Der Zwang zum Bösen

Nathan Leopold Junior und Richard Loeb, zwei wohlhabende Studenten an der University of Chicago, fühlten sich 1924 so mit einem überlegenen Intellekt gesegnet, dass sie das perfekte Verbrechen im Sinne der Kunst des Mordes begehen wollten und sich bei der Ermordung des 14-jährigen Bobby Franks über dem Gesetz stehen sahen. Meyer Levin hat die Geschichte in dem Roman „Compulsion“ verarbeitet, den wiederum Film-noir-Routinier Richard Fleischer („Um Haaresbreite“, „Die Menschenfalle“, „Ein Satansweib“) mit Orson Welles, Dean Stockwell und Bradford Dillman in den Hauptrollen als eindringliches Plädoyer gegen die Todesstrafe verfilmt hat. 

Inhalt: 

Die beiden unzertrennlichen Freunde Judd Steiner (Dean Stockwell) und Artie Strauss (Bradford Dillmann) kommen aus wohlhabendem Hause und sind hochintelligent und fühlen sich ihrer Umwelt in allen Belangen überlegen, was sie ihre Mitmenschen auch spüren lassen. Mit seiner leicht sadistischen Ader scheint Artie seinen intellektuell brillanten Freund allerdings nach Belieben manipulieren zu können, sehr zum Missfallen von Judds älteren Bruder Max (Richard Anderson). 
Judd lässt sich sogar darauf ein, mit Artie den perfekten Mord begehen zu wollen. Doch ihr Mord an dem kleinen Paulie Kessler bleibt nicht ungestraft, da bei der Leiche des Jungen Judds Brille entdeckt wird. Ruth Evans (Diane Varsi), die feinfühlige Freundin von Judds Kommilitonen Sid Brooks (Martin Milner), fühlt sich Judd jedenfalls hingezogen, doch zu einer normalen Beziehung scheint Judd nicht fähig zu sein, wie sie nach einem tätlichen Übergriff bestürzt feststellen muss. Als die beiden jungen Männer vor Gericht gestellt werden, lässt der gewiefte Staatsanwalt Harald Horn (E.G. Marshall) keinen Zweifel daran, dass die Angeklagten für ihr abscheuliches Verbrechen nichts anderes als die Todesstrafe verdienen. Für die Judds und Arties Eltern kann nur noch der bekannte Strafverteidiger Jonathan Wilk (Orson Welles) das Eisen aus dem Feuer holen. Er überrascht das Gericht, indem er für seine Mandanten auf „schuldig“ plädiert, aber eine humanere Strafe als die Hinrichtung fordert… 

Kritik: 

Leopold und Loeb haben mit ihrem aufsehenerregenden Fall etliche Autoren und Filmemacher beeinflusst. So hat der große Alfred Hitchcock 1948 mit „Rope“ („Cocktail für eine Leiche“) das 1929 von Patrick Hamilton verfasste, von dem Verbrechen inspirierte Theaterstück verfilmt, aber auch Michael Haneke ließ sich 1997 mit „Funny Games“ ebenso von dem Fall beeinflussen wie 2002 Barbet Schroeder mit „Mord nach Plan“
Die beste Verfilmung stellt jedoch Richard Fleischers „Der Zwang zum Bösen“ dar, indem er sorgfältig das gesellschaftliche Umfeld der beiden Freunde Judd und Artie sowie ihren selbstbewusst bis zur Arroganz zur Schau getragenen Intellekt beschreibt. 
Es ist vor allem diese Arroganz, die die beiden jungen Männer für das Publikum zu Figuren macht, denen man tatsächlich nur eine harte Strafe wünschen kann. Natürlich kommt dabei schnell die Todesstrafe ins Spiel. Orson Welles tritt als Strafverteidiger Jonathan Wilk zwar erst in der zweiten Hälfte des Dramas auf, doch dafür bestimmt er den weiteren Fortgang der Handlung fast im Alleingang. 
Sein langes Plädoyer, mit dem er zwar die strafbare Schuld seiner Mandanten anerkennt, aber eindringlich für eine humane Strafe plädiert, zählt zum Besten, was in Justizdramen im Gerichtssaal zu sehen ist. Die großartigen Darstellungen nicht nur von Orson Welles („Citizen Kane“, „Der dritte Mann“), sondern auch von Dean Stockwell („Dune – Der Wüstenplanet“, „Blue Velvet“) und Bradford Dillman („Flucht vom Planet der Affen“, „Die Brücke von Remagen“) sowie die formal geschickte Inszenierung machen „Der Zwang zum Bösen“ zu einem Highlight des Film-noir-Genres.  

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