er sie zur Rede stellt, kauft er ihr die Geschichte mit der Story, an der sie schreibt, nicht unbedingt ab, doch zeigt er sich nachsichtig und gibt ihr sogar einige wertlose Spielchips, damit sie eigene Erfahrungen sammeln kann.
Dabei hat Joan so viel Spaß, dass sie nicht mit David zusammen nach Hause fährt, und nimmt sich 50 Dollar von Johns Spesenkonto, die sie allerdings schnell beim Würfeln verliert. Am Ende hat sie das komplette Konto geleert und blitzt bei Corrigan ab, als sie ihn bittet, ihr die 600 Dollar zu leihen, um das Konto wieder aufzufüllen. Nur durch die Verpfändung ihrer Kamera ist Joan schließlich in der Lage, das Konto wieder auf den ursprünglichen Stand zu bringen. Doch als Joans neurotische ältere Schwester Ruth (Edith Barrett) auftaucht, wenden sich die Dinge nicht zum Besseren, zumal Corrigan ein Auge auf Joan geworfen hat…
Kritik:
Nachdem Billy Wilders Drama „Das verlorene Wochenende“ (1945) mit vier Oscars ausgezeichnet worden ist – u.a. für Ray Milland als bester Hauptdarsteller -, fand Hollywood Gefallen an Dramen über Alkohol- und Spielsucht. Susan Hayward erhielt für ihre Darstellung einer Alkoholikerin in Stuart Heislers „Smash-Up: The Story Of A Woman“ (1947) ihre erste Oscar-Nominierung, Robert Siodmak thematisierte mit Gregory Peck und Ava Gardner in „Der Spieler“ (1949) die Spielsucht nach einer Novelle von Dostojewski, und Mervyn LeRoys „Hoher Einsatz“ (1949) war mit Clark Gable und Alexis Smith ebenfalls prominent besetzt.
Michael Gordon, der zuvor mit „Das Netz“ (1947) und „An Act od Murder“ (1948) bereits zwei Film-noir-Stoffe inszeniert hatte, konzentriert sich in „Spielfieber“ ganz auf die Figur der spielsüchtigen Joan Boothe, die von Barbara Stanwyck überzeugend komplex dargestellt wird. Ihre Geschichte wird – typisch für den Film noir – als Rückblende von ihrem verzweifelten und ratlosen Ehemann erzählt, wobei die psychologische Erklärung für Joans Spielsucht nicht sehr einfallsreich auf das Verhältnis zu ihrer neurotischen Schwester zurückgeführt wird, die sich nach dem Tod der Mutter um die jüngere Joan kümmern musste und so in ihrer eigenen persönlichen Entwicklung zurückstecken musste, während Joan heiraten und ein erfülltes Leben genießen konnte.
Die Faszination, die Joan für das Glücksspiel empfindet, bringt „Spielfieber“ vor allem in den Nahaufnahmen gut zur Geltung, wenn Joan die Aufregung ins Gesicht geschrieben steht. Doch davon abgesehen bietet Gordons Drama wenig Höhepunkte. Nicht mal Joans Selbstmordversuch im Krankenhaus sorgt für Spannung. So ist es allein Barbara Stanwyck zu verdanken, dass „Spielfieber“ nicht zu einem rührseligen Melodram verkommt.
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