Sie leben bei Nacht
Nicholas Ray hat im Lauf seiner Karriere so unterschiedliche Meisterwerke wie den Film noir „Ein einsamer Ort“ (1950), das jugendliche Rebellen-Drama „… denn sie wissen nicht, was sie tun“ (1955) und das Sucht-Drama „Mensch oder Teufel“ (1956) hinterlassen. Sein Debüt feierte Ray 1948 mit dem für Howard Hughes‘ Produktionsfirma RKO Radio Pictures entstandenen Film noir „Sie leben bei Nacht“.
Nach ihrer Flucht aus dem Gefängnis kidnappen Arthur „Bowie“ Bowers (Farley Granger), Chickamaw (Howard da Silva) und T-Dub (Jay C. Flippen) einen Bauern, dessen Auto sie für ihre Flucht nutzen. Als ein Reifen platzt, lassen sie den Bauern niedergeschlagen zurück und setzen ihre Flucht zu Fuß fort. Bowie, den jüngsten der drei, müssen sie mit seiner Beinverletzung allerdings zurücklassen. Das gemeinsame Ziel liegt zehn Meilen entfernt. Dort ist das Farmhaus von Chickamaws Bruder Mobley (Will Wright) und dessen Tochter Catherine (Cathy O’Donnel), wo sie eine heruntergekommene Tankstelle betreiben.
Irgendwo dort versteckt Cickamaw zudem noch Geld aus einem früheren Banküberfall. In der Nacht holt Keechie Bowie mit dem Auto ab und bringt ihn zu den anderen Gangstern, die bei ihrem Vater Unterschlupf finden. Diese müssen jetzt ihr Weiterkommen organisieren und beauftragen Mobley mit dem Kauf eines Wagens.
Cickamaw und T-Dub machen Bowie das Angebot, in Zukunft mit ihnen Banken auszurauben und auf die Weise zu Geld zu kommen, damit er einen Anwalt bezahlen und endlich seine Unschuld in dem Mordfall beweisen kann, für den er seit sieben Jahren im Gefängnis saß. Während sich Catherine, genannt „Keechie“, und Bowie näherkommen, berichten sie einander von ihren gescheiterten Vätern und untreuen Müttern. Keechie will nicht, dass Bowie mit den beiden Gangstern weiterzieht. Da kommt Mobley, inzwischen betrunken, mit dem Wagen und in Gesellschaft von Mattie (Helen Craig) auf die Farm zurück. Der geplante Banküberfall verläuft zwar erfolgreich, doch als wenig später Arthur in einen Autounfall verwickelt wird, erschießt Chicamaw einen Polizisten, der an der Unfallstelle unangenehme Nachfragen gestellt hat. Chicamaw bringt den verletzten Arthur erneut bei seinem Bruder und seiner Nichte in der Tankstelle unter.
Keechie kümmert sich liebevoll um den verletzten Arthur und die beiden schüchternen, wenig welterfahrenen jungen Leute verlieben sich ineinander und laufen gemeinsam davon. Auf ihrer Busreise kommen sie zu einem Haus, bei dem für 20 US-Dollar Trauungen im Schnellverfahren gemacht werden. Die beiden heiraten und kaufen sich von der übriggebliebenen Beute aus dem Bankraub ein neues Auto.
Unterdessen planen Chicamaw und Mansfield einen erneuten Banküberfall, da sie ihr Geld bereits verschwendet haben. Mit einigen Drohungen zwingen sie auch Arthur dazu, an dem Überfall teilzunehmen, was seine Beziehung mit Catherine auf eine harte Probe stellt. Sie hofft, dass er sich endlich von den Verbrechern lösen kann, und legt ihm mehrmals nahe, sich der Polizei zu stellen…
Kritik:
Nicholas Ray verfilmte mit „They Live by Night“ den 1937 erschienenen Roman „Thieves Like Us“ von Edward Anderson, in dem er den Zusammenhang von Armut und Kriminalität während der „Great Depression“ schilderte. Ray nimmt sich in seinem Regiedebüt viel Zeit für seine Charaktere und konzentriert sich vor allem auf das Schicksal der drei aus dem Gefängnis Geflohenen, unter denen der junge Bowie mit allen Mitteln versucht, sein bereits in frühen Jahren verkorkstes Leben wieder auf die Reihe zu bekommen, zumal er ein empathisches, verständnisvolles Mädchen gefunden hat, das ihn so liebt, wie er ist.
Es sind aber die gesellschaftlichen Zwänge, vor allem die Nähe zu den beiden älteren, wenig zimperlichen Kriminellen, die Bowies Eingliederung in die Gesellschaft im Wege stehen, zumal die Weltwirtschaftskrise es nicht leichter macht, ein Auskommen durch ehrliche Arbeit zu verdienen. So nimmt das Schicksal seinen vorhersehbaren Lauf.
Mit „Sie leben bei Nacht“ hat Nicholas Ray eine einfühlsame Liebesgeschichte inszeniert, deren Glück durch eigenes Unvermögen ebenso wie durch die Ignoranz und Bösartigkeit der anderen verhindert wird. Dabei ist vor allem Rays Deutung von vermeintlich guten und bösen Charakteren interessant.
Robert Altman verfilmte die Geschichte 1974 unter dem Titel „Diebe wie wir“ mit Keith Carradine und Shelley Duvall noch einmal.
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